Читать книгу Lolitas späte Rache - Ulrich Land - Страница 14
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Montreux, Dachsuite des Palace-Hotels.
Anfang Februar 1991.
»Wolln wir ’n kleenet Spazierjängelchen wagen, Véra?«, fragte Belinda mit ungespielter Freundlichkeit.
»Ich wüsste nicht, dass wir beim Du sind.«
»Jut jut, dann eben: Kleenet Spazierjängelchen jefällig, Nabokovsche?«
»Wie käme ich dazu!«, kam es packeiskalt zurück.
»Na ja nu, ick weeß doch, is doch ’n Trauerspiel, wem’ma nich mehr loofen kann. Un Se sind doch Ihr Leben lang jeloofen. Als echtet Jranatenweib. Un hier dette, der See im Winta – schon sind Se in Jedanken wieda zu Haus. Sind zurück in’t jeliebte Petersburg. Wa? Oder Wyra. Wyra erst! De Datsche, Sommer mit den Jören, Vatta un Sohnemann hinter de Flatterbiesters hinterher. Un die Tochta un Sie uff de Terrasse un am Häkeln, Stricken, Französisch Parlieren. Idylle pur.«
»Ich habe Sie nicht gebeten, mir mein Leben zu referieren«, murrte Véra Jewsejewna Nabokov und streckte ihre Nase so hoch in die Luft, wie es der Ohrensessel zuließ, »noch weniger hab ich Sie gebeten, mir mit Ihrer albernen Küchenpsychologie in die Nieren zu treten.«
»Heh holla, war nich so jemeent. Wa? Nu ma nich so empfindlich, Frau Senator, nach allem, wat Se durchjemacht ham, hätt ick Sie doch bissken mehr Stehvermöjen zuje…«
»Es ist unglaublich, was Sie sich erlauben!«
»So, jute Frau, ick hab mir bei’t Personal ’n Rollstuhl orjanisiert.« Véras Protestversuche wischte Belinda mit einer einzigen Handbewegung vom Tisch, schob den scheppernden Rollstuhl aus der Türnische hervor, klappte ihn auseinander und schob ihn direkt neben Véras Sessel zur Seesicht. Blickte sie auffordernd an.
»Sie können sich die Chaise selbst unter den Allerwertesten schnallen und in den Schlund der Hölle eiern. Es ist mir herzlich egal. Aber verschonen Sie mich mit Ihrem missionarischen Eifer«, meckerte es aus dem Sessel. »Machen Sie, dass Sie verschwinden!«
»Nu ma langsam, Juteste. Wir ham immerhin jeschäftlich noch so Een’jet zu klärn. Wa?«
Unfassbar, diese freche Person, die das Oberwasser für sich gepachtet hatte. Die meinte, sie in der Hand zu haben. Und auch hatte. Mehr, verdammt mehr, als einem lieb sein konnte. Véra hatte sich also nicht getäuscht: diese ganze Freundlichkeit, der angebotene Spaziergang, das Einfühlen in ihre Erinnerungsvorräte, alles Strategie, alles Geschäftsgebaren, eine einzige Ausgeburt des Neids. Neid auf die Frau eines Dichters, eines weltberühmten Dichters.