Читать книгу Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt - Ulrich Dauscher - Страница 12
Оглавление4. Der Moderator
Zu zweit moderieren
Die Grundhaltung des Moderators, seine Aufgaben und einige Faustregeln für sein Verhalten sind Thema dieses Abschnitts.
Wenn die Rede von „dem Moderator“ ist, so heißt das nicht, dass moderieren die Aufgabe eines Einzelnen sein muss. Im Gegenteil – wenn möglich sollte zu zweit moderiert werden. Das bietet wesentliche Vorteile:
• Die Arbeit kann beschleunigt werden, indem die Aufgaben in der Moderation verteilt werden. So kann sich z. B. einer darauf konzentrieren, die Kommunikation in der Gruppe zu unterstützen, während der andere für die technische Seite der Visualisierung, also evtl. Mitschreiben und Anpinnen, zuständig ist.
• Die Gruppe erhält zwei Kommunikationsmodelle statt nur einem. Ihr wird ein breiteres Spektrum an Verhaltensmöglichkeiten vorgeführt. Ist einem Teilnehmer ein Moderator unsympathisch, so kann er sich immer noch am anderen orientieren.
• Hat sich ein Moderator festgefahren, so können die Rollen getauscht werden. Die Gruppe erhält so einen neuen Ansprechpartner, mit dem sie vielleicht im Moment besser arbeiten kann.
• Moderation erfordert häufig Improvisation und schnelles Einstellen auf neue Gegebenheiten. Zwei Moderatoren können sich gegenseitig beim Entwickeln der jeweils angemessenen Strategie unterstützen.
Im Allgemeinen sollten eine Frau und ein Mann zusammen moderieren. So kann einer Überbetonung geschlechtsspezifischer Verhaltens- und Kommunikationsweisen entgegengewirkt werden.
4.1 Grundhaltung des Moderators
Hebammenfunktion
Die Rolle des Moderators wird oft mit der einer Hebamme verglichen: Er bringt das Kind nicht zur Welt, er unterstützt nur die Geburt. Seine Hilfestellung bezieht sich auf das organisatorische Umfeld und den Kommunikationsprozess, d. h. auf die Meinungsbildung und die Dynamik der Gruppe. Im Gegensatz zum Fernseh-Moderator, dessen Engagement davon abhängt, ob er sich genügend in den Vordergrund spielt, ist Unauffälligkeit für den Moderationsmethoden-Moderator das oberste Gebot (was oft in Konflikt damit kommt, dass er auf Aufträge angewiesen ist). Die Gruppe soll nicht seine Show bewundern, sondern zu ihrem Ergebnis kommen.
Gruppe fachkompetent
Der Moderator sieht die Mitglieder der Gruppe als fachkompetent an. Er arbeitet nicht als Dozent, der der Gruppe Wissen vermittelt, sondern hält sich aus der inhaltlichen Diskussion heraus. Das bedeutet auch, dass vor allem die Gruppe für das Ergebnis zuständig ist. Es ist nicht Aufgabe des Moderators, die Gruppe mit seinen eigenen (inhaltsbezogenen) Erkenntnissen zu „bereichern“.
Die Fachkompetenz der Gruppe schließt allerdings die Möglichkeit nicht aus, externe Experten zu befragen.
Menschen selbstständig
Die Grundidee der Moderationsmethode, nämlich die Eigenaktivität der Gruppenmitglieder, beinhaltet, dass die Teilnehmer als selbständige Menschen angesehen werden. Das bedeutet für den Moderator einerseits, dass er nicht leitet, sondern unterstützt, andererseits, dass er Probleme von der Gruppe selbst lösen lässt. Damit sind nicht nur themenbezogene, sondern auch gruppendynamische Schwierigkeiten gemeint. Der Moderator gibt etwa in Konfliktsituationen Hilfestellung, indem er sie transparent macht und evtl. Wege vorschlägt, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Er bietet keine vorgefertigten Lösungen.
„Ganzheitliches“ Menschenbild
Die Mitglieder der Gruppe werden „ganzheitlich“ gesehen, d. h. der Moderator betrachtet sie nicht nur als Wissensträger, sondern als Menschen mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen, die in der Lernsituation zum Ausdruck kommen und beachtet werden müssen. Das Menschenbild in der Moderationsmethode deckt sich mit dem in der Themenzentrierten Interaktion (TZI), daher finden sich auch viele TZI-Regeln in den Regeln zur Gruppenarbeit der Moderationsmethode wieder.
Konsensorientierung
Wenn die Gruppenmitglieder in diesem Sinne ganzheitlich gesehen werden, schließt das ein demokratisches (im gebräuchlichen Sinne) Verständnis von Gruppenarbeit aus. Demokratie, wie sie bei uns üblich ist, beinhaltet Abstimmungen, bei denen die Mehrheit gewinnt. Den Gewinnern stehen dann die (enttäuschten, wütenden, resignierten …) Verlierer gegenüber.
In der Moderationsmethode, die auf der Aktivität und Einbeziehung aller Teilnehmer beruht, ist normalerweise eine konsensorientierte Haltung gefordert. Um eine Entscheidung zu treffen, muss sich die Gruppe einig sein. Ist das in Ausnahmefällen nicht möglich, so wird nach Wegen gesucht, die Minderheitenmeinung zu berücksichtigen. Teilweise lässt sich das mit einfachen Techniken bewerkstelligen (wenn z. B. beim Sortieren von Stichpunkten eine bestimmte Karte nicht eindeutig zuzuordnen ist, kann sie kopiert und mehrfach verwendet werden), teilweise ist dazu die Kreativität der Gruppe und der Moderatoren gefordert.
Selbstreflexivität
Abstimmungen dürfen in einer Moderation nur in Ausnahmefällen und im Bewusstsein der Auswirkungen eingesetzt werden!
Schließlich ist ein Moderator selbstreflexiv. Sein Verhalten wirkt wesentlich auf die Gruppe ein, es bestimmt den Erfolg oder Misserfolg zu einem großen Teil mit. Nur ein Moderator, der seine Stärken und Schwächen kennt, kann flexibel auf die Bedürfnisse der Gruppe in der jeweiligen Situation eingehen. Beispielsweise wird ein eher konfliktscheuer Moderator dazu neigen, Konflikte zu übersehen, zu überspielen oder zu unterdrücken. Weiß er das jedoch, so kann er Problemsituationen erkennen und bewusst gegen seine Abwehr vorgehen oder er kann mit einem Co-Moderator arbeiten, der Konflikte leichter zulassen kann.
Haltung als Grundlage befriedigender Zusammenarbeit
Die Haltung des Moderators ist ein zentrales Element jeder Moderation. Nimmt er die Teilnehmer nicht ernst, behandelt er sie lehrer- oder gönnerhaft, dann stellt er sich über die Gruppe und gefährdet die Zusammenarbeit. Menschen sind, gerade in Moderationen, äußerst sensibel für Erwartungen, die ihnen entgegengebracht werden. Abwertungen können leicht zu selbsterfüllenden Prophezeiungen führen: Die Teilnehmer fühlen sich nicht akzeptiert, ziehen sich zurück oder werden aggressiv, und der Moderator hat einen weiteren Grund, ihr Verhalten als unmündig zu bewerten.
Wahrscheinlich ist ein technisch perfekter Moderator mit einer ungeeigneten Grundeinstellung weniger in der Lage, mit einer Gruppe befriedigend zusammenzuarbeiten, als ein Moderator, der methodisch Schwächen zeigt, aber die Teilnehmer respektiert, an ihre Fähigkeiten glaubt und ihnen Vertrauen entgegenbringt. Im Allgemeinen macht es kaum Schwierigkeiten, kleinere Moderationsfehler auszubügeln, wenn die Atmosphäre in der Gruppe gut ist. Das soll allerdings keine Entschuldigung für mangelndes Bemühen und nachlässige Vorbereitung des Moderators sein: auch darin äußert sich eine Missachtung der Bedürfnisse der Teilnehmer.
4.2 Aufgaben des Moderators
Vorbereitung
Zunächst ist es Aufgabe des Moderators, die Moderation vorzubereiten. Dazu gehört die Beschaffung und Ausgestaltung eines oder mehrerer geeigneter Räume sowie des nötigen Materials.
Mit den Beteiligten werden, soweit dies möglich ist, Vorgespräche geführt, um Informationen zu erhalten, die für den Ablauf der Veranstaltung wichtig sind. Dazu gehört z. B. Wissen über hierarchische Strukturen in der Teilnehmergruppe, über widerstreitende Interessen und Konfliktpotenziale, über zu erreichende Ziele und einschränkende Bedingungen. Mit diesen Kenntnissen können dann die Ablaufplanung und erste Fragestellungen für die Moderation erarbeitet werden. Die Planung kann teilweise detailliert ausgeführt werden (z. B. Anfangssituation), teilweise ist sie vorläufig und muss unter Umständen auch völlig fallen gelassen werden, wenn es die Situation in der Moderation erfordert.
Methodenspezialist
Der Moderator ist der Methodenspezialist. Er ist dafür zuständig, der Gruppe den Weg zum Ziel zu weisen, indem er zur Bearbeitung des jeweiligen Themas geeignete Techniken und Methoden zur Verfügung stellt. Diese „Wegweiserfunktion“ wird je nach Situation konsensorientiert oder direktiv gehandhabt.
Die konsensorientierte Handhabung ist aus den oben genannten Gründen das Selbstverständliche. Eher zu erläutern ist das direktive Verhalten.
Zunächst gibt der Moderator vor, dass die Moderationsmethode verwendet wird. Dies ist eine Prämisse, über die – während der Moderation – nicht diskutiert wird. In den Pausen kann er sich natürlich mit den Teilnehmern darüber unterhalten.
Mit Einschränkungen gilt das Gleiche für die in der Moderation angewendeten Methoden. Sie werden im Allgemeinen vom Moderator vorgegeben. Die Möglichkeit, Methoden mit der Gruppe zu besprechen, muss jedoch differenziert gesehen werden. Einerseits können Teilnehmer mit Moderationserfahrung sinnvolle Vorschläge zum Vorgehen machen; auch der qualifizierteste Moderator ist nicht unfehlbar. Andererseits können sich hinter methodischen Einwänden und Diskussionsversuchen auch Widerstände gegen die eigentliche Problembearbeitung oder die Person des Moderators verbergen. In diesem Falle geht es darum, herauszuarbeiten, was der Beschäftigung mit dem Thema im Wege steht, um die Weiterarbeit zu ermöglichen.
Ein Moderator vergibt sich nichts, wenn er einen guten Vorschlag aus der Gruppe aufgreift. Allerdings muss er zugleich die nötige Sicherheit und Autorität besitzen, um Diskussionen darüber unterbinden zu können, sodass nicht von der inhaltlichen Arbeit abgelenkt wird.
Methodenlehrer
Der Moderator ist nicht nur Methodenspezialist, sondern auch Methodenlehrer. Im Lauf der Moderation bringt er durch sein Vorbild den Teilnehmern Grundtechniken bei. Dadurch wird die Selbstständigkeit der Gruppe erhöht und der Ablauf der Moderation beschleunigt – der Moderator muss sich nicht mehr um alles selbst kümmern.
Kommunikation fördern – Transparenz schaffen
Eine Hauptaufgabe des Moderators ist, die Kommunikation der Gruppenmitglieder zu ermöglichen und zu fördern.
Dazu schafft er Transparenz, sowohl auf Sach- und Beziehungs- als auch auf methodischer Ebene.
Die Transparenz auf der Sachebene entsteht durch die Anwendung der Visualisierung schon beinahe von selbst. Der Moderator passt auf, dass alle genannten Punkte erfasst werden, sodass nichts unter den Tisch fällt. Das bezieht sich auch auf Randthemen, da von diesen wichtige Impulse ausgehen oder sie sich später als zentral herausstellen können. Daneben ist er dafür zuständig, dass eine klare Struktur sichtbar ist, sodass sich alle jederzeit über Vergangenes informieren können.
Positive Beziehungen der Teilnehmer untereinander und zum Moderator sind wichtig für die Erreichung des Gruppenzieles. Aus diesem Grund versucht der Moderator, Stimmungen und Gefühle in der Gruppe sichtbar zu machen. Unzufriedenheit und Konflikten wird einerseits vorgebeugt, andererseits werden sie nicht übergangen, sondern bearbeitet. Gerade aus Unzufriedenheit können neue Lösungsansätze entstehen.
Nicht zu vernachlässigen ist schließlich die methodische Transparenz. Den Teilnehmern sollte immer klar sein, warum sie etwas tun; ist es das nicht, so werden sie zumindest teilweise entmündigt. Daher erklärt der Moderator bei jedem Moderationsschritt kurz, welche Funktion dieser hat.
– Kommunikationsmodell
Der Moderator dient ferner als Kommunikationsmodell. Sein Verhalten wird von den Gruppenmitgliedern genau registriert und hat für sie Vorbildfunktion. Insbesondere in Gruppen, die sonst nicht oder nur wenig zusammenarbeiten und daher keinen entwickelten Umgangsstil besitzen, übt das Verhalten des Moderators einen sehr starken Einfluss auf das der Teilnehmer aus. Daher sind für ihn zwei Verhaltensweisen äußerst wichtig, die man auch zu seinen Grundhaltungen zählen könnte: Echtheit und Akzeptanz des Gegenübers. Nimmt er die Teilnehmer nicht so an, wie sie sind, und gibt er sich ihnen gegenüber nicht so, wie er ist, so kann er auch nicht erwarten, dass sich diese Voraussetzungen für eine sinnvolle Kommunikation in der Gruppe entwickeln.
Neben seinem Modelldasein steuert er die Kommunikation allerdings auch handelnd, indem er z. B. versucht, zurückhaltende Teilnehmer stärker einzubeziehen, Vielredner zu bremsen usw. Dazu führt er evtl. situationsbedingt nach und nach „Spielregeln“ in die Arbeit der Gruppe ein (s. S. 89).
Zielorientierung
Schließlich ist der Moderator noch dafür zuständig, dass die Gruppe zielorientiert arbeitet. Dazu führt er die Gruppe „an der langen Leine“, d. h., dass im Normalfall durchaus die Gruppe bestimmt, was besprochen werden muss (unter Beachtung evtl. situativer Vorgaben), dass sich diese aber, ebenso wie in einer mündlichen Diskussion, verlaufen kann und dann darauf hingewiesen werden muss. Der Kurs wird dann, mit Zustimmung der Gruppe, wieder auf das Gruppenziel zurückgeführt.
Idealbild
Im Sinne eines Idealbildes lässt sich das Verhalten eines Moderators als werturteilsfrei, offen, respektvoll, selbstkritisch und konsequent in der Methode und seinem Handeln beschreiben.
4.3 Verhaltensregeln für den Moderator
Aus der Grundhaltung des Moderators und seinen Aufgaben lassen sich Verhaltensregeln für ihn formulieren. Einige davon werden in diesem Abschnitt dargestellt.
Verhaltensanweisungen decken lediglich einige Situationen ab. Ein Moderator kann sich nicht nur an Regeln orientieren, er muss die richtige Grundeinstellung haben. Daraus ergibt sich dann das angemessene Handeln auch ohne das Bewusstmachen von Regeln.
4.3.1 Keine inhaltliche Einmischung
Doppelrollen trennen
Diese Regel wurde schon mehrmals angesprochen. Sie ist jedoch nicht immer ohne Weiteres einzuhalten. Würde sie vollständig befolgt, so könnten z. B. Leiter in Erwachsenenbildungsveranstaltungen, die auch der klassischen Wissensvermittlung dienen, keine Moderationselemente verwenden. Der Dozent, der Informationen weitergibt, und der Moderator, der sich aus der inhaltlichen Diskussion heraushält, wären ja in einer Person vereint.
In diesem Fall muss der Leiter / Moderator seine zwei Rollen klar und für die Gruppe sichtbar trennen. Dies kann er einerseits mit verbalen Mitteln versuchen, indem er ausdrücklich sagt, dass er jetzt von der Moderatoren- in die Dozentenrolle wechselt. Andererseits kann er auch nonverbale Mittel benutzen (oder beides), indem er z. B. jedes Mal, wenn er seine Rolle wechselt, auch den Platz im Raum wechselt: Als Moderator steht er neben den Pinnwänden, wird er zum Dozenten, so geht er auf die Gruppe zu und nimmt einen neuen, deutlich anderen Standort ein.
4.3.2 Fragen statt sagen
Informationen müssen erfragt werden
Da der Moderator Helfer und nicht Dozent ist, ist seine Grundhaltung fragend. Er möchte den Austauschprozess der Gruppe fördern, Meinungen sichtbar und besprechbar machen. Die nötigen Informationen dazu kann er nicht selbst geben, sondern muss sie von den Gruppenmitgliedern erfragen.
Diese Regel darf, wie alle anderen auch, nicht überzogen werden. Der Moderator sagt durchaus auch häufig etwas aus, nur nicht auf das Thema bezogene eigene Meinungen. Beispielsweise spricht er Störungen an, erklärt die Methodik des Vorgehens usw. Auch spiegelt er zur weiteren Klärung, sowohl auf der sachlichen als auch auf der emotionalen Ebene, Beiträge von Teilnehmern oder formuliert aggressive, angreifende Äußerungen um, um deren Sachaspekt in den Vordergrund zu stellen.
Da die Frageart und -formulierung in der Moderationsmethode eine wesentliche Rolle spielt, wird ihr später ein eigener Abschnitt gewidmet.
4.3.3 Keine Wertungen
Neutralität
Während der Moderation stellt der Moderator seine eigenen Meinungen und Werturteile zurück. Nur so kann die Gruppe Vertrauen in seine Neutralität bekommen.
Diese Wertfreiheit bezieht sich nicht nur auf thematische Äußerungen, sondern auch auf Stimmungen und Verhaltensweisen der Teilnehmer. Wenn beispielsweise ein Teilnehmer die Gruppe immer wieder stört, so muss der Moderator dafür sorgen, dass diese Störung bearbeitet wird. Sinnlos bzw. schädlich ist hier aber eine moralisierende Stellungnahme des Moderators.
– Vorsicht beim Loben
Der Moderator sollte auch mit dem Loben von Teilnehmerbeiträgen vorsichtig umgehen. „Das ist ein wichtiger Beitrag“ setzt diejenigen zurück, die nicht auf diese Weise gelobt werden und stellt außerdem ein Gefälle zwischen Beurteilendem und Beurteilten her. Ähnlich kann zustimmendes Brummen usw. wirken.
4.3.4 Mit der Gruppe gehen
Moderator Steuermann – Gruppe Kapitän
Der Moderator lässt sich den Kurs von der Gruppe vorgeben. Er zieht sie nicht in irgendeine Richtung, die er inhaltlich für richtig hält, wenn er auch durchaus methodisch die Mittel angibt. Moderation birgt, ebenso wie jede andere Methode, mit Menschen zu arbeiten, die Gefahr, manipulativ angewendet zu werden.
Keine Rechtfertigung
Mit der Gruppe gehen sollte der Moderator auch, wenn er angegriffen wird. Er rechtfertigt oder entschuldigt sein Handeln nicht; damit würde er nur Machtkämpfe zwischen sich und den Gruppenmitgliedern herausfordern. Er greift Kritik konstruktiv auf und klärt sie zusammen mit der Gruppe – gegen sie erreicht er ohnehin nichts. Voraussetzung für diesen offenen Umgang mit Kritik ist allerdings ein klares Bewusstsein über die eigene Rolle (siehe rechts, „Klares Selbstbild“).
4.3.5 „Ich“ statt „man“
Diese Regel, die aus der Themenzentrierten Interaktion übernommen wurde, ist für den Moderator aus zwei Gründen wichtig.
Kommunikationsmodell
Zum Ersten dient der Moderator der Gruppe als Vorbild für die eigenen Verhaltensweisen. Wenn also schon er selbst seine Aussagen hinter der schützenden Allgemeinheit („man“ heißt so viel wie „alle“) versteckt, so kann er von den Teilnehmern nicht erwarten, dass sie ihre Aussagen ichbezogen und damit angreifbar formulieren.
Klares Selbstbild
Zweitens wird der Moderator laufend mit Erwartungen und Wünschen der Teilnehmer konfrontiert, Ansprüchen, denen er nicht gerecht werden kann und will: Mal soll er für Disziplin sorgen, mal nicht so strikt führen; mal soll er Ergebnisse produzieren, mal Konflikte lösen. Wenn er sich in dieser Situation über seine eigenen (ich!) Ansprüche, Ziele und Aufgaben nicht im Klaren ist, wird er schnell zum Spielball der Vorstellungen der Teilnehmer.
4.3.6 Störungen haben Vorrang
Störungen bearbeiten
Auch dieses Prinzip stammt aus der Themenzentrierten Interaktion. Wesentliche Störungen – wie etwa ständige Nebengespräche und Unruhe – oder persönliche Angriffe verhindern oder beeinträchtigen die Arbeit am eigentlichen Thema. Werden sie übergangen oder unterdrückt, so eröffnen sich meistens weitere Störungsquellen. Außerdem haben sie oft einen Grund, der bedeutsam für die weitere Zusammenarbeit ist. Daher müssen sie bearbeitet werden, bevor mit dem Hauptthema fortgefahren werden kann. Als Mittel kann der Moderator z. B. ein Blitzlicht (s. S. 81) oder die Einpunktfrage (s. S. 59) einsetzen, um Stimmungen oder Konflikte transparent, besprechbar und damit veränderbar zu machen. Wenn es sich um einzelne Störer handelt, kann er diese auch direkt darauf ansprechen: „Ich merke, dass Sie sich immer wieder unterhalten. Ich weiß jetzt nicht: Ist es etwas, das für alle bedeutsam sein könnte?“
Ein Problem bei dieser Regel besteht darin, zu bestimmen, was eine Störung ist und wann der Moderator eingreifen muss. Wenn jedes noch so kleine Knirschen ans Licht gezerrt und behandelt wird, dann ist das überzogen und stört seinerseits die Zusammenarbeit. Daher eine Konkretisierung: Eine Störung in einer Moderation ist dann (akut) behandlungsbedürftig, wenn sie die inhaltliche Zusammenarbeit klar stärker belastet, als es ihre Thematisierung als Störung tun würde.
4.3.7 Flexibel sein
Situativ handeln
Die mechanische Anwendung der aufgeführten (und anderer) Verhaltensregeln für den Moderator führt wahrscheinlich bestenfalls zu einer mittelmäßigen Moderation. Flexibilität beinhaltet die Beherrschung und vor allem das Verstehen der „Technik“, auf deren Basis dann die „Kür“ aufgebaut werden kann. Man muss, je nach Situation, auch einmal alle Regeln über Bord werfen können, vielleicht auch eine Zeit lang die Moderation aufgeben, um z. B. Streitgespräche führen zu lassen.