Читать книгу Kalteiche - Ulrich Hefner - Страница 11

4

Оглавление

»Ich denke, einen Raub können wir ausschließen«, konstatierte Krog.

Die Spurensicherung im Gebäude war weitgehend abgeschlossen. Krog begleitete Trevisan und Monika Sander bei der Tatortbegehung. Inzwischen war auch Thorke Oselich am Tatort eingetroffen. Die Leichen waren mit Tüchern abgedeckt und die Bestatter warteten geduldig auf dem Hof darauf, dass die Kriminalpolizei den Abtransport in die Gerichtsmedizin nach Oldenburg freigab.

Blut auf dem Boden, Blut an den Wänden, auf den Möbeln, sogar bis an die Decke war das Blut der Opfer gespritzt. »Absoluter Zerstörungswille«, murmelte Trevisan. »Zielstrebig und brutal.«

»Ein gnadenloser Overkill, ein klassischer Fall der Über­tötung«, bestätigte Krog. »Er hat sich nicht lange aufgehalten. Vier Menschen und dennoch hatten sie keine Chance. So wie es aussieht, hat er einfach nur zugeschlagen, mehrfach, ohne sich mit langen Reden aufzuhalten. Dieses Gemetzel dauerte kaum mehr als ein paar Minuten.«

Thorke Oselich schluckte. »Herr Trevisan, jetzt sind Sie kaum hier angekommen und schon passiert so etwas. Sagen Sie mir nur, was Sie brauchen – Material, Leute, ganz egal, diese Sache hat absolute Priorität, wir müssen diesen Irren dingfest machen.«

»Sexuelle Motive vielleicht?«, fragte Monika Sander.

Krog schüttelte den Kopf. »Zwar saß die Kleidung der jungen Frau im Bad nicht mehr ordentlich, sie trug ein Nachthemd und einen Slip, aber das liegt wohl eher an der Auseinandersetzung. Die Frau versuchte, durch das Badezimmerfenster zu entkommen, und der Täter zog sie an ihren Beinen zurück, ehe er sie erschlug. Deswegen würde ich dies eher verneinen.«

»Hass, grenzenloser Hass«, antwortete Trevisan. »Hass führt oft zur Übertötung.«

»Wir richten eine Sonderkommission ein und …«

»Ich denke, zunächst ist es wichtig, möglichst viel über die Toten herauszufinden«, fiel Trevisan seiner Chefin ins Wort. »Wie sie lebten, was sie taten, wem sie dermaßen auf die Füße getreten sind, dass sich der aufgestaute Hass in dieser Grausamkeit entlud. Meist stammen die Täter aus dem Umfeld.«

»Gibt es irgendwelche verwertbaren Spuren?«, fragte Thorke Oselich.

Krog schüttelte den Kopf. »Abdrücke von grobstolligem Profil, ich gehe von Gummistiefeln aus. Größe 44, würde ich sagen. Außerdem haben wir einen Plastikfetzen gefunden, deswegen nehmen wir an, dass der Täter ein Regencape trug. Weitere Spuren haben wir nicht, auch die Tatwaffen, ein Beil und ein Messer, fehlen noch, aber wir suchen derzeit die Umgebung mit Hunden ab.«

»Eike und Lisa befragen die Nachbarschaft, vielleicht hat jemand Beobachtungen gemacht«, erklärte Monika Sander.

»Die Ringfahndung steht«, fügte Trevisan hinzu. »Nur ist es schwer, gezielt nach jemandem zu suchen, wenn man so gut wie nichts über die Opfer weiß.«

»Sollte ein Profiler …«

Trevisan winkte ab und blickte auf seine Armbanduhr. »Wir besprechen uns in einer Stunde auf der Dienststelle und legen unser Vorgehen fest.«

»Gut, Kollege Trevisan«, entgegnete Thorke Oselich. »Sie haben die Erfahrung. Dann sehen wir uns in einer Stunde.«

»Können wir die Leichen freigeben?«, rief einer von Krogs Kollegen der kleinen Gruppe zu, als sie aus dem Gebäude kamen.

Krog warf Trevisan einen fragenden Blick zu.

»Von mir aus schon.«

»Okay, die Leichen können abtransportiert werden«, bestätigte Krog.

Die Polizeidirektorin verabschiedete sich und auch Krog ging wieder seines Weges. Monika Sander und Trevisan blieben alleine im Hof zurück.

»Was hältst du davon, Martin?«

»Wie brauchen Informationen über die Opfer«, entgegnete Trevisan. »Für mich stellt sich die Frage, ob alle Familienangehörigen gemeint waren oder ob der Täter es auf einen gezielt abgesehen hatte und die anderen nur im Weg waren.«

»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«

»Hass entsteht nicht von jetzt auf heute. Er wächst wie eine Pflanze, die austreibt und immer größer wird, deswegen müssen wir das Leben aller Opfer durchleuchten. Wir brauchen eine gründliche Umfeld-Recherche. Du weißt, was die Psychologen sagen, der Auslöser einer solchen Tat kann schon Jahre zurückliegen. Erinnerst du dich noch an Veronika Oberdorf und das Haus in den Dünen?«

Monika Sander überlegte.

»Manchmal dauert es aus irgendwelchen Gründen Jahre, bis sich der Hass entlädt.«

Sie nickte. »Du hast recht, das klingt nach sehr viel Arbeit. Dazu brauchen wir mehr Leute. Habich und sein Großvater stammten aus dem Osten, bevor sie hierher kamen.«

»Die Chefin sagte doch, wir bekommen, was wir brauchen«, entgegnete Trevisan. »Wie ist sie eigentlich so?«

»Oh, sie ist ganz okay, anders als Beck oder die Schulte-Westerbeck. Sie meint wirklich ernst, was sie sagt.«

Ein Wagen fuhr auf den Hof. Eike Brun und Lisa Bohm stiegen aus. Brun wies mit dem Zeigefinger nach Westen. »Die Rohloffs haben einen Hof einen Kilometer entfernt«, berichtete der junge Oberkommissar. »Der alte Rohloff meinte, dass er so gegen halb acht einen roten Kleinwagen auf der Straße gesehen hat, der mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Carolinensiel gebraust ist. Er war gerade draußen, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen.«

»Halb acht«, murmelte Trevisan. »Das könnte hinkommen. Kann er etwas zu dem Wagen sagen?«

Brun zuckte mit der Schulter. »Es war noch dunkel. Er kann nichts über das Kennzeichen und zur Marke sagen und über die Insassen schon zweimal nichts.«

»Weiß die Fahndung Bescheid?«

Brun schüttelte den Kopf.

»Dann gebt es bitte durch, vielleicht ist der Wagen ja noch irgendwo aufgefallen. Sonst noch was?«

»Leider nicht, niemand hat etwas gesehen«, entgegnete Lisa Bohm. »Der Hof liegt ja auch ziemlich abgelegen hier vor dem Deich.«

Trevisan nickte. »Wir treffen uns in einer Stunde auf der Dienststelle, seid bitte pünktlich.«

*

Sie hatten Spuren gefunden. Hinter der Scheune, wo der erschlagene Hund lag, führte eine Stiefelspur über das Grundstück zu einer nahe gelegenen Wiese. Der Boden war feucht gewesen, denn in den Nächten waberte der Nebel über das Land. Die Spuren waren gut sichtbar und führten in Richtung Osten. Harro, der Polizeihund, hatte die Witterung aufgenommen und zerrte an der Leine, so dass sein Herrchen kaum noch folgen konnte. Harro war ein Mantrailer und gehörte der Hundestaffel der Direktion Oldenburg an. Er hatte bei Wettbewerben schon den einen oder anderen Preis eingeheimst und wenn er einmal die Witterung aufgenommen hatte, dann ließ er nicht so schnell wieder davon ab. So zog er seinen Hundführer förmlich über die Wiese und den angrenzenden brachliegenden Acker, bis er schließlich auf einen geschotterten Feldweg traf, wo Harro kurz verweilte.

»Such!«, forderte ihn der Hundeführer auf.

Aufgeregt, die Nase tief am Boden, lief Harro hin und her. Mehrmals wechselte er die Richtung, bis er sich schließlich nach Süden wandte und den Weg entlanglief. Drei Polizisten folgten dem Hund und seinem Herrchen.

»Wohin führt uns der Köter?«, fragte einer der Beamten völlig außer Atem und missgestimmt.

Der Kollege zuckte mit der Schulter. Spuren waren längst keine mehr zu sehen, der geschotterte Boden machte es unmöglich. Der Hund zog wie wild und die Beamten hasteten hinterher. Beinahe wäre der missgelaunte Kollege in eine Pfütze getreten, gerade rechtzeitig wich er noch aus, ehe er verharrte.

»Hey, schaut euch das mal an, was ist das?« Er wies auf eine knapp einen Meter lange, direkt durch die Pfütze führende Spur. Der Kollege, der bereits einige Schritte weitergegangen war, kehrte um und betrachtete den schmalen Streifen, der durch das Wasser führte.

»Das ist die Spur von einem Fahrrad.« Er tastete vorsichtig über den Boden. Hier lag nur wenig Schotter und die blanke und weiche Erde war zu sehen. »Verdammt, der ist mit dem Rad abgehauen!«

Der missgelaunte Kollege griff zum Funkgerät und meldete seine Entdeckung an die Einsatzleitung. Er wurde gebeten, an der Stelle zu warten und die Spurensicherer einzuweisen.

Der Kollege schaute dem Hundeführer und dem weiteren Kollegen hinterher. Sie waren beinahe schon einen ganzen Kilometer entfernt. »Ich weiß nicht, was der Hund riecht, aber wenn der Kerl sich tatsächlich ein Rad geschnappt hat, dann kann doch gar keine Spur mehr vorhanden sein, oder glaubst du, der Köter kann einen Menschen auch riechen, wenn der mit dem Rad fährt?«

Eine Antwort unterblieb. Während die beiden Polizisten an der Pfütze zurückblieben, ließ Harro keine Zweifel daran, dass er noch nicht am Ende seines Witterungsvermögens angekommen war. Er zog und zog und hetzte voran, dass seine beiden menschlichen Begleiter immer mehr außer Atem kamen. Beinahe einen weiteren Kilometer ging es noch über den Schotterweg, bis sie an eine Wegegabelung kamen. Der Weg zur Rechten führte nach Altgarmsiel, während ein Weg links vorbei am künstlich angelegten Wangersee nach Hohenkirchen führte. Hier schien Harro mit seinem Latein am Ende. Nach ein paar Runden, die Nase tief am Boden, legte er sich einfach hin und hechelte.

»Was hat er?«, fragte der uniformierte Kollege den Hunde­führer.

»Das ist das Zeichen, dass er die Spur verloren hat.«

»Was glaubst du, rechts oder links?«

Der Hundeführer betrachtete die Umgebung. »Wir schauen mal am See nach.«

Gemeinsam folgten sie dem Weg und gingen am Seeufer entlang, bis der Mantrailer wie aus heiterem Himmel wieder anzog. Der Hundeführer riss ihn zurück und raunte ihm einen Befehl zu.

»Was hat er denn?«, fragte der uniformierte Kollege.

»Er hat wohl wieder die Spur aufgenommen.« Harro zerrte an der Leine und lief am Ufer auf und ab. »Ist dort was?«, fragte der Hundeführer.

Der Uniformierte trat näher und stand beinahe schon im klaren, kalten Wasser, als er auf eine Ecke im Schilf wies. »Da, da liegt was!«

Eine Viertelstunde später traf ein Wagen der Spurensicherung ein. Ein Beamter streifte eine Anglerhose und Gummistiefel über, bevor er langsam in den See stapfte. Als er die Stelle erreichte, an der die Kollegen etwas im Schilf entdeckt hatten, reichte ihm das Wasser bis zum Bauch. Er zog einen schwarzen Plastiksack aus dem Wasser. Sein Begleiter nahm den Fund am Ufer in Empfang.

Auf dem Trockenen öffneten sie den verschnürten Sack. »Das ist ein Volltreffer«, sagte der Spurensicherungsbeamte, als er ein Beil herauszog. Es folgte ein Küchenmesser mit einer beinahe dreißig Zentimeter langen, beidseitig geschliffenen Klinge. Ein Plastikcape und ein paar grüne Gummistiefel Größe 44 waren neben drei schweren Steinen ebenfalls vorhanden. Das Wasser, das auf den geschotterten Boden tropfte, war rot gefärbt.

»Ich informiere Krog.« Der Spurensicherungsbeamte ging zum VW-Bus.

Kalteiche

Подняться наверх