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Teil I Grundlagen und Grundbegriffe des Gesellschaftsrechts › § 3 Gesellschaftsvertrag und Privatautonomie

§ 3 Gesellschaftsvertrag und Privatautonomie

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Fall 3:

A, B und C wollen eine Gesellschaft gründen, die den An- und Weiterverkauf von Erdölprodukten betreibt. Sie wollen die persönliche Haftung so weit wie möglich beschränken, aber auch die Zahlung der Körperschaftssteuer vermeiden. Sie gründen deshalb durch Abschluss eines Vertrages eine sog. Handelsgesellschaft auf Einlagen als eine Personengesellschaft, bei der keiner der Gesellschafter unbeschränkt haften soll. Ist das zulässig? Rn. 46

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Fall 4:

Bei einer Kommanditgesellschaft, der sehr viele Kommanditisten angehören, wird es als zweckmäßig angesehen, dass die Kommanditisten einen Verwaltungs- oder Aufsichtsrat wählen, der ihre im Gesetz geregelten Kontrollrechte wahrnimmt. Ein solches Gremium sieht das Gesetz nicht vor. Da ein Verwaltungs- oder Aufsichtsrat in einem Gesellschaftsvertrag verankert werden soll, ist die Frage zu entscheiden, ob eine solche Regelung überhaupt zulässig ist. Rn. 47

Literatur:

C. Armbrüster, Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht, ZGR 2014, 333 ff.; Wiedemann, Die Auslegung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen, DNotZ Sonderheft 1977, S. 99 ff.; ders., Die Personengesellschaft – Vertrag oder Organisation? ZGR 1996, 286 ff.

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Jeder privatrechtliche Verband beruht auf einem Vertrag, in dem sich mehrere Personen verpflichtet haben, einen gemeinsamen Zweck zu erreichen. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist die Voraussetzung für das Entstehen einer Gesellschaft. Der Vertrag regelt zu einem wesentlichen Teil das Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Er wird Gesellschaftsvertrag genannt. Partner eines Gesellschaftsvertrages können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein.

Beispiel:

Drei deutsche Aktiengesellschaften schließen sich zu einer BGB-Gesellschaft zusammen, deren Zweck es ist, in einem Entwicklungsland eine Düngemittelfabrik zu errichten. Partner des Gesellschaftsvertrages und damit Gesellschafter der BGB-Gesellschaft sind die drei Aktiengesellschaften (juristische Personen).

Bei den juristischen Personen wird der Gesellschaftsvertrag Satzung genannt. Auch diese beruht auf einem rechtsgeschäftlichen Akt. Satzungen und Gesellschaftsverträge der Personengesellschaften haben Organisationscharakter[1]. Nach dem Inkrafttreten sind Satzungen nicht mehr ohne Weiteres wie Verträge zu behandeln, sondern vielmehr nach den Regeln, die für die Beurteilung objektiven Rechts anwendbar sind. Dieser Unterschied ist z. B. bei Problemen der Auslegung wichtig.

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Der Grundsatz der Privatautonomie gilt auch für das Gesellschaftsrecht. Jede Person ist grundsätzlich frei in der Entscheidung darüber, ob und mit wem sie ggf. einen Gesellschaftsvertrag abschließen will. Jeder, der mit anderen eine Gesellschaft gründen möchte, ist grundsätzlich auch frei in der Auswahl der Gesellschaftsform. Die Auswahl ist allerdings auf die in den Gesetzen geregelten Gesellschaftsformen beschränkt.

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Im Gesellschaftsrecht gibt es also nur eine beschränkte Anzahl zugelassener Gesellschaftsformen, unter denen diejenigen, die eine Gesellschaft gründen wollen, auswählen können (numerus clausus). Eine andere Frage ist, wie weit bei den vom Gesetzgeber zur Wahl gestellten Gesellschaftsformen Raum zur rechtsgeschäftlichen Ausgestaltung bleibt. Es geht also um das Problem, inwieweit durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages bei den einzelnen Gesellschaftsformen die diese Gesellschaftsformen betreffenden gesetzlichen Regelungen ersetzt, abgeändert oder ergänzt werden können.

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Bei der Frage, welchen Raum die Gesellschafter zur Ausgestaltung beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages überhaupt haben, ist zu unterscheiden zwischen den Personengesellschaften einerseits und Gesellschaften, die juristische Personen sind, andererseits. Wenn auch die Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht grundsätzlich, aber nicht durchgängig, weiter reicht als bei den Kapitalgesellschaften, so sind ihr doch allgemein Grenzen gesetzt durch den Institutionen- und Mitgliederschutz, sowie teilweise auch durch den Gläubigerschutz.[2] Bei der BGB-Gesellschaft, der OHG und der KG sind nur die gesetzlichen Vorschriften, die das Verhältnis der Gesellschaft mit den Gläubigern, Schuldnern und anderen Außenstehenden regeln (Außenverhältnis), im Wesentlichen zwingendes Recht. Das bedeutet: Diejenigen gesetzlichen Regelungen, die das Außenverhältnis betreffen, können grundsätzlich durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag nicht wirksam abgeändert werden. Der Grund für diese Regelung ist darin zu sehen, dass diejenigen, die mit der Gesellschaft in Kontakt kommen, sich auf sichere Haftungs- und Vertretungsregeln verlassen können müssen, damit sie das Risiko abschätzen können, das sie auf sich nehmen, wenn sie mit der Gesellschaft in Kontakt treten. Die Rechtssicherheit gebietet es, dass gesetzliche Vorschriften, die außenstehende Dritte berühren, nicht zur Disposition der Gesellschafter gestellt werden, weil sonst die Rechte Außenstehender erheblich gefährdet wären.

Beispiel:

A, B und C gründen eine Kommanditgesellschaft. Die Hauptgeldgeber A und B sollen Kommanditisten, C soll persönlich haftender Gesellschafter sein. Im Gesellschaftsvertrag wird vereinbart, dass der persönlich haftende Gesellschafter nur insoweit vertretungsbefugt sein soll, als er Rechtsgeschäfte abschließt, deren Gegenstandswert 500 € nicht übersteigt. Nach der gesetzlichen Regelung hat der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft unbeschränkte Vertretungsmacht. Der Umfang der Vertretungsmacht betrifft das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten (das Außenverhältnis). Die Vereinbarung über die Beschränkung der Vertretungsmacht ist deshalb unwirksam[3]. Eine Regelung über Umfang und Art der Vertretungsmacht entzieht sich der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter.

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Was die Gestaltung der inneren Struktur der Gesellschaft anbetrifft, d. h. des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander, so besteht in größerem Umfange Gestaltungsfreiheit, da nicht die Rechte außenstehender Dritter gefährdet sind. Es ist grundsätzlich möglich, die gesetzlichen Regelungen durch Vereinbarungen zu ergänzen oder von den gesetzlichen Regelungen abzuweichen.

Auch bei den Gesellschaften, die juristische Personen sind, besteht im Hinblick auf ihre Beziehungen zu Dritten (Außenverhältnis) keine Gestaltungsfreiheit. Im Vergleich zur BGB-Gesellschaft, zur OHG und zur KG ist auch die Gestaltungsfreiheit bei der inneren Struktur dieser Gesellschaften (Innenverhältnis) erheblich eingeschränkt.

Wenn die Gesellschafter bei der Schaffung des Gesellschaftsvertrages die objektiv-rechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit (Vertragsfreiheit) überschritten haben, kann eine Wirksamkeitskontrolle nach §§ 134, 138 BGB stattfinden, die zu Feststellung der Unwirksamkeit der entsprechenden Vertragsteile führen kann.[4]

Beispiel:

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Satzung einer Aktiengesellschaft sind zwingend, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich eine Ausnahme zulässt (§ 23 Abs. 5 AktG).

Bei der GmbH besteht jedoch insofern mehr Gestaltungsfreiheit, als der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander unter Beachtung zwingenden Rechts beliebige ergänzende Regelungen enthalten kann.

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Eine zulässige Formenvermischung kann dadurch erreicht werden, dass eine Aktiengesellschaft oder GmbH Gesellschafterin einer Personenhandelsgesellschaft wird, wie das etwa bei der GmbH & Co. KG der Fall ist (die GmbH ist dabei persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft).

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Lösung zu Fall 3:

Die von A, B und C vorgesehene Gesellschaftsform ist im Gesetz nicht geregelt. Es handelt sich vielmehr um eine vom Gesetzgeber bisher nicht übernommene Neuschöpfung. Im Gesellschaftsrecht gibt es nur eine beschränkte Zahl von Gesellschaftsformen, unter denen die Gründer einer Gesellschaft wählen können (numerus clausus). Die Gesellschaftsgründer können also nur eine der vom Gesetzgeber angebotenen Rechtsformen auswählen; sie dürfen keine neuen Gesellschaftsformen erfinden und zur Grundlage ihrer Vereinbarung machen. Da A, B und C eine vom Gesetzgeber nicht zugelassene Gesellschaftsform, nämlich eine Handelsgesellschaft auf Einlagen, vereinbaren wollten, kann es nicht zu einer wirksamen Gesellschaftsgründung kommen.

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Lösung zu Fall 4:

Das Gesetz sieht für die Kommanditgesellschaft keinen Aufsichtsrat oder Beirat vor. Bei Personengesellschaften ist im Rahmen der Vertragsfreiheit der Spielraum jedenfalls für die Ausgestaltung des Innenverhältnisses relativ groß. Deshalb bestehen keine Bedenken, im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Kommanditgesellschaft durch die Schaffung eines solchen Gremiums eine von der üblichen Gestaltung abweichende Struktur zu geben. Die Schaffung eines Aufsichtsrats oder Verwaltungsrates, der für die vielen Kommanditisten die Kontrollrechte wahrnehmen soll, ist also zulässig.

Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften

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