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4. Über Titel und Aufbau des Buches

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Dieses Buch geht aus von der Vorstellung des Menschen als eines Wesens, das durch vielfältige, oft unerkannte Einflüsse geworden ist, wie es ist. Seine Gegenwart, sein Denken, sein Werten und Handeln werden immer auch von unerkannten Faktoren mitbestimmt. Trotz aller Fremdeinflüsse kann dieses Wesen in Form seiner personeigenen Freiheit eine besondere Art von Selbst-Übereinstimmung erreichen. Diese Art der Übereinstimmung mit sich und der dringende, manchmal heftig gespürte Wunsch, sie zu bewahren, zu verteidigen, im negativen Fall wieder herzustellen, findet sich, soweit wir wissen, nur bei menschlichen Personen. Schon bei Heranwachsenden, erst recht dann im Erwachsenenalter sind Ausdehnung und Stabilität der personeigenen Freiheit zwar nicht vollständig, aber doch in hohem Maß von der Person selbst abhängig. Ihre Anstrengungen zur Orientierung ihres Willens an der eigenen Vorstellung, wie sie als handelnder Mensch sein möchte, liefern einen entscheidenden Beitrag dazu, dieser Mensch zu werden und in kritischen Lebenslagen zu bleiben. Daraus ergibt sich der Titel dieses Buches: Wie frei wir sind, ist unsere Sache.

Der Untertitel Personeigene Freiheit in der Welt der Naturgesetze weist von vornherein darauf hin, dass wir nicht nur als Personen überhaupt, sondern auch in Angelegenheiten unserer Selbst-Übereinstimmung immer von vorgängigen und gleichzeitigen Bedingungen abhängen. Diese Bedingungen können genetisch, sozial, physisch, psychisch und noch von anderer Art sein. Wir sind nicht imstande, ihre Gesamtheit vollständig zu überschauen. Der Freiraum, den wir uns erwerben können, ist keine Sphäre absoluter Ungebundenheit oder Selbstmacht, sondern bleibt eingefügt in ein Ganzes von Umständen, die bestehen, und Gesetzmäßigkeiten, die für uns als Lebewesen gelten.

Wenn vor diesem Hintergrund von einer »Welt der Naturgesetze« die Rede ist, so versteht sich das in einem weiten Sinn. Es sind dabei nicht nur Gesetzmäßigkeiten (deterministisch wie statistisch) gemeint, die in heutiger Naturwissenschaft eine Rolle spielen. Es sind auch solche mitgemeint, die sich gegenwärtig nur auf psychische Prozesse in Menschen als hoch entwickelten Naturwesen beziehen, aber vielleicht in einer künftigen Gestalt empirischer Welterfassung einer erweiterten Naturwissenschaft zugehören könnten. Natürlich geht es in diesem Buch nicht um allgemeine Aussagen über gegenwärtige oder künftige Welterfassung-Systeme. Vielmehr ist ein wichtiges Argumentationsziel, einer panischen Vorstellung vom zwangsläufig fremdbestimmten Menschen entgegenzuwirken: Selbst wenn wir ganz sicher wären, in einer perfekt determinierten Welt im Sinn des (heute kaum noch propagierten) universellen Determinismus zu leben, hätten wir doch prinzipiell die Möglichkeit, einen Raum personeigener Freiheit zu erwerben. Wir könnten auch eigene Anstrengungen unternehmen, um diesen Raum zu erweitern, zu verteidigen, ihn nach Beschädigungen wiederherzustellen. Zwar sind wir keine irreduziblen Ausnahmen vom gesetzmäßigen Weltlauf, wie wir ihn zu kennen glauben. Aber in dem Rahmen, den dieser Weltlauf bildet, haben wir als Personen eine Freiheitsperspektive, die uns erhalten bleibt, auch wenn wir annehmen müssen, dass wir als die Naturwesen, die wir trotz aller kulturellen Entwicklung bleiben, diesen Rahmen nicht verlassen können.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, die philosophisch etwa gleiches Gewicht, aber Unterschiede in der Thematik haben. Es gibt einen frühen, eher theoretischen Schwerpunkt im Ersten Teil: Etwas über Wollen, Wählen und freier Werden. Hier ist zunächst unser Verhältnis zu unserem Willen bzw. aktuellen Wollen zu klären und die Frage, wie weit unser Einfluss hier tatsächlich reicht. Es ist eine alte Beobachtung, dass wir zwar unser Wollen auf das gewollte Handeln richten können, aber dass wir nicht wollen können zu wollen. Wie Wille bzw. Wollen zu verstehen sind, wenn wir uns keinen direkt bestimmenden Zugriff darauf zusprechen können, soll im Ersten Teil so weit behandelt werden, wie es für das weitere Verfahren nötig ist. Dabei ist wichtig, sich deutlich zu machen, dass auch dann, wenn wir diesen direkten Zugriff nicht haben, keineswegs folgt, dass wir durchweg fremdgelenkte Wesen sind. Selbst wenn wir glauben, dass all unsere Entscheidungen und unser gesamtes Handeln aus vorausliegenden Bedingungen (z. B. unserem Gehirn) gesetzmäßig hervorgehen, folgt die häufig zu hörende These durchgängigen Fremdbestimmtseins nicht. Vielmehr müssen wir uns aufgrund klar darstellbarer, sehr folgenreicher Besonderheiten der Entscheidungssituation in eben dieser Situation (!) immer als die Urheber unseres jetzt und hier bevorstehenden Tuns verstehen. Auch wenn die fragliche Situation vorbei und unsere Handlung ausgeführt ist, müssen wir uns rückblickend als Urheber unseres Tuns in der vergangenen Lebenslage (!) anerkennen und die Lasten dieser Urheberschaft übernehmen.1

Obgleich es so ist, dass wir unseren Willen nicht umweglos und mit perfekter Sicherheit bestimmen können, bleibt uns doch eine Mehrzahl von Möglichkeiten, ihn indirekt zu beeinflussen. Eine Auswahl wichtiger Mittel dieser Art, die wir im Sinn vernünftiger Selbstgestaltung und im Sinn menschenmöglicher Lebensbefriedigung nutzen können, wird im Gang des Buches vorgestellt und diskutiert werden. Im möglichst weitreichenden Gebrauch derartiger Mittel liegt der Schlüssel zu möglichst weitreichender personeigener Freiheit. Der Erste Teil beginnt diesen Gang, indem er die vorhin genannte indirekte Willensorientierung als elementare Gemeinsamkeit verschiedener Formen solchen Mitteleinsatzes vorstellt.

Der Zweite Teil wird, ausgehend von einzelnen Theorieelementen aus Platon und Aristoteles, zwei bis heute dominante Traditionslinien des indirekten Einflusses auf eigene Willenseinstellungen behandeln. Ihr sachlicher Gehalt ist unabhängig davon, ob man im historischen Rückblick das schwierige Wort »Wille« als Interpretationsmittel für klassisch-griechisches Gedankengut benutzt oder sich anders ausdrückt. Insbesondere die rationalistische Traditionslinie, für die ich einen wichtigen Quellpunkt bei Platon sehe, scheint mir für die westliche Kultur prägend geworden zu sein. Zwischen die Erörterungen zu Platon und Aristoteles setze ich ein Kapitel, in welchem existenzphilosophische und neuere Analytische Theorien, die meines Erachtens auf eine unmittelbare Selbstwahl der menschlichen Person zielen, einer Kritik unterzogen werden. Entsprechend steht der Zweite Teil unter dem Titel: Wegweisendes Altes und gewagtes Neues.

Der Dritte Teil des Buches, Personeigene Feiheit und Selbstverhältnis, behandelt mehrere Weisen des Selbstumgangs, die für die genannte Freiheit wie auch für indirekte Willensorientierung bedeutsam sind. Durch sie wird eine sinnvolle Form dieser Freiheit teils in besonders tiefreichender Weise verwirklicht, durch ihren unangemessenen Einsatz oder das Unterbleiben dieses Einsatzes aber auch verfehlt. Es handelt sich, metaphorisch gesagt, um personeigene Werkzeuge, die nicht jeder jederzeit einsetzen muss, die aber, wenn eingesetzt, zu speziell ausgeprägten Formen der individuellen Willensorientierung führen.

Das Thema der Freiheit persönlicher Entscheidung hat für die abendländische Philosophie ein besonders großes Gewicht gewonnen, weil es sich früh mit dem Thema der Verantwortung des Menschen für eigene Handlungen verbunden hat. Dass personeigene Freiheit mit der Möglichkeit gesetzmäßigen Hervorgehens menschlichen Wählens und Tuns aus vorausliegenden Bedingungen vereinbar ist, wurde vorhin schon gesagt. Dass die Vereinbarkeit in diesem Fall nicht zu der klassisch-kompatibilistischen Auffassung des Verhältnisses von Freiheit, Verantwortung und Strafe führt, sondern zu einer grundsätzlich anderen Deutung von Verantwortlichkeit und Schuld, soll im Schlusskapitel erkennbar werden. Unter dem Titel Personeigene Freiheit und der Schuldgedanke werden elementare Züge einer anderen Auffasssung von Schuld und Schuldbewältigung vorgetragen.

Wie frei wir sind, ist unsere Sache

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