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Berlin, Juni 2018

Es war Tag, den er wenig später zu seinem persönlichen Gedenktag erklärte. Ein Tag, der mehr in seinem Leben veränderte, als jeder Tag zuvor.

Um kurz nach halb zehn verließ Kriminalkommissar Alan Forsberg seine Arbeitsstelle, das Landeskriminalamt Berlin. Das tat er unzählige Mal im Jahr, doch diesmal war der Anlass ein anderer als sonst. In seiner Umhängetasche hatte er das offizielle Schreiben mit seiner Zwangsbeurlaubung, welches ihm sein Chef soeben zusammen mit ein paar salbungsvollen und belehrenden Worten überreicht hatte. Mit einem zu einem Schwimmreifen angeschwollenen hatte er sich auf sein zwölf Jahre altes grünes Bianchi-Rennrad geschwungen sich auf dem Weg zu seiner Wohnung in Halensee gemacht. Das war eine schöne Überraschung am Morgen. Er konnte nach Hause fahren und brauchte die nächsten Tage nicht zum Dienst erscheinen. Durfte nicht, so war es richtig. Bartmann verzichtete einfach für eine Zeitlang auf seine Dienste bei voller Bezahlung.

Gerade einmal fünfzehn Minuten schlug es erneut bei ihm ein. Mit leicht erhöhter Geschwindigkeit fuhr Alan die Kantstraße in westlicher Richtung entlang und hatte fast die Wilmersdorfer Straße erreicht, als sich unerwartet und direkt vor ihm die Fahrertür eines in einer Parklücke stehenden schwarzen Nissan Micra öffnete. Der Albtraum eines jeden Radfahrers! Während er geistesgegenwärtig an seinen Bremsgriffen zerrte, registrierte er noch die in Jeans gehüllten Beine einer Frau, dann hatte er auch schon mit einem Knirschen die Autotür gestreift und stürzte, das schlingernde Rad nicht mehr unter Kontrolle, auf die Fahrbahn. Für einige Sekunden war alles ganz ruhig. Sein erster Gedanke galt seinem Kopf und stellte erleichtert fest, dass dieser nichts abbekommen zu haben schien. Leicht benommen erhob er sich und setzte sich neben sein Fahrrad. Der Schreck saß ihm in sämtlichen Gliedern. Nur zögerlich stellte sich seine Wahrnehmung wieder ein. Er überprüfte die Spannung aller Muskeln seines Körpers. Die linke Schulter schmerzte. Die Hose war am rechten Knie durchgescheuert, das Knie brannte wie ein schlechter Whisky auf der Zunge. Peanuts! Das Bianchi schien auf den ersten Blick ebenfalls unversehrt. Aus dem Augenwinkel registrierte er die neugierigen Gesichter in den langsam vorbeiziehenden Autos. Auch auf dem Bürgersteig hatte sich eine gaffende Menschentraube gebildet. Unangenehmer Auflauf, dachte er und vermied es, hinzuschauen. Am liebsten hätte er ihnen zugerufen: Verpisst euch, ich bin okay! Ihn interessierte viel mehr, welche dämliche Kuh ihn soeben mit ihrem rücksichtslosen Verhalten aus dem Sattel geworfen hatte.

»Mein Gott, ist Ihnen etwas passiert?«, hörte er eine Frauenstimme, die nicht aus der Menschentraube auf dem Bürgersteig kam. Das musste sie sein! Er drehte den Kopf und spürte einen heftigen Nackenschmerz. Mit verzerrten Gesichtszügen blinzelte er in zwei erschrockene Augen und ein hübsches, aschfahles Gesicht. Sie war neben ihm in die Hocke gegangen und hatte eine Hand auf seinen linken Arm gelegt.

»Das tut mir schrecklich leid«, sagte sie mit belegter Stimme, »ich habe Sie überhaupt nicht gesehen. Kommen Sie, ich bringe Sie ins Krankenhaus.«

»Nein, es geht schon«, brummte er. Das Gefühl der plötzlichen Besserung führte er allein auf ihre Erscheinung zurück.

»Aber es ist besser für Sie. Ich würde mir schreckliche Vorwürfe machen, wenn Sie innere Verletzungen haben.«

»Nein, wirklich nicht, das würde ich spüren. Außerdem kann ich mich immer noch untersuchen lassen.«

»Die Hose bezahle ich natürlich. Was ist mit Ihrem Knie?«

»Geht schon.«

Er schätzte sie auf vierzig Jahre. Sie hatte die Sonnenbrille in ihre blonden, am Hinterkopf zusammen geknoteten Haare gesteckt. Auch sie schien auf dem Weg der Besserung. Ihre tiefblauen Augen glänzten, ihre makellose Gesichtshaut begann wieder Farbe anzunehmen.

»Was ist mit Ihrem Fahrrad? Ich bezahle den Schaden natürlich.« Die Frau erhob sich und warf einen abschätzenden Blick auf das Bianchi.

»Sieht so aus, als wenn alles in Ordnung wäre.«

Unbeholfen sah sie sich um. Mit vorsichtigem Blick streifte sie ihre Autotür. Alan konnte sie jetzt erstmals in Augenschein nehmen. Die schwarze, taillierte Bluse und die hellblauen Jeans waren eine gute Komposition.

»Sagen Sie doch bitte, wie ich das wieder gut machen kann.«

»Was gibt es da gutzumachen? Bei mir scheint alles in Ordnung zu sein.«

»Kann ich Sie wenigstens zu einem Kaffee einladen? Hier irgendwo in der Nähe. Oder haben Sie es eilig? Ich würde Sie auch gerne irgendwo hinbringen, aber Sie haben ja Ihr Fahrrad dabei.«

»Sie könnten mit mir Essen gehen«, hörte er sich sagen und erschrak sogleich über seine spontane Antwort. So kannte er sich gar nicht. Der Sprung war irgendwie zu weit. Hatte sein Kopf doch etwas mitbekommen? Sie schaute ihn lächelnd an und schien über diese Anmaßung nachzudenken. Er erwartete eine klare Ansage.

»Gerne, Haben Sie einen Vorschlag? Ein nettes Restaurant?«

Er musste schlucken.

»Augenblick«, fügte sie ohne eine Antwort abzuwarten hinzu und beugte sich in ihr Auto, während er die Zeit nutzte, um sein Rad auf auf dem Bürgersteig abzustellen. Mit einer braunen Handtasche kam sie wieder zum Vorschein. Sie zog ein Smartphone heraus und begann im Kalender zu blättern.

»Nächsten Freitag?« Sie sah ihn fragend an.

»Gerne«, sagte er freudig erregt. Freitag ist gut. Am Wochenende ist es meistens gut. Seit heute wäre jeder Abend gut.

»Dann machen wir es doch. Wir brauchen nur noch ein Restaurant.«

»Ich kenne einen Italiener hier in der Nähe. Nichts Spektakuläres. Eben ein Italiener.«

»Warum nicht.«

Das Ristorante Romantica war eine unglückliche Wahl. Wie kann man ein Restaurant empfehlen, an dem man nur vorbeigeradelt war, fragte er sich, als er an einem Tisch direkt neben dem Durchgang zu den Toiletten saß und irritierte auf die gelb gewischten Wände mit Aquarellen der Insel Ischia und der Amalfiküste warf. Ein Ambiente, wie er sich es vorstellte war das nicht. Ein Interieur aus Tropenholz mit gebürstetem Stahl zum Beispiel, raffiniert ins Licht gerückte Pflanzenarrangements und an den schneeweißen Wänden Drucke von Dennis Hopper oder Jack Vettriano, dessen Favourite Girl er erst vor einer Woche in seinem Büro aufgehängt hatte und morgen mit dem Auto wieder abholen wollte. Stattdessn Holzdekor so weit das Auge reichte, kunstlederne Speisekarten in Sichthüllen und Eros Ramazzotti satt. Er atmete tief aus. Ein Tempel subtiler italienischer Folklore, in den er sie bestellt hatte. Sie könnte das als schlechten Geschmack interpretiert.

Als sie am Eingang erschien und sich etwas unsicher umsah, erhob er sich von seinem Platz und ertappte sich wieder einmal dabei, wie er auf seine Armbanduhr schaute. Er konnte sich diese Eigenart einfach nicht abgewöhnen und hoffte immer, dass man es nicht bemerken würde. Nachdem sie ihn erblickt hatte, stolzierte sie zielstrebig, ein sicheres Lächeln im Gesicht und von den beiden Kellnern mit bewundernd verfolgt, auf ihn zu.

»Hallo«, sagte sie mit weicher Stimme und streckte ihre feingliedrige rechte Hand aus, auf deren rot lackierter Mittelfinger ein großer, bernsteinfarbener Ring steckte.

»Warten Sie schon lange?« Sie hat es also registriert.

»Nein, höchsten fünf Minuten. Freut mich aber, dass es geklappt hat. Setzen Sie sich doch«, sagte er. Sie quittierte seine ausladende Handbewegung mit einem Lächeln. Anerkennend verfolgte er ihre geschmeidigen Bewegungen, während sie sich auf dem rustikalen Holzstuhl setzte. Ihre bemerkenswerte Figur durch Sie hatte ein eng anliegendes, dunkelblaues Baumwollkleid betont. Blickfang ihrer grazilen Halspartie war eine Kette aus schwarzen, matten Kugeln, die der Linie eines dezenten Ausschnitts folgte. Sie trug die halblangen blonden Haare diesmal offen und hatte sie auf der einen Seite hinter das Ohr gelegt, das von einem kleinen blauen Stecker betont wurde.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie mit einem mitfühlenden Blick, nachdem sie sich gesetzt hatte. »Ich hoffe, es haben sich keine weiteren Komplikationen eingestellt.«

»Nein, ich merke schon nichts mehr.«

»Wirklich? Wissen Sie, ich habe mir große Sorgen gemacht. Außerdem saß mir der Schreck noch eine ganze Zeit in den Gliedern.«

»Ist ja alles gut gegangen. Wir sollten das jetzt nicht weiter thematisieren.«

Sie ließ einen abschätzigen Blick durch das mäßig gefüllte Restaurant wandern.

»Sind Sie oft hier?« Er hatte die Frage erwartet.

»Nein, ehrlich gesagt war ich noch nie hier. Ich bin ein paar Mal vorbeigefahren. Ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt.«

Sie nickte nachdenklich. Inständig hoffte er, dass wenigsten das Essen den schlechten Eindruck anheben möge.

Sie erkundigte sich beim Kellner nach den Weißweinen und bestellte ein Glas Chardonnay und ein Mineralwasser, er ein Hefeweizen.

»Sie wohnen hier in der Nähe?«, fragte sie, während sie die Speisekarte aufschlug.

»Ja, in der Ringbahnstraße in Halensee. Und Sie?«

»In Steglitz. Nicht weit von der Schlossstraße entfernt.«

»Da haben Sie ja alles was man braucht gleich um die Ecke.«

»Sie werden lachen, aber in der Schlossstraße bin ich eher selten.«

Sie sah noch beeindruckender aus als bei ihrer ersten Begegnung. Ein leichter, grauer Lidschatten unter fein gezupften Augenbrauen, ein wenig Rouge an den hohen Wangenknochen, dafür ein kräftiges Rot auf den schmalen, moderat geschwungenen Lippen.

»Ich kann mich gar nicht entscheiden«, sagte sie, während sie intensiv die Karte studierte.

»Das geht mir auch immer so. Je mehr Gerichte, desto länger dauert es bei mir. Am schnellsten geht es am Imbissstand.« Sie quittierte seinen Witz mit einem Lächeln. Alan warf ihr einen verstohlenen Blick zu und blieb für einen Bruchteil zu lange an ihrem Dekolleté hängen, der den Ansatz ihrer Brüste andeutete. Trug sie außer blau noch weitere Farben, vielleicht blaue Unterwäsche?

»Haben Sie schon etwas gefunden? Sie wirken so nachdenklich.« Ihre Frage ließ ihn zusammenzucken. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, der in diesem Moment die Farbgebung eines Halloween-Kürbisses angenommen zu haben schien. Dem fahlen Licht über dem Tisch konnte er auch etwas Gutes abgewinnen.

»Ich werde die Lammkoteletts nehmen«, sagte er entschlossen.

»Und ich die Seezunge.« Sie schloss die Speisekarte, hob den Kopf und bewegte ihre Mundmuskulatur, als lutsche sie auf einem Bonbon.

»Ist es eigentlich wichtig, dass wir uns weiterhin siezen?«, fragte sie. »Ich mag es eigentlich nicht so förmlich. Ist mir zu steif.« Sie lächelte spitzbübisch.

»Klar, irgendwann wäre ich wahrscheinlich auch darauf gekommen und warum nicht gleich. Ich heiße Alan.«

»Ich bin Hannah.«

Nachdem sie bestellt hatten, schaute sie ihn zwei Sekunden nachdenklich an, dann blitzte ein Lächeln um ihre Mundwinkel herum auf.

»Du hast einen außergewöhnlichen Namen. Klingt angelsächsisch.«

»Mein Vater ist Schwede und meine Mutter kommt aus Schleswig-Holstein. Wahrscheinlich ist ihr der Name während eines Englischkurses an der Volkshochschule eingefallen.« Er lachte über seinen Scherz. Hannah schmunzelte, während sie auf ihr Glas blickte und mit dem Zeigefinger über den Rand fuhr.

»Erzähl mir etwas von dir. Ich bin so wahnsinnig neugierig. Was machst du beruflich?«

Alan hustete flach. »Ich bin Bulle.« Er glaubte in diesem Moment ein Zucken in ihrem Mundwinkel erkannt zu haben.

»Das hört sich ja spannend an.«

»Ja, hört sich so an. Ist es aber nicht immer. Ich arbeite beim Landeskriminalamt.«

»Ah, Kriminalkommissar.«

»Ja. Seit dem Tag unserer ersten Begegnung allerdings außer Dienst. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause.« Hannah sah ihn verblüfft an.

»Und dann das noch. War bestimmt ein ganz schlechter Tag für dich, oder?«

»Fing schlecht an, wurde dann aber immer besser.«

»Erzähl mir etwas über deinen Job. Ist bestimmt nicht so wie im Fernsehen.«

Alan schüttelte den Kopf. Er begann über seinen beruflichen Alltag zu plaudern, über die wenigen interessanten und die vielen langweiligen Dingen, die Probleme mit seinem Chef und auch über die Umstände seiner Zwangsbeurlaubung.

»Wie bitte, man hat dich wegen einer Unbeherrschtheit gegenüber einem Untersuchungshäftling beurlaubt, der ein Kind umgebracht hat? Das ist ja unglaublich.«

Alan spürte den inneren Drang nach einer Zigarette, begnügte sich dann aber mit einen Schluck Hefeweizen.

»Eigentlich waren die Medien schuld«, fuhr er fort. »Die einschlägige Presse hat das Thema natürlich sofort begierig aufgegriffen. Wenn so etwas passiert, hast du verloren. Journalisten sind eine ganz besondere Spezies.«

»Dem kann ich grundsätzlich nicht widersprechen«, sagte Hannah mit einem entschuldigenden Lächeln. »Ich gehöre schließlich dazu.«

Alan räusperte sich peinlich berührt. »Du bist Journalistin? Auf einer meiner wenigen Pressekonferenzen habe ich dich noch nicht gesehen. Du wärst mir aufgefallen.«

Er glaubte, einigermaßen gut die Kurve genommen zu haben. Sie ging auf das Kompliment nicht ein.

»Ich bin noch nicht so lange in Berlin und außerdem hatte ich mit Pressekonferenzen noch nie etwas zu tun. Aber wir waren ja bei dir. Wie bist du denn überhaupt bei der Polizei gelandet?«

»Vielleicht sollte ich erst einmal sagen, dass ich mir beruflich alles hätte vorstellen können, außer zur Polizei zu gehen.«

»Und warum hast du es gemacht?«

Alan erzählte ihr in groben Zügen seinen Werdegang. Von seiner Heimatstadt Lübeck, von seiner Jugendzeit, in der er fast jedes Sommerwochenende und die meisten Ferien mit Freunden an der Ostsee verbrachte.

»In Scharbeutz habe ich ein Mädchen aus Hamburg kennengelernt, die gerade eine Ausbildung an der Hamburger Polizeischule machte und später Kriminalkommissarin werden wollte. Damals gab es noch nicht so viele Frauen im Polizeidienst wie heute. Ich war von ihren Erzählungen ebenso schwer beeindruckt wie von ihrem Selbstbewusstsein. Der Grundstein war also gelegt. Obwohl es nur eine kurze Liaison mit ihr war, wohnte ich ein Jahr später in Hamburg und war ebenfalls an der Polizeischule.«

»Du hast in Hamburg gewohnt?« Hannah zog die Augenbrauen hoch.

»Ja, in Barmbek. Du scheinst Hamburg auch gut zu kennen?«

»Ja.« Hannah überlegte kurz, ob sie ihre knappe Antwort noch weiter vertiefen sollte, wechselte dann aber das Thema. »Und wann bist du nach Berlin gekommen?«

»Vor acht Jahren erst habe ich den Sprung geschafft, dabei war Berlin schon immer Ziel gewesen. 1980 bin ich das erste Mal hier aufgekreuzt, von da an ließ mich Berlin nicht mehr los. Es war zu Beginn ja noch das alte West-Berlin. Quasimodo, Quartier Latin, Kant-Kino und all die anderen Kultstätten. Mehrmals im Jahr kam ich mit meinem alten Golf hierher und hatte immer Angst, auf der Transitautobahn liegenzubleiben oder die Geschwindigkeit zu überschreiten. Und dann die nervenaufreibenden Grenzkontrollen. Hast du das nicht auch so empfunden oder bist du nie mit dem Auto durch die DDR gefahren?«

»Zu der Zeit, von der du sprichst, war ich noch nicht so alt, um alleine unterwegs zu sein.«

Das hätte er nur nachrechnen brauchen. Er ärgerte sich über den Fauxpas.

»Ich wohnte damals übrigens in Berlin«, fuhr sie fort. »In Ostberlin, um genau zu sein.«

Alan zog den Kopf zurück und warf ihr einen mitleidenden Blick zu, der sie veranlasste, noch etwas hinzuzufügen. »Wir haben übrigens nicht nur die Bananen gegessen, die man uns über die Mauer warf und wir hatten auch schon den aufrechten Gang eingeführt.«

»Die DDR hatte ein paar Vorteile«, bemerkte er eilig, »die Mieten waren günstig, jeder hatte Arbeit, …«

»… und die Ampelmännchen hatten einen Hut. Bemühe dich nicht. Die Bilanz dieses Staates war verheerend. Wir sollten das jetzt nicht vertiefen. Es war jedenfalls keine gute Zeit für mich.«

Nach einem kurzen Schweigen fragte Hannah: »Bist du eigentlich verheiratet?«

Alan räusperte sich. Das war eine schwierige Frage und dazu kam sie unvorbereitet. Wahrscheinlich wollte sie nur das Thema wechseln.

»Eigentlich ja.«

»Wie bitte? Wenn dir die Frage unangenehm ist, brauchen wir darüber nicht zu reden.«

»Nein, nein, was ich damit sagen will ist, dass ich zwar verheiratet bin, allerdings nur noch auf dem Papier. Meine Frau ist vor ein paar Monaten ausgezogen.«

»Das tut mir leid. Ich hätte wirklich nicht davon anfangen sollen.«

»Aber warum denn? So ist es nun einmal«, hörte er sich mit einer Tönung Trotz in der Stimme sagen.

»Hast du Kinder?«

»Nein, meine Frau wollte nicht. Für sie gab es nur Kinder oder Karriere. Beides war nach ihren Vorstellungen nicht miteinander zu vereinbaren. Und du?«

»Zwei. Ein Junge und ein Mädchen. Fehlt nur noch der Hund zur typischen deutschen Familie.« Hannah lachte und nippte am Mineralwasser. »Wir teilen übrigens dasselbe Schicksal, Alan«, fuhr sie fort, »mit dem Unterschied, dass ich schon geschieden bin.«

»Das tut mir leid«, rutschte es ihm heraus und er beeilte sich eine Frage hinzuzufügen. »Wie alt sind denn deine Kinder?«

»Mein Sohn ist 14 und meine Tochter 11.«

»Es fordert Alleinerziehende ganz schön, zwei Kinder in dem Alter und den Beruf miteinander zu verbinden, oder? Ich kenne das von einer Bekannten. Sie arbeitet in einer Bank. Bei dir als Journalistin stelle ich mir das noch schwerer vor.«

Hannah aß von der Seezunge und trank anschließend von ihrem Weißwein.

»Meine Kinder leben nicht bei mir, sondern bei ihrem Vater. In Hamburg.«

Alan nickte nachdenklich.

»Es musste so sein«, beeilte sie sich zu erklären, »aber ich möchte im Augenblick nicht darüber reden. Ich habe trotzdem eine gute Beziehung zu ihnen und übrigens auch zu meinem Ex-Mann. Glücklicherweise arbeite ich freiberuflich und kann es mir leisten, Lukas und Jenna oft zu besuchen oder für ein Wochenende bei mir zu haben.«

Alan registrierte Hannahs veränderten Gesichtsausdruck. Ihre Züge wirkten in diesem Augenblick zu ersten Mal nachdenklich. Ein wunder Punkt? Als wenn sie es selbst bemerkt hätte, zeigte sich plötzlich ein irritiertes Lächeln auf ihrem Gesicht.

»Ich war achtzehn, als die Mauer fiel«, fuhr Hannah mit ernstem Gesichtsausdruck fort, »und all das, was ich mir immer gewünscht hatte, Städte wie London oder Paris zu besuchen, mit einem Mal möglich wurde. Ich hatte keine verwandtschaftlichen Verbindungen mehr nach Berlin, meine Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen und ich beschloss noch in der Nacht der Feierlichkeiten, ein neues Leben zu beginnen.«

Hannah erzählte von ihrer Zeit in Hamburg, ihrem Studium und ihrer Beziehung, die bald nach ihrem journalistischen Einsatz für ein französisches Magazin im Irakkrieg auseinandergebrochen war. Sie trank den letzten Schluck Wein.

»Ich glaube es wird Zeit für mich, Alan. Es war ein anstrengender Tag und morgen muss ich früh raus.« Mit einem entschuldigenden Augenaufschlag sah sie ihn an. »Ich weiß, ich hinterlasse jetzt noch ein paar Fragen, aber ich würde dich gerne wiedersehen und dir alles beantworten.«

Alan schluckte. Er fühlte, dass er dieser Frau, die er gerade einmal vier Tage kannte, in diesem Moment schon sehr nahe war. So nahe, wie er es nie zu träumen gewagt hatte.

Sie winkte dem Kellner.

»Zahlen Sie getrennt.«

»Ich zahle«, antwortete sie bestimmt und ihr Ton ließ jeglichen Protest seinerseits ersticken.

An Tagen Des Ewigen Nebels

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