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Das Kinder- und Jugendbuch: Ein Teil der Literatur?

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Paradoxerweise trifft man gerade in den Literatur- und Sprachwissenschaften gegenüber dem KJB häufig auf eine Haltung zwischen freundlicher Herablassung, Desinteresse, Zweifel an der Relevanz und Ignoranz. Die wenigen universitären Lehrstühle, Forschungsinstitute und Studiengänge, die sich auf akademischem Niveau mit dem KJB befassen, sind ein Ausdruck davon. Und auch die müssen in den Hochschul-Gremien oft mühsam für ihre Anerkennung und für Mittel argumentieren.

Viele kluge Autoren, die in der Belletristik zu Hause sind, schreiben aus Respekt vor den Anforderungen an ein Bilder-, Kinder- oder Jugendbuch dergleichen nicht. Es sind nur wenige, dafür aber dann meist ganz herausragende Autoren, die sowohl allgemeine Literatur als auch für junge Leser schreiben. Der unbestrittene Altmeister dieser Doppelbegabung ist Erich Kästner. Viel zu selten, könnte man sagen, aber immer wieder finden sich Schriftsteller, die sich auf beides verstehen: Peter Härtling, Uwe Timm, Hans Magnus Enzensberger, Annette Pehnt, Franz Hohler, Burkart Spinnen, Markus Orths, um nur einige deutschsprachige zu nennen.

Ähnlich ist es im Sachbuch-Bereich. Während es in vielen anderen Ländern überhaupt keine Frage ist, dass ein hochangesehener Fachwissenschaftler ein Sachbuch für junge Leser verfasst, z.B. Stephen Hawking, ist das bei uns eine – lobenswerte – Seltenheit, wie im Fall des Astrophysikers Harald Lesch, der sich mit der Kinderbuchautorin Gudrun Mebs zusammengetan hat, um Kindern Themen wie Evolution, Astronomie, Philosophie oder Mathematik zu erklären.

Wie kann man diese eigenartige Diskrepanz erklären? Hier ein Versuch: Im deutschsprachigen Feuilleton wurde lange Zeit eine Unterscheidung gepflegt, heutzutage oft heftig bestritten, teils bewusst ignoriert, aber latent immer noch vorhanden: die zwischen E und U, ernster und unterhaltender Literatur. Man kennt diesen Gegensatz auch in der Musik. In der angelsächsischen, skandinavischen, frankophonen, russischen und sicher auch vielen weiteren Kulturen ist eine derartige Unterscheidung nicht gebräuchlich. Es gehört zu den großen Verdiensten eines Verlegers wie Daniel Keel, solche Grenzen gesprengt zu haben, indem er den einst von ihm mitgegründeten Diogenes Verlag nach dem Voltaire’schen Motto geführt hat:

Jede Art zu erzählen ist erlaubt, nur nicht die langweilige. (Voltaire)

Eine ähnliche Grenzziehung verlief früher auch durch das KJB in Gestalt der Gegenübersetzung des ›guten Buchs‹ gegen ›Schmutz und Schund‹, womit vor allem Comic-Hefte, aber auch ›Kaufhaus-Bücher‹ aus dem Franz Schneider Verlag und Ähnliches gemeint waren. Paul Maar hat für die Gegenwart einen entsprechenden Kontrapunkt formuliert:

Früher sagte man: ›Das Buch ist gut‹.

Heute sagt man: ›Das Buch ist gut verkäuflich‹. (Maar 2014)

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