Читать книгу Kinder- und Jugendbuchverlage - Ulrich Störiko-Blume - Страница 10

1.1 Verlegen heißt: Büchern Chancen geben

Оглавление

Was heißt Verlegen, und mit welcher Zielsetzung werden Verlage, insbesondere Kinder- und Jugendbuchverlage (im Folgenden KJBV) betrieben? Die Wege und Methoden, die programmatischen und die unternehmerischen Ziele mögen sich noch so sehr unterscheiden – die Kernaufgabe lautet: Finde Autoren, lass sie Geschichten schreiben und bring diese als Bücher zu den Lesern! Über die Existenzberechtigung eines Verlages entscheidet in unserem System zum Glück keine Behörde oder Kommission, sondern der Markt. Der Markt ist kein ideologisches Konstrukt, erst recht kein gottähnliches Wesen, und man sollte ihn keinesfalls idealisieren – so als ob er immer nur Gutes hervorbrächte. Der Markt hat durchaus negative Seiten. Auf den #Bestsellerlisten ganz oben stehen jede Menge Bücher, über deren Qualität man erheblich unterschiedlicher Meinung sein kann. #Filialisten zwingen selbstständige Buchhandlungen zur Aufgabe oder zum Verkauf ihres Geschäfts. Große Verlage schlucken kleine. Bücher, die gewisse Drehzahlen nicht erreichen, werden gnadenlos remittiert und landen entweder auf dem Ramschtisch oder im Schredder. Viele Autoren können von den Honoraren aus dem Verkauf ihrer Bücher nicht leben.

Aber auf ebendiesem Markt werden auch Bücher von literarischen Autoren gekauft, versetzen sich lesende Kinder in das Leben von Gleichaltrigen auf der Flucht aus ihrem vom Krieg erschütterten Heimatland, werden Augen und Sinne geöffnet für die Schönheit und Verletzlichkeit unseres Planeten, wird gelacht und geweint. Verlage sind nicht zum Verhindern von Publikationen da – so wird das ja oft von abgelehnten Manuskripteinsendern dargestellt. Verlage wählen aus, in der Regel aus guten Gründen. Und die Buchhandlungen wiederum stellen aus deren Programmen ihr – ebenfalls ausgewähltes – Sortiment zusammen.

Ein Markt lässt sich verstehen als ein Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. »Der Markt liest nicht« hat der frühere Hanser-Verleger Michael Krüger einmal zutreffend formuliert. Hans-Joachim Gelberg, Gründer und langjähriger Leiter von Beltz & Gelberg, hat sinngemäß gesagt: Bücher werden nicht geschrieben, weil es einen Markt gibt, sondern weil Autoren etwas mitzuteilen haben.

Markt ist, wo das Angebot der Schreibwilligen auf die Nachfrage der Lesewilligen trifft. Jeder kann schreiben, was er will. Jeder kann drucken lassen, was er will. Jeder kann heute als Self-Publisher (siehe Kap. 2.4) ins Netz stellen, was er will. Zum Glück haben wir diese für ein demokratisches Gemeinwesen konstitutive Freiheit (sofern dabei die Gesetze respektiert werden). Aber nur, weil das Verbreiten von Büchern so einfach geworden ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man die Veröffentlichung jeder beliebigen Schrift durch jeden beliebigen Autor begrüßt.

Redaktionen, Verlage und Lektorate haben eine Filterfunktion; sie prüfen und wählen Autoren und Beiträge aus, […] und entscheiden nach kognitiv überprüfbaren Geltungsansprüchen über die Veröffentlichung. (Habermas 2020, 106)

Früher wie heute verlegen Verlage Bücher nicht einfach deshalb, weil ein Verfasser das so will oder gar dafür bezahlt. Niemand jenseits seines persönlichen Umfelds wird solche nur privat motivierten Schriften lesen wollen; das ändert sich auch nicht deshalb, weil sie im Internet im Prinzip jedermann leicht zugänglich zu machen sind. Eine Aufgabe von Verlagen ist es, den geprüften und lektorierten Büchern ihre Chance zu verschaffen – und die Leserschaft (und den Buchhandel) vor chancenlosen, schlecht geschriebenen, abseitigen und überflüssigen Büchern zu bewahren.

Es gibt keine universalen Rezepte, keine verbindlichen Regeln oder gar Vorschriften, wie ein Verlag zu führen ist. Der Stil eines Verlages lässt sich daran erkennen, wie er mit dem ewigen Widerspruch von Kunst und Kommerz umgeht. Es droht ein Übergewicht des kommerziellen Denkens, wenn Lektorate immer mehr zum Produktmanagement mutieren; wenn Verkaufszahlen das eigene Urteil ersetzen; wenn gefordert wird, #Kalkulationen statt Buchkonzepte zu optimieren. Und man wird auf Dauer nicht bestehen, wenn man durch zu aufwändige interne Prozesse seine Kosten nicht in den Griff bekommt oder aufgrund von Marktferne Bücher anbietet, die sich nicht in ausreichenden Stückzahlen verkaufen.

Wenn ein Verlag sich für eine Buchidee entschieden hat, übernimmt er die Kosten, diese in Form zu bringen und zu vervielfältigen. Dafür geht er ein – häufig erhebliches – Risiko ein. Oft genug geht es schief. Man riskiert nur aus wenigen Gründen etwas: aus Ahnungslosigkeit, aus Übermut, aus Leidenschaft oder aus Kalkül. Gute Verlage werden in einer Kombination von Leidenschaft und Kalkül betrieben.

Auch KJBV haben einen Doppelcharakter als Wirtschaftsunternehmen und als Kulturträger. Unter Verwendung dieser einfachen Bipolarität kann man die unterschiedlichen Verlage mal eher auf der kulturellen, mal eher auf der kommerziellen Seite angesiedelt sehen. Was es allerdings nicht gibt, sind einbeinige Extreme. Professionell verlegen heißt also genauer: ausgewählten Büchern Chancen verschaffen.

Kinder- und Jugendbuchverlage

Подняться наверх