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Welche Anforderungen stellt die Prüfungskommission bei der Aufnahmeprüfung?

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Bei einer Aufnahmeprüfung existiert kein fester Kriterienkatalog. Wichtig ist, dass der Bewerber das Interesse der Prüfungskommission weckt. Die Prüfer möchten ihn so natürlich wie möglich sehen und erwarten keine Perfektion. Die Bewerber sollen Persönlichkeit haben, aber noch formbar sein.

»Wir möchten sehen, wie projektionsfähig der Prüfling ist. Das, was in der Rolle drinsteckt, muss sich auf das Publikum übertragen. Wir möchten eine ursprüngliche Direktheit, man muss sehen: Da ist etwas Eigenes. Einen Klassiker und eine moderne Rolle wollen wir sehen, damit wir zwei verschiedene Sprachhaltungen erkennen können. Dabei ist es uns egal, ob wir zum hundertsten Mal den Franz Moor von Schiller sehen. Wenn die Rolle gut umgesetzt ist, wirkt die Szene immer wieder neu. Wir raten den Prüfling dazu, lieber einen kurzen Abschnitt zu wählen als einen zu langen.

Wir möchten auch nicht, dass die Prüflinge sich von einem anderen Schauspieler inszenieren lassen, man sieht, wenn jemand dirigiert wird. Bitte alleine proben und die Rollen zum Schluss vielleicht Freunden oder Familie vorspielen.«

Hanns Dietrich Schmidt, Professor der Folkwang Hochschule Essen

Wer zur Prüfung weit anreisen muss, sollte nicht unbedingt erst am Morgen nach einer durchgefahrenen Nacht eintreffen, sondern vielleicht schon am Vorabend anreisen und bei Freunden schlafen, damit er zum Vorsprechen fit und ausgeruht ist. Spätestens nach der ersten Aufnahmeprüfung kennt jeder Bewerber viele andere Leute, die gerne eine Übernachtungsmöglichkeit anbieten, wenn er bei ihnen in der Nähe die Prüfung absolviert. Pünktlich zu jedem Vorsprechen zu erscheinen, ist nicht nur Pflicht, sondern auch im eigenen Interesse sinnvoll. Darum sollte man ausreichend Zeit für die Fahrt einplanen und rechtzeitig losfahren, um nicht abgehetzt zum Prüfungstermin anzukommen.

In der Regel wird jeder Kandidat alleine geprüft. Es gibt aber auch Schulen, wie etwa die Hochschule »Ernst Busch« in Berlin, die Prüflinge als Zuschauer gestatten, wenn die anderen Bewerber vorsprechen.

Jeder ist vor den ersten Aufnahmeprüfungen nervös. Aber keine Sorge: Niemand will den Bewerbern etwas Böses; die Schauspielschüler der höheren Semester werden sich hilfsbereit um die Prüflinge kümmern, und schließlich darf jeder jetzt endlich zeigen, woran er die letzten Wochen gearbeitet hat. In den zwanzig Minuten, die jedem Bewerber vor der Prüfungskommission zustehen, sollte er alles geben und die Prüfer aktiv von seinem Talent überzeugen.

»Wir wollen den Spieltrieb sehen. Was treibt den Bewerber an? Warum hat er sich gerade diese Rolle ausgesucht? Der Darsteller muss sich vorstellen, was seine Rolle erleidet, sich dann in diese Situation reinfühlen und dies im eigenen Körper sichtbar werden lassen.«

Michael Keller, Professor der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«, Berlin

In der Regel hat der Bewerber die Wahl, welche Rolle er als erstes vorsprechen möchte.

Manchmal wird er nach wenigen Sätzen oder Minuten schon unterbrochen, und die Prüfer bitten darum, mit der nächsten Rolle weiterzumachen. Das sollte ihn nicht irritieren.

»Wenn man unterbrochen wird, muss das nichts Schlimmes bedeuten. Manchmal sieht man direkt, dass der Prüfling das gewisse Extra hat, und dann muss man nicht den gesamten Monolog sehen, da man ja bei einer Prüfung auch immer unter Zeitdruck steht.«

Hanns Dietrich Schmidt, Professor der Folkwang Hochschule Essen

Nach der Prüfung heißt es erst einmal warten. An manchen Schulen bekommt man schon nach der ersten Runde ein persönliches Feedback, andere Schulen geben aus Zeitgründen keine Rückmeldung.

»Wir geben jedem, der es wünscht, ein Feedback. Wichtig ist dabei, dass dieses immer nur die subjektive Meinung unserer Schule widerspiegelt. Eine andere Schauspielschule kann ganz andere Ansichten über die Rolleninterpretation des Bewerbers haben. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Prüflinge das spielen, was sie für richtig halten, und sich nicht von den unterschiedlichen Meinungen der Schulen irritieren lassen. Dies erfordert natürlich Eigenständigkeit.«

Hanns Dietrich Schmidt, Professor der Folkwang Hochschule Essen

In der Regel teilen es die staatlichen Schauspielschulen direkt am selben Tag mit, ob ein Bewerber eine Runde weiterkommt. Sollte es nicht geklappt haben: Kopf hoch. Es gibt noch mehr Schulen, und manche Schauspielsschüler haben es erst nach vielen Aufnahmeprüfungen geschafft, auf eine staatliche Schule zu kommen.

»Ich bin sechsmal direkt in der ersten Runde rausgeflogen und dann zweimal bis in die Endrunde gekommen. Danach bin ich wieder dreimal in der ersten Runde rausgeflogen, bis ich dann in Bochum angenommen wurde.«

Hanna Schwab, Absolventin, Folkwang Hochschule, Studiengang Schauspiel Bochum

In der zweiten und dritten Runde folgen normalerweise Improvisationen und Szenenarbeit, das ist jedoch von Schule zu Schule unterschiedlich. Die Lehrer unterhalten sich mit den Bewerbern, außerdem werden Übungen gemacht, die zeigen sollen, wie es um die stimmliche, sprachliche und körperliche Eignung bestellt ist. Bequeme Kleidung, in der man sich frei bewegen kann und in der man sich wohl fühlt, ist empfehlenswert. Oft wird auch eine Hausaufgabe gestellt, zum Beispiel die selbstständige Erarbeitung einer weiteren Rolle, die dann bei der nächsten Runde gezeigt werden soll.

»In der zweiten Runde machen wir Improvisationen und bitten die Bewerber, ihre Rollen in einer anderen schauspielerischen Haltung zu spielen. In der dritten Runde gibt es verschiedene Prüfungen (Rolle, Partnerimprovisation, Musikalität, Sprachgestaltung, Stimmprüfung, Körperarbeit, Interview), die uns Aufschluss über die technischen Fähigkeiten und das Persönlichkeitsprofil des Bewerbers geben.«

Jochen Schölch, Leiter des Studiengangs Schauspiel der Hochschule für Musik und Theater August Everding, München

Wer schließlich die dritte Runde bestanden hat, darf sich glücklich schätzen. Einer der begehrten Studienplätze ist ihm sicher.

Wer es nicht geschafft hat, muss überlegen, ob er die Prüfungen im kommenden Jahr wiederholen will. Welches Feedback haben die Prüfer gegeben? Wer einen neuen Versuch unternehmen will, muss an sich arbeiten und sich bemühen, die Anregungen umzusetzen.

»Wenn man oft in die zweite oder dritte Runde kommt, ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass man es dann auch irgendwo schafft, aufgenommen zu werden.«

Atischeh Hannah Braun, Absolventin der Folkwang Hochschule Essen

Also auf zur nächsten Schule, zur nächsten Prüfung und die Zeit zwischendurch nutzen, um Erfahrungen zu sammeln, in freien Theatergruppen zu spielen oder vielleicht eine Regiehospitanz an einem Theater zu machen.

»Ich habe vier Aufnahmeprüfungen gemacht. Bei den ersten drei Schulen bin ich direkt in der ersten Runde rausgeflogen. Mit den Anregungen und Kritiken der Prüfer konnte ich immer etwas anfangen, nach jeder Aufnahmeprüfung habe ich etwas dazugelernt. Außerdem schwindet die Prüfungsangst nach jeder Prüfung. Ich bin in die vierte Prüfung viel frecher hineingegangen. Frechheit, Dreistigkeit, Eifer und Mut, das braucht man auf jeden Fall.

In Hannover bin ich dann aufgenommen worden. Ich hatte seit meiner Schulzeit Theater in freien Gruppen gespielt und als Kleindarsteller beim Fernsehen Erfahrungen gesammelt. Für die Prüfungen wollte ich mich aber besser vorbereiten, habe meinen ganzen Mut zusammengenommen und einen Schauspieler vom Düsseldorfer Schauspielhaus angesprochen, der mir super gefällt. Ich habe mir unzählige Reclam-Theaterstücke durchgelesen und geguckt, welche Rollen zu mir passen würden. Dann habe ich die Rollen mit ihm zusammen erarbeitet. Wir haben mich nicht inszeniert, das wollte er nicht. Er hat mir einfach geholfen, mich in den Rollen selbst zu finden.«

Sami El Gharbi, Schauspielschüler, Hochschule für Musik und Theater, Hannover

Manche staatlichen Schauspielschulen, wie etwa die »Konrad Wolf« Schule in Potsdam oder die »Ernst Busch« Schule in Berlin, prüfen nicht nur an wenigen Tagen, sondern bieten das ganze Jahr über Eignungstests an. Auch an den privaten Schauspielschulen sehen die Aufnahmeprüfungen oft anders aus.

»Bei uns findet die gesamte Prüfung an einem Tag statt. Einmal im Monat laden wir die Bewerber ein, das sind in der Regel sieben bis zehn Personen. Jeder muss drei Rollen erarbeiten und vorsprechen, außerdem werden dem Bewerber von uns Improvisationsaufgaben gestellt.

Wichtig ist uns die Fantasie und Spontaneität der Bewerber. Wir wollen sehen, ob jemand für den Beruf brennt, ob er ein inneres Feuer und Kraft hat. Er muss Freude am Spiel haben, den Raum einnehmen können, kontaktfreudig sein und auch selbstständig arbeiten können. Außerdem ist für uns wichtig, einen einfachen, ehrlichen, direkten Moment zu sehen, der die Individualität des Schülers deutlich macht und zum Ausdruck bringt. Man sollte nicht zu brav sein, aber auch nicht zu streitsüchtig, und sich durchsetzen können. Offenheit für Veränderungen und objektive Kritikfähigkeit (gegenüber sich selbst und gegenüber der Kunst an sich) sind auch wichtig.«

Karl G. Neusiedler, Schulleiter der Schauspielschule »Schauspiel München«

An den privaten Schauspielschulen wollen weniger Interessenten aufgenommen werden als an den staatlichen. So bewerben sich an der Schauspielschule »Schauspiel München« jeweils circa 100 junge Leute, von denen 18 bis 20 pro Jahr einen Studienplatz erhalten. An der Berliner Schule »Der Kreis« bewerben sich pro Semester 20 Personen, von denen 4 bis 7 aufgenommen werden. Manche privaten Schauspielschulen bieten eine Klasse pro Semester an, andere sind ähnlich wie die staatlichen Schulen strukturiert und bilden eine Klasse pro Jahr aus.

»Wir arbeiten mit jedem Bewerber circa 45 Minuten lang. Die Bewerber müssen drei Rollen vorspielen, und wir improvisieren mit ihnen und arbeiten gemeinsam an einem Lied und einem Gedicht. Die spätere Vermittelbarkeit ist ein Kriterium für die Aufnahme. Da spielt die Persönlichkeit und ein ansprechendes Äußeres auch eine Rolle.«

Dietrich Lehmann, Leiter, Fritz Kirchhoff Schauspielschule, Berlin

Wer zu einer Prüfung eingeladen wird, sollte sich vorher immer Gedanken darüber machen, warum er genau diesen Beruf erlernen und ausüben möchte.

»Wenn wir jemanden bei den Prüfungen fragen, warum er denn Schauspieler werden möchte, und er weiß dann nichts zu antworten, ist das schon schade. Dann fragt man sich als Prüfer, warum der junge Mensch überhaupt zu uns an die Schule kommen möchte und ob er sein Ziel überhaupt kennt.«

Valentin Platareanu, Künstlerische Leitung, Schauspielschule Charlottenburg, Berlin

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