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Kapitel 2

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Am Horizont zeichnete sich das erste zarte Morgenrot ab. Jannik ging in großen Schritten den einsamen Feldweg entlang. Das vom Morgentau nasse Gras hatte seine maroden Springerstiefel aufgeweicht und seine Strümpfe und Füße waren nass. Das war ihm egal, er war es gewohnt lange Strecken zu laufen und nasse Füße gehörten mit zum Standardprogramm. Schließlich war das hier nicht Arizona oder New Mexiko durch das er spazierte sondern ein gewöhnlicher Feldweg in Hessen.

Er liebte es so durch die Natur zu laufen. Der Rhythmus beim Gehen versetzte ihn in eine Art Trance. Die Monotonie der Schritte, die Geräusche seiner Schuhe wenn er über Teer, Schotter oder wie hier durch hohes Gras ging, hatte etwas beruhigendes. Bei solchen Wanderungen konnte er wunderbar nachdenken, über alles, was ihn bewegte, alles, was er verabscheute und alles, was er hasste.

Da gab es eine ganze Menge, was Jannik auf den Keks ging. Die ganze scheiß Gesellschaft zum Beispiel. Die Bonzen in ihren dicken Kisten, die Penner in ihren dicken Villen mit Doppelgarage und einem riesigen Rasen ums Haus.

Wenn er Samstags mittags vor die Tür ging, hörte er überall nur das Wummern und Dröhnen von Rasenmähern in der Ferne. Oder die ganzen Normalos, die, die, wenn sie am Samstag an ihrer Hütte etwas am arbeiten waren, immer so einen verbissenen Ausdruck auf dem Gesicht hatten. Jeder Mist, den sie machten, war wichtig. Sägen, Löcher graben, Betonieren, alles war wichtig. Alles musste seine Ordnung haben, ordentlich und sauber sein, was sollen denn die Leute denken, das kotzte ihn an. Wie konnte man nur solch ein Leben führen, wie konnte man nur so Leben und dabei glücklich sein.

Nun gut, glücklich war er selbst auch nicht, aber er stand wenigstens dazu und er wäre auch bereit dieses beknackte System zu ändern. Aber die kloppten sich doch einen auf ihren Besitz, auf ihr Auto, ihre Bude, ihre Tussi und ihren scheiß Rasenmäher. Was denen zum absoluten Glück nur noch fehlte, war das ewige Leben, oder wenigstens eine Lebenserwartung von ein paar hundert Jahren, damit sie sich endlos weiter in ihrer kleinkrämerischen Wichtigkeit sonnen und immer weiter ganz wichtig irgend etwas arbeiten, irgendetwas kaufen oder irgendetwas besitzen konnten, um weiterhin endlose Runden mit dem Rasenmäher drehen und ganze Gebirge von Grünschnitt erzeugen zu können.

Jannik musste aufhören, daran zu denken sonst hätte er sich noch auf seine Stiefel gekotzt. Das war es ja wohl nicht wert, sich wegen diesen Affen die Schuhe voll zu kotzen, oder ?

Schwiff, schwiff, schwiff, schwiff, weiterhin lag früh morgendliche Ruhe über dem Land, nur das Geräusch seiner Schritte im Gras und ab und zu das Röhren eines Motors in weiter Ferne waren zu hören. Langsam näherte sich Jannik einer Wegzweigung, jetzt noch einmal links, noch einen knappen Kilometer leicht bergauf und dann wäre es mal wieder geschafft. Nach einer guten Stunde über Stock und Stein endlich ein Kaffee, noch ein bisschen Musik und dann ab in die Falle.

Jannik hatte den Abend bei Matthes verbracht. Matthes war sein einziger Freund. Gerne lief er die drei Kilometer um sich mit ihm zu treffen. Mit Matthes konnte er sich über alles unterhalten, Weiber, Suff, Musik, aber auch über andere Dinge wie z.B. die Natur oder über Politik. Oft besoffen sie sich, aber auch nur gemeinsam, und laberten irgend einen Scheiß.

Natur war für Jannik das Wichtigste. Ohne Natur ging gar nichts. Die Natur hörte ihm zu, wenn er seine langen Selbstgespräche führte wie er es manchmal bei seinen Spaziergängen tat. Die Natur strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus. Würde der Mensch in seinem Wahnsinn nicht ständig der Natur in den Arsch treten, dann wäre die Welt in Ordnung. Aber hindere diese Idioten mal daran. So lange noch ein Cent mit Umweltzerstörung zu verdienen ist, so lange ist die Umwelt diesen Arschlöchern doch scheissegal.

In Janniks WG wohnten auch nur Vollidioten, Punks zwar, es gab Schlimmeres, aber halt welche von der hirnlosen Sorte. Partypunks, Fressen, Saufen, Ficken und Punk. Fertig ist der Lack. Natürlich auch noch Computerspiele, hätte ich fast vergessen zu erwähnen, und Internet natürlich, bei Facebook posten, was für einen tollen Popel man sich gerade eben aus der Nase gezogen hat und solche Sachen.

Wie oft hatte er sich schon mit diesen Hirnis gestritten von wegen der Ernährung. Wurst, Fleisch, wie konnte man so eine Tier-KZ-Scheisse bloß fressen ? Das ging nicht in Janniks Kopf hinein. Nach seiner Ansicht gehörte jeder an die Wand gestellt der Tiere killt um sie zu essen.

Wer will schon gekillt und gefressen werden ?

Irgendwo hatte er mal gelesen, es wäre diese anerzogene Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Tiere, die es zulässt, dass Menschen ihre nächsten Verwandten auf diesem Planeten quälen, töten und aufessen. Das traf es ganz gut, fand Jannik. Einfach nicht drüber nachdenken, Augen zu und durch, so waren sie halt, diese Fleischfresser.

Schwiff, schwiff, Schritt für Schritt näherte Jannik sich seinem Ziel. Schritt für Schritt dachte er nach und mit jedem Gedankenschritt wuchs seine Ablehnung und sein Hass gegen die Gesellschaft, in der er lebte.

Das Morgenrot wurde zusehends stärker. Schon hatte das Licht über die Dunkelheit gesiegt. In der schemenhaften schwarz-grau-weiss-Welt der letzten halben Stunde hielten langsam die Farben Einzug. Zart noch, ganz verhalten in leichten Pastellfarben, aber doch schon gut zu erkennen. Hier und da über den Feldern lag ein leichter, dunstiger Frühnebel der schon bald von der Sonne ins Jenseits geschickt werden würde. Doch zu diesem Zeitpunkt würde Jannik schon zuhause mit einem Kaffee in der Hand in seiner Bude hocken.

Plötzlich blieb Jannik stehen. Was war denn das ? Etwa hundert Meter vor ihm sah er etwas im Gras liegen. Er kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen was dort vorne vor ihm auf dem Weg lag. Jannik ging weiter, er beschleunigte auf Eiltempo. Mit jedem Schritt gewann das Bild an Konturen. Noch ein paar Meter bis zum Ziel, nur noch ein paar Meter und Jannik würde mitten in einem Haufen Müll stehen.

Neuer Hass stieg in ihm auf als er diesen Schandfleck erreicht hatte. Mitten in diesem frühmorgendlichen Idyll, mitten hier in der Natur, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen sollten, mitten auf diesem einsamen Feldweg lagen verstreut diverse Fastfood-Verpackungen, eine leere Bier- und eine leere Prosecco Dose, die Reste eines ausgekippten Autoaschenbechers und zwei benutzte Kondome.

„Vollassis“ knurrte Jannik, „beschissene, kleine, verfickte Vollassis“. Einfach alles aus dem Fenster gekippt. Scheiß auf die Natur. Scheiß auf die Welt.

Wenn er doch nur einmal solche Wichser auf frischer Tat ertappen könnte.

Jannik sammelte die Plastikbehälter, in denen die verschiedenen Saucen und Dips gewesen waren, und steckte sie in seine Jackentasche. Die Zigarettenstummel sammelte er ein und stopfte sie in die leeren Getränkedosen, die er anschließend ebenfalls in seinem Säckel verschwinden ließ. Nun sammelte er die Burgereinwickelpapiere ein und stopfte sie alle bis auf eines in die braune Papiertüte, in der das gesamte Menü verpackt gewesen war. Das letzte Burger-Papier benutzte er als eine Art Griffschutz, um die beiden vollgerotzten Pariser aus dem Gras aufzuheben, die er dann zusammen mit dem restlichen Papier in der Tüte verschwinden ließ.

Toll. Tu jeden Tag eine gute Tat. Hahaha.

Jannik ging weiter, der Tag war schon versaut bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. Das Schlimme war, dass sein Hass so ins Leere lief. Er konnte niemanden packen, um ihm seine Verachtung ins Gesicht zu schreien. Alles, was ihm blieb, war hinterher den Müll von diesen Schweinen wegzuräumen.

Jannik ging die letzten Meter der kleinen Anhöhe hinauf, mit hängendem Kopf, tief in Gedanken versunken, mit einer dunklen Wolke aus Hass und Arger hinter der Stirn.

Hinter ihm eroberte die rote Scheibe der Sonne langsam den Horizont, doch davon bekam Jannik nichts mehr mit.

Punk Justiz

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