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1. Entwicklung

Gesellschaftlicher Hintergrund

Die Moderationsmethode entstand in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren. Vor allem in den Hochschulen wurden in dieser Zeit bestehende Verhältnisse nicht mehr einfach hingenommen, wie sie waren. Studenten wollten in Entscheidungen einbezogen werden, mitbestimmen können. Es stellte sich allerdings heraus, dass der Wille, sogar die allgemeine Bereitschaft dazu, nicht genügte. Methoden, die die Einbeziehung der Betroffenen in Entscheidungen unterstützt hätten, fehlten. Üblich und bekannt waren damals zwei Gesprächsstrukturen: Diskussion und Vortrag. Im einen Fall wusste der Diskussionsleiter, worum es ging, im anderen der Experte. Gleichberechtigte Kommunikation war kaum möglich. Die „Schuld“ am Scheitern von Mitbestimmungsversuchen lag also nicht unbedingt, wie häufig zugewiesen, am Gegenüber, am gesellschaftlichen System oder an Sachzwängen, sondern auch daran, dass Gesprächsformen noch nicht entwickelt waren, die Mitbestimmung ermöglichten.

Wurzeln

Ebenfalls in den 60er-Jahren nahm in Deutschland, bedingt u. a. durch den wachsenden Wohlstand, das Bedürfnis nach Planung zu. Planungsstäbe und Unternehmensberatungen schossen aus dem Boden, erstellten Gutachten und Entwicklungspläne, wurden dafür gelobt, bezahlt und sahen ihre Vorschläge in der Schublade verschwinden. Auch hier fehlte ein Instrument, um Wünsche und Bedürfnisse im Vorfeld und während der Planung adäquat zu erfassen, sodass einerseits an den tatsächlichen Gegebenheiten, andererseits an den Betroffenen vorbeigeplant wurde.

Aus dieser Situation heraus entwickelte Eberhard Schnelle, Mitglied einer Unternehmensberatung, des „Quickborner Teams“, das „Entscheidertraining“ (Schnelle 1968). Er ging einerseits davon aus, dass aufgrund der wachsenden Komplexität der Probleme einzelne Planer überfordert und daher Kollektiventscheidungen notwendig seien, andererseits davon, dass Entscheidungen nicht nur Verfahrens-, sondern auch Verhaltensprobleme seien, von den Betroffenen also Sachentscheidungen nicht unbedingt akzeptiert würden, nur weil die Planer sie für gut hielten. Im Entscheidertraining wurde Wissen über Entscheidungsverhalten gelehrt und die Planung im Team unter Einbeziehung der Betroffenen, bzw. deren Meinungsführer, propagiert.

Das Vorgehen konnte mit den Erfahrungen aus der Beteiligung an Entscheidungsprozessen in Hochschulen verbunden werden, als Dr. Karin Klebert, ehemals Dozentin für Sozialphilosophie und Sozialpsychologie an der Universität Münster, und Dr. Einhard Schrader, ein Soziologe, zum Quickborner Team stießen.

Problemanalyse

Man kann sich der Methode über die Nachteile üblicher Gespräche annähern. Was macht es so schwer, in Diskussionen Ideen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen?

– Gedächtnis

Zunächst fordern mündliche Diskussionen eine sehr hohe Konzentration. Beiträge müssen über lange Zeit im Gedächtnis bleiben, da man sich nicht immer sofort dazu äußern kann. Ermüdungserscheinungen, Missverständnisse, die Notwendigkeit von häufigen Erklärungen und Wiederholungen sind also durch die Gesprächsform bedingt.

Roter Faden

Auch muss man ständig aufpassen, nicht den roten Faden zu verlieren. Die Versuchung, sich an unwichtigen Kleinigkeiten festzubeißen, ist groß.

– Interaktionsdichte

Des Weiteren ist eine mündliche Diskussion ziemlich unökonomisch: immer nur ein Einziger kann sich äußern, sodass die Interaktionsdichte relativ gering ist. Dazu kommt, dass so gut wie immer Vielredner und Ausschweifer in einer Gruppe sind, sodass die Sprechzeit, die jedem Einzelnen zur Verfügung steht, sehr unterschiedlich ist.

Diskussionsleitung

Der Diskussionsleiter müsste in dieser Situation Schwerpunkte setzen und auf die gleichmäßige Verteilung der Sprechzeiten achten, eine Aufgabe, die einen Einzelnen im Allgemeinen überfordert.

– Außenstehende

Schließlich liegt ein Problem noch darin, dass Außenstehende in den Stand der Diskussion kaum einzuführen sind. Experten können ihre Beiträge nicht auf den Stand der Gruppe abstimmen, sporadische Teilnehmer sind ebenso wenig ausreichend informiert wie Menschen, die von den gefällten Entscheidungen betroffen sind.

Visualisierung

Aus dieser Kritik entstand das erste Standbein der Moderationsmethode: die Visualisierung. Zusätzlich zur Sprache wurde der optische Kanal genutzt, indem auf Plakaten die Diskussion mitskizziert wurde. Dadurch sollten die Anforderungen an das Gedächtnis verringert und der rote Faden offensichtlich werden. Die Interaktionsdichte sollte steigen (man kann schreiben, während der andere redet), der Diskussionsleiter entlastet werden und Außenstehende leichter in den Diskussionsstand eingeführt werden können.

Moderator statt Leiter

Mit der Visualisierung allein allerdings war das Problem noch nicht gelöst: Man musste ja irgendwie ein Ergebnis erreichen und je mehr die Gruppe gezogen und geschoben wurde, desto stärkeren Widerstand entwickelte sie. Die Lösung bestand in der Umwandlung des Trainers, des wissenden Gruppenführers, in den Moderator, der die Gruppe auf dem Weg ihrer Entwicklung des eigenen Willens und der eigenen Erkenntnisse unterstützt.

Frage- /Antworttechniken

Als dritter Pfeiler wurden schließlich die Frage- und Antworttechniken entworfen, das Bindeglied zwischen Gruppe, Moderator und Visualisierung. Damit waren die Fragen: „Wie kann ich die mündliche Diskussion verbessern?“, „Welche Haltung muss ich als Moderator einnehmen?“ und „Welche Instrumente kann ich einsetzen?“ fürs Erste beantwortet.

Weiterentwicklung

Die Moderationsmethode verbreitete sich zunächst in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung, später griff sie über auf andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, wie z. B. gewerkschaftliche Fortbildungen, Sitzungen von Sportvereinen usw. Einen deutlichen Schub erhielt sie, als 1980 das erste umfassende Buch über diese Methode erschien: „ModerationsMethode“ von Klebert, Schrader und Straub.

Heute gibt es kaum mehr Organisationen, in denen nicht zumindest ein Mitarbeiter eine Moderationsausbildung hat. Die Moderationsmethode hat sich zu einem Standardverfahren in der Gruppenarbeit entwickelt. Darin liegt auch eine Gefahr. Die Moderationsmethode wird häufig als ein Sammelsurium von Techniken verstanden, das nach Belieben anzuwenden ist. Unter dieser Sichtweise leidet manchmal das grundlegende Verständnis der Methode. Die Moderationsmethode ist ein kunstvolles Gebilde, bei dem sich Material, Methode und Menschenbild zu einer Einheit ergänzen. Diese Einheit kann in der Anwendung nicht vernachlässigt werden, ohne dass das Ganze darunter leidet.

Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt

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