Читать книгу Messerwetzen im Team Shakespeare - Ulrich Land - Страница 14

Оглавление

9

Kyd und Helen …

… fertig mit der Welt …

… kehrten am späten Abend zurück nach London.

Was hätten sie auch in diesem elenden Nest und seinem umso elenderen Wirtshaus noch ausrichten können!

Nachdem es ihnen noch gelungen war, dem Constable unter Androhung des Frühstücksentzugs die Zusicherung abzuringen, dass er die Einstellung der Ermittlungen wieder zurücknehmen und die königlich-majestätischen Behörden einschalten würde. Diese hatten denn auch am gleichen Tag noch die Arbeit aufgenommen, und man konnte davon ausgehen, dass die Dinge ihren Lauf nehmen würden.

Will meinen: im Sande verlaufen. Jedenfalls anzunehmen, dass sich hier, und sei’s auch in ferner Zukunft, ein Fahndungserfolg der Cops einstellen könnte, so naiv waren nicht mal die beiden. Aber wenigstens hatten sie in dem Gefühl dort abreisen wollen – geh ich jedenfalls von aus –, in dem Gefühl abreisen wollen, nichts Menschenmögliches unversucht gelassen zu haben.

Noch in der Nacht wummerten Kyd und Helen das gesamte Shakespeare-Team aus dem Bett und setzten die Freunde und Kollegen in Kenntnis. Worauf die beiden sich erst mal ein paar Tage zurückzogen, bevor sie dienstags drauf im Theater der »Lord Chamberlain’s Men«-Truppe aufliefen. Knapp vor Beginn der Abendvorstellung. Sie ruderten durch die sich um die besten Plätze balgende Meute nach vorne durch, um hinter der Bühne den kleinen Holzverschlag aufzusuchen.

Ich saß, wo ich immer saß, die Beine übereinandergeschlagen, und schminkte mich mit gewohnt flinker Hand. Der Rest unserer Meute hatte sich ebenfalls in die winzige Bretterbude gequetscht, nestelte an irgendwelchen derangierten Kragenspitzen herum, zupfte sich einen Flusen vom Kostüm, schüttelte die Schuppen aus dem Innern der Perücke. Aus dem inzwischen rappelvollen Theaterinnenhof drang das erwartungsschwangere Geplapper des Publikums in an- und abschwellenden Wogen herüber. Und man konnte bei einigermaßen drauf getrimmtem Gehör deutlich ausmachen, dass unsere für teures Geld engagierten Claqueure sich inzwischen unter die real existierenden Zuschauer verteilt und geräuschvoll Position bezogen hatten und ihren Geschäften nachgingen: störten, wo zu stören sich Gelegenheit bot, lachten, hüstelten, verbreiteten Unruhe, um die Stimmung anzuheizen.

Helen und Kyd hatten sich im Türrahmen des kleinen Schuppens aufgebaut, den die Truppe großspurig »Garderobe« nannte.

»Heh, Leute«, preschte Helen vor …

… und ich staunte ein weiteres Mal über ihre Abgebrühtheit oder was auch immer es sein mochte.

»Wir haben noch immer nicht angestoßen und aufgestoßen, Leute, auf unsern von uns gegangnen Mitbruder! Ein Prosit der Vergänglichkeit!« Worauf sie mit lautem Knall eine Flasche Schaumwein entkorkte.

Ja, weiß ich nicht, ist mir nicht weniger unbegreiflich als Ihnen, wo sie die her hatte bei ihrem bescheidenen Auskommen in unserem Theater. Aber Sie werden es mir nachsehen, dass diese Frage nicht die Vordringlichste war, die mir in dieser Situation durch den Kopf ging. – Kann sein, dass es diese eine Bouteille war, die uns der Duke of Somerset geschenkt hatte. Zu irgendeiner Premierenfeier, paar Jahre vorher. Ich weiß es nicht. Jedenfalls ein Vermögen wert!

Helen setzte vorsichtshalber selbst schon mal als Erste die Flasche an den Hals. Worauf Kyd ein »Nicht zu fassen, Helen!« entfuhr. »Er ist noch nicht mal unter der Erde.«

Augenscheinlich vom Gedanken beseelt, das traurige Thema womöglich doch noch wechseln zu können, bevor es zu spät war, legte Shakespeare Kyd eine geschäftliche Frage vor. »Ach, Thomas, wie sieht’s eigentlich aus? Ich hab lang nichts mehr aus deiner Versschmiede zum Unterzeichnen vorgelegt bekommen – frisch von der Esse eines Thomas Kyd!«

»Ich danke Eurer Hoheit untertänigst für die angelegentliche Erinnerung, indes Ihr werdet vielleicht verstehen, um des hohen Himmels willen, dass mir in diesen Tagen andre Dinge durch den Schädel turbeln, als dass ich meinen Hamlet fertigbringen oder mir gar neue Stücke rausschinden könnte. Solltet Ihr Plackscheißer oder Schreibautomaten ohne Gefühl, Sinn und Verstand suchen, so seid Ihr bei mir an der falschen Adresse.«

»Nun man nicht so empfindlich«, sagte Shakespeare mit dem freundlichsten aller Lächeln auf den Lippen, »immerhin liegst du meilenweit hinter deinem Soll zurück. Weiß nicht, wie lang wir das noch dulden können.«

The show must go on.

Kyd entschloss sich offenbar, keinen Volksaufstand zu veranstalten. Nicht weil ihn diese Abmahnung irgendwie beeindruckt hätte, …

… das glaub ich auch nicht, ganz gewiss nicht …

. sondern weil er definitiv derjenige innerhalb der Truppe war, dem das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes an die Nieren ging. »Ich flehe dich an«, sagte er in bemüht servilem Tonfall, »dein Name, der Name William Shakespeare ist der einzige, der das Gewicht hat, vor der Krone Gehör zu finden. Direkt, ohne Umweg durch die labyrinthischen Reihen der vorgeschalteten Hofschranzen.«

»Und was bitte sollte ich da bewirken?«

»Zum Donner, dass man seine Leiche sucht!« Kyd fuhr jetzt doch aus der Haut und schoss sämtliche Zurückhaltung in den Wind.

»Und was bitte willst du mit dieser Leiche? – An so warmen Tagen, was glaubst du, wie rasant da die Fäulnis voranschreitet; du würdest ihn nicht mal wiedererkennen!«

Kyd war außer sich! »Ist das zu viel verlangt, dass ein Christopher Marlowe begraben wird nach Art rechtschaffener Sterblicher! Dass er nicht einfach in Vergessenheit verfault wie die stinkenden Köpfe, die wir jedes Mal bewundern dürfen auf dem Weg zur Bankside, abgeschlagen irgendwelchen armseligen Leuten und aufgespießt über der Brücke.«

Shakespeare zog keine Augenbraue hoch. Nicht mal die, die er schon fertig mit Schminke nachgezogen hatte.

»Um sorgsame Nachforschungen anhalten, das sollst du!«, beschwor ihn Kyd, »bei Gott, das ist der letzte Dienst, Will, den du Marlowe erweisen kannst!«

»Immer nur soll ich für euch meinen Schädel hinhalten.«

Egal, ob mit, ob ohne Perücke, ob frisch gewaschen oder fetttriefend, Hauptsache: meinen Schädel. – Wenn ich mir selbst aus ein paar Jahrhunderten Abstand mal ins Wort fallen darf.

»Hat der Unglückliche ohnedies nichts mehr von«, murmelte Helen. »Mögen seine sterblichen Überreste den Schmeißfliegen zur Kinderstube gereichen.«

Genau darauf hatte ich insgeheim gesetzt, dass nämlich Helen Kyd in den Rücken fallen würde.

»Wenn wir ihm die letzte Ehre in seinem Sinne erweisen wollen, Leute, dann müssen wir ein dröhnendes Spektakel ausrichten, eine Orgie, bei der Dionysos die Augen übergelaufen wären.« Helen strahlte!

Schmissige Party mit hipper Mucke und Ecstasy ohne Ende! Ich geh mal davon aus, Sie wissen, wie ausgelassen Marlowe feiern konnte. Zu Lebzeiten, logisch.

»Mit Fasanenkeulen fett wie Konkubinenschenkel«, setzte Helen ihren bunten Reigen fort, »mit gertenschlanken Jünglingen und Weibsen üppig wie Paradiesäpfel, mit Strömen von Bier so hell wie Jungmädchensäfte – das wär in Marlowes Sinne gehandelt. Ein einziges Fest, ein Riesentheater!«

»Jau, Theater, das wär ’n Gedanke wert«, stieß Shakespeare genussvoll in das Horn, das Helen ihm anbot, »eine Neuinszenierung, sagen wir: seines Dr. Faustus’, meinethalben. Würde das Publikum in Scharen herbeiströmen und die Kassen herzerfrischend klingeln lassen, wenn wir vorher nur laut genug in alle Welt posaunen, dass Fausts Schöpfer im Himmel angekommen ist. Oder in der Hölle, einerlei.«

»Ja, wheresoever, schnurzpiep«, fuhr Kyd Shakespeare übers Maul.

Was Kyds Vorsatz anging, brav zu buckeln, um für Marlowe rauszuholen, was noch rauszuholen war, den schien er aufgegeben zu haben. Da waren nach seinem Dafürhalten, wie’s aussah, eh Hopfen und Malz verloren. Ja, zugegeben, vermutlich hatte er recht mit dieser Einschätzung.

»Ob die Münzen klingeln oder nicht«, mäkelte Kyd, »das ist die einzige Frage, die dich wirklich bewegt.«

Worauf Helen mal wieder ein Blankverslein zu trällern wusste:

»Der Wind, der die ganze Welt vorwärtsbläst.«

Nein, damit konnte, damit wollte Kyd sich nicht zufrieden geben. War ja klar. Wär Ihnen nicht anders gegangen. Und Christopher selbst hätte das schließlich auch nicht so stehen lassen. Außerdem ist Angriff immer noch die beste Verteidigung.

»Will, was ist los? Haperts mit der Liquidität?«, blies Kyd etwas plump zur Attacke, »brauchst Penunzen, wie? Und das, wo du doch Jahr für Jahr deine allemal 200 Pfund mit deiner Bühne, unserm Spiel und unsern Stücken einheimst!«

Hat nicht viel gefehlt, und er hätte mir – und zwar nicht zum ersten Mal – er hätte mir die große, die ganz große Abzocke vorgehalten, als wären meine schwarzen Konten aufgeflogen, als hätt ich mich wieder mit irgendwelchen Spekulationen verhoben. Infenion-Inferno, Großheuschreckenklatsche, Realwirtschafts-Crash! Jedes Mal feine Sümmchen, die ich bei jeder Gelegenheit, die sich bot, in die Schanz geschlagen hatte. Und am Ende hätte er mir am liebsten auch noch die fest verabredeten Bonuszahlungen verweigert! Hätte mich nicht gewundert, wenn er so weit ausgeholt hätte. Aber, na ja, Sie wissen, er mochte zwar ein wackerer Dichter sein, aber von Geld hatte er keinen Dunst. Wie eigentlich alle in meinem Umfeld damals. Da war ich der unangefochtene King. Und tat ja auch nach Kräften, was ich tun konnte. – Aber ich bitte Sie! Natürlich zum Wohle aller, versteht sich von selbst, nichts als dem Wohle aller verpflichtet. – Ja, und der Wahrheit. Aber das sagte ich ja schon.

»Momentchen.« Während Shakespeare noch anhob, eine entsprechende Erwiderung zu platzieren, schien Kyd begriffen zu haben, dass er das völlig falsche Thema aufgerufen hatte, dass Shakespeare sofort den coolen Geschäftsmann geben würde und er auf diesem Terrain ohne Frage den Kürzeren ziehen würde. »Momentchen, war ausgemachte Sache, dass wir uns, was Geschäfte angeht, nicht gegenseitig über die Schulter gucken, schon gar nicht in die Suppe spucken. Das gilt für Schauspieler und Schreiberlinge, Thomas.«

Kyd wollte soeben denn doch noch zu einem hilf- und hoffnungslosen Piekser ansetzen, als Helen ihm mit voller Wucht auf den Fuß trat. Kyd blieb die Luft weg, was Shakespeare weidlich auszunutzen wusste, indem er seine Einführungsvorlesung mit Verve fortsetzte. »Wenn unser Einsatz Früchte tragen soll, müssen wir alle, alle die Hausaufgaben erledigen: Ihr«, und dabei warf Shakespeare einen stechenden Blick in die Runde, »ihr müsst auf der Bühne euer Bestes geben, und die Musensöhne, Kyd, müssen ihre Feder schwingen lassen und ein ums andre Stück nachlegen. Nichts ist so gierig wie der Schlund des Publikums. Ohne immer wieder mit aufsehenerregenden Neuproduktionen die Bretter zu verzaubern, hat unser Globe Theatre weder auf kurze noch auf lange Dauer eine Chance.«

Nee, falscher Fehler. Das Globe gab’s erst ab 1599. Sommer ’93 waren wir noch auf der anderen Themseseite. In unserm Theaterchen. Aber wir hatten den Gedanken, mit dem Theater umzuziehen, so ganz allmählich schon mal in den Kopf genommen. Umzuziehn auf die Bankside, das war klar wie Kloßbrühe. Wo wir nicht den Repressionen der Stadtoberen ausgesetzt sein würden, die grundsätzlich meinten, das Theater als Brutstätte der Sünde, des Lasters, der Verschwendungssucht, als Katalysator für aufrührerische Elemente und unkontrollierbar austickende Menschenmengen verdammen zu müssen. Und überhaupt, auf der Bankside würde unsre Schaubühne sowieso bestens aufgehoben sein, denn … na ja gut, ich weiß nicht, ob Sie sich im London Ecke 16./17. Jahrhundert auskennen … sicher, unsterblich, die Herren sind unsterblich, sicher, allüberall und ewig und alle Zeiten, sicher sicher. Hatte ich unverzeihlicherweise grad nur mal für ’n Augenblick mal außer Acht gelassen … Also jedenfalls auf die Bankside wollten wir mit unserm Theater, logisch. Mitten ins Vergnügungsviertel, umringt von Bordellen und anderen Theatern, die allesamt keine ernsthafte Konkurrenz für uns darstellten, sondern vermutlich jede Menge Zuschauer für uns abwerfen würden. Und vor allem in direkter Nachbarschaft von der Bear-Baiting-Arena, wo’s immer hoch herging, wenn sich mal wieder ein todgeweihter Bär einer Meute zähnefletschender Hunde und geifernder Zuschauer gegenübersah. Zuschauer, die vorher oder nachher zwecks gehobener Erbauung und Läuterung der Seele noch eine unserer Theatervorstellungen mitnehmen würden. Spin-Off-Effekte erster Güte. Also die perfekte Standortwahl. Ja, Pardon, wenn an dieser Stelle mal wieder die Seele des Krämers mit mir durchgegangen ist. 1593 jedenfalls, als sich der erste Akt des Marlowe-Dramas abspielte, das können Sie Ihrer Informationslieferantin bei Gelegenheit mal verklickern, da taumelte das Globe noch als unfertige Idee unter fernen Sternen einher. Obwohl, wie gesagt, die ersten Gedanken anfingen, sich zu formen; natürlich war mir und auch den andern bewusst, dass in ein paar Jahren der Pachtvertrag von unserm guten alten Theaterchen auslaufen würde.

Die Luft fing an zu flimmern. Und Kyd ließ einen dieser Stimmungsaufheller aus Christophers Nähkästchen plaudern:

»Wer diesen Punkt erstiegen hat, der stürzt.

Und da ich doch nicht höher steigen kann,

Warum beklagen, dass es abwärts geht

Shakespeare fuhr aus der Haut, was Kyd – seinem frechen Grinsen zufolge – geneigt war, als Triumph zu feiern. Shakespeare konnte es sich trotzdem nicht verkneifen, Zeter und Mordio zu brüllen: »Hört euch den an! Will den aufstrebenden Ast, auf dem wir uns allesamt so fürstlich eingerichtet haben, hau schnau absägen! – Kyd, vielleicht denkst du für fünf Pence mal selber und bedienst dich nicht bloß bei Marlowes Versvorräten. Dies Secondhand-Gewäsch, das macht einen ja rasen! Blödsinniges Geseiche … «

Der Rest der Shakespeare’schen Philippika ging unter in dumpfbrausendem Gebell und Gebrüll, das von draußen hereindrang.

Aber auch drinnen war’s nicht grade mucksmäuschenstill. Ich war im Eifer des Gefechtes aufgesprungen – oder wollte aufspringen. Und riss dabei mit dem Hintern, trallali, meinen Schemel um, der die Gelegenheit nutzte, trallala, dem seit Monaten provisorisch aufgebockten Spiegeltisch das letzte seiner regulären Beine wegzuschlagen. Worauf die anderen Tischbeine, nicht faul, ebenfalls einknickten, plötzlich Knie bekamen, wo niemand, am wenigsten sie selbst, welche vermutet hätten. Ziemlich weiche Knie.

Mit großem Getöse schossen Schminktöpfe, Pudertiegel, Pinsel, Quasten und Bürsten, Korsettgräten und Glasperlen, Duftwässerchen, Schnapspinnchen und was der Bühnenzauberutensilien mehr waren, abwärts, schlossen sich auf der schwankend schiefen Ebene, die mal eine Tischplatte gewesen war, zu einer Lawine zusammen, die sich alles, was ihr querkam, einverleibte und mit in den Abgrund riss, bis endlich die ganze Bescherung auf den Boden knallte und die Bohlen erschüttern ließ.

Das haitianische Erdbeben von Chili.

Kyd lachte. Trotz der Trauer, die er seit Tagen mit sich herumtrug. Lachte prustend und füßestampfend. Der Abgang des Schminktischs: ein Déjà-vu vom Feinsten nach dem Kladderadatsch des Bull’schen Zimmermädchens, dessen er vor kurzem hatte beiwohnen dürfen!

Ich weiß auch nicht, irgendwie hatte sich das Blatt zu meinen Ungunsten gewendet. Wenn Sie verstehn, was ich mein. Ich starrte mit aufgerissenen Augen in den zersprungenen Spiegel.

»Manch einer«, versuchte Kyd den Bogen bis zum Bersten zu spannen, denn er hatte das Gefühl, ganz oben auf seinem persönlichen Triumphbogen zu stehn, »manch einer zerschlägt lieber den Spiegel, als dass er reinschaut.«

Nachdem sich die Erdbebenwellen gelegt und das Geschepper sich ausgetobt hatten, stellte Shakespeare sich breitbeinig in den Salat aus Theaterplunder und warf mit flirrenden Fingern die Rechte so lässig wie möglich über die Schulter. Während draußen, angeheizt durch die eigenen Agents Povocateurs der Truppe, das Publikum allmählich ungeduldig wurde. Unüberhörbar bekamen die ersten »Anfangen! Anfangen!«-Rufe einen drängenden Unterton.

Helen dagegen war die Ruhe selbst und brachte tatsächlich eine geradezu nachvollziehbare Argumentation zuwege: »Dass jedenfalls immer du es bist, Will, der den Löwenanteil einstreicht, das war keineswegs verabredet. Pro Aufführung garantiert drei, vier Pfund. Gib’s zu! Muss ’n altes Weib wie unsereiner lange für stricken.«

»Ich halt schließlich meine Rübe hin«, versuchte Shakespeare seine Rübe aus der Schlinge zu ziehen, »geb für eure Schauspielund Schreibkünste stets und ständig meinen guten Namen her, wie mittelmäßig auch immer die Machwerke sein mögen.«

Doch da hatte er die Rechnung ohne seinen Kollegen George Peele gemacht, der inzwischen auch aufgetaucht war, vermutlich um rauszukriegen, warum es auf der Bühne partout nicht losgehen wollte. »Vorsicht Vorsicht, alter Junge!«, murrte dieser, »für’t Mittelmäßige bis’ immer noch du zuständig, oller Griffelspitzer.«

»Mach nicht«, trug Shakespeare eine möglichst rüde Verbalattacke vor, »mach nicht, dass ich dir diesen schminketriefenden Wattepfropf ins Schandmaul stopfe!« Wobei die letzten zwei, drei Worte an Lautstärke deutlich eingebüßt hatten.

Ja, natürlich, Sie haben vollkommen recht. Ich musste mich bremsen, verdammt noch mal. Es war dringend angezeigt, versöhnlichere Töne anzuschlagen. Schließlich galt es, und das war schon minutenlang überfällig, Theater zu spielen. Und zwar gemeinsam. Im Kollektiv! Die Situation musste auf Biegen und Brechen entschärft werden. Durch wen, wenn nicht durch mich!

»Wir sind verflucht noch mal ein Team!«, beschwor Shakespeare die versammelte Truppe. »Wie oft muss ich euch daran noch erinnern?«

Draußen kochte das Publikum inzwischen und war auf dem besten Weg, in einen tobenden Mob zu mutieren. »Loslegen!«, schrie es aus allen Richtungen, »loslegen!« Die Agents Provocateurs brauchten jetzt kein Öl mehr ins Feuer zu gießen. Die Stimmung war eh bis zum Gehtnichtmehr aufgepeitscht, die Ungeduld musste jeden Augenblick überkochen.

So schlecht konnten wir gar nicht spielen, dass wir diese brodelnde Erwartungshaltung hätten enttäuschen können. Der wogenden Rotte da draußen konnte man jetzt alles, alles in den Schlund schütten. Würde uns jede noch so miese Provinzposse aus der Hand fressen.

»Ich sag euch, das Beste ist: Wir schweigen!«, stieß Shakespeare ins Horn.

Business as usual.

»Marlowes Tod totschweigen?!«, maulte Kyd. Um noch was gesagt zu haben.

Messerwetzen im Team Shakespeare

Подняться наверх