Читать книгу Stahlbau-Kalender 2021 - Ulrike Kuhlmann - Страница 106
5.3 Statisches Modell für Träger-Stützenanschlüsse
Оглавление(1) Bei der Modellbildung für das Verformungsverhalten eines Träger-Stützenanschlusses sind die Schubverformungen des Stützenstegfeldes und die Rotationsverformungen der Verbindungen zu berücksichtigen.
Bild 5.5. Volltragfähige Anschlüsse
(2) Die Anschlüsse sind für die durch die angeschlossenen Bauteile eingetragenen Schnittgrößen, nämlich die Biegemomente Mb1,Ed und Mb2,Ed, die Normalkräfte Nb1,Ed und Nb2,Ed und die Querkräfte Vb1,Ed und Vb2,Ed zu bemessen, siehe Bild 5.6.
(3) Die resultierende Schubkraft Vwp,Ed in einem Stützenstegfeld ist wie folgt zu ermitteln :
(5.3)
Dabei ist
z | der Hebelarm, siehe 6.2.7. |
(4) Für eine wirklichkeitsnahe Berechnung des Verhaltens des Anschlusses sollten das Stützenstegfeld und die einzelnen Verbindungen unter Berücksichtigung der Schnittgrößen der Bauteile am Anschnitt des Stützenstegfeldes getrennt modelliert werden, siehe Bild 5.6(a) und Bild 5.7.
Bild 5.6. Schnittgrößen, die auf den Anschluss einwirken
Bild 5.7. Schnittgrößen, die auf ein Stützenstegfeld am Knoten einwirken
(5) Vereinfachend zu 5.3(4) können einseitige Anschlüsse auch in Form punktförmiger Einzelanschlüsse und zweiseitige Anschlüsse auch in Form von zwei getrennten, punktförmigen interagierenden Einzelanschlüssen in den Schwerachsen modelliert werden. Somit ergeben sich für einen zweiseitigen Träger-Stützenanschluss zwei Momenten-Rotations-Charakteristiken, nämlich für jede Anschlussseite eine.
(6) Bei einem zweiseitigen Träger-Stützenanschluss sollte jeder dieser Einzelanschlüssen durch eine eigene Rotationsfeder modelliert werden, siehe Bild 5.8, deren Momenten-Rotations-Charakteristik sowohl das Verhalten des Stützenstegfeldes als auch der jeweiligen Verbindungen berücksichtigt.
(7) Bei der Bestimmung der Momententragfähigkeit und der Rotationssteifigkeit jedes Anschlusses sollte der mögliche Einfluss des Stützenstegfeldes durch die Übertragungsparameter β1 und β2 berücksichtigt werden. Dabei ist
β 1 | der Übertragungsparameter β für den rechten Anschluss; |
β 2 | der Übertragungsparameter β für den linken Anschluss. |
Anmerkung : Die Übertragungsparameter β1 und β2 werden in 6.2.7.2(7) und 6.3.2(1) verwendet. Sie werden auch in 6.2.6.2(1) und 6.2.6.3(4) in Verbindung mit der Tabelle 6.3 benutzt, um den Abminderungsbeiwert ω für den Schub zu bestimmen.
(8) Näherungswerte für β1 und β2 für die Trägeranschlussmomente Mb1,Ed und Mb2,Ed am Anschnitt zum Stützenstegfeld, siehe Bild 5.6(a), können der Tabelle 5.4 entnommen werden.
(9) Als Alternative zu 5.3(8) können genauere Werte für β1 und β2, die sich auf die Momente Mj,b1,Ed und Mj,b2,Ed am Schnittpunkt der Systemlinien nach Bild 5.6(b) beziehen, wie folgt ermittelt werden :
(5.4a)
(5.4b)
Dabei ist
M j,b1,Ed | das Moment am Schnittpunkt des rechten Trägers; |
M j,b2,Ed | das Moment am Schnittpunkt des linken Trägers. |
(10) Bei einem unausgesteiften zweiseitigen Träger-Stützenanschluss mit zwei Trägern unterschiedlicher Höhe ist bei der Bestimmung der Momententragfähigkeit der tatsächliche Schubspannungsverlauf im Stützenstegfeld zu berücksichtigen.
Bild 5.8. Vereinfachte statische Modelle für Anschlüsse
Tabelle 5.4. Nährungswerte für den Übertragungsparameter β
Zu 6.1
Im Abschnitt 6 der DIN EN 1993-1-8 ist die Komponentenmethode zur Berechnung allgemeiner Anschlüsse mit H- oder I-Querschnitten geregelt. Die Komponentenmethode lässt sich auf beliebige geschweißte und mit Gurtwinkeln ausgeführte Anschlüsse anwenden. Auch geschraubte Stirnplattenverbindungen können nach der Komponentenmethode berechnet werden, wobei die zugrunde liegenden Modelle hier auf zwei Schrauben in einer Reihe beschränkt sind, so dass die Komponentenmethode zurzeit nicht direkt auf in Deutschland gebräuchliche IH2- und IH4-Anschlüsse angewandt werden kann.
Das Prinzip der Komponentenmethode basiert auf der gedanklichen Zerlegung eines Anschlusses in seine Grundkomponenten, für die jeweils Modelle zur Bestimmung der Beanspruchbarkeiten und Steifigkeiten in DIN EN 1993-1-8 bereitgestellt werden. Unter Berücksichtigung der Gleichgewichtsbedingungen und der Kraft-Verformungsbeziehungen wird aus den Beanspruchbarkeiten und den Steifigkeiten der den Anschluss bildenden Grundkomponenten die Anschlusstragfähigkeit Mj,Rd und die Anschlusssteifigkeit Sj bestimmt. In den Stahlbau-Kalendern 2005 [K45] und 2010 [K26] sind der Komponentenmethode umfassende Beiträge gewidmet worden.
Die Komponentenmethode ermöglicht es dem planenden Ingenieur, Anschlüsse statisch und wirtschaftlich zu optimieren, wobei der erforderliche Rechenaufwand den Einsatz der EDV (z. B. CoP The Connection Program [K4]) in der Regel unumgänglich macht. Bereits seit Juli 2000 kann alternativ auch auf die „Typisierten Anschlüsse im Stahlhochbau“ [K39] des DSTV zurückgegriffen werden, in denen die Tragfähigkeiten und Anschlusssteifigkeiten für geschraubte, momententragfähige Stirnplattenanschlüsse (Typen IH1 und IH3) nach DIN EN 1993-1-8 vertafelt sind. Im Vergleich zu den „Bemessungshilfen für profilorientiertes Konstruieren“ von Prof. Oberegge [K27], die noch auf dem DASt-Modell beruhen und auf Stirnplatten aus S235 und die Verwendung hochfester, vorgespannter Schrauben beschränkt waren, sind in [K39] Anschlüsse aus S235 und S355 für Schrauben der Festigkeitsklassen 8.8 und 10.9 typisiert. Eine Vorspannung der Schrauben ist bei der Komponentenmethode anders als bei DASt-Modell nicht zwingend erforderlich, wird jedoch im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit empfohlen. Mit der zweiten Auflage der „Typisierten Anschlüsse im Stahlhochbau“ [K38] erfolgte eine Erweiterung auf Anschlüsse mit vier Schrauben in einer Reihe (Typen IH2 und IH4). Hierfür wurde in [K38] ein Modell entwickelt, das die Stirnplatte gedanklich in einen inneren und äußeren Bereich zerlegt. Bei der Modellbildung mussten zum Teil konservative Ansätze gewählt werden, da keine Versuchsdaten zur Validierung des Modells zur Verfügung standen. Dies führt dazu, dass nach dem Modell der erweiterten Komponentenmethode von Sedlacek und Weynand Anschlüsse zum Teil kleinere Tragfähigkeiten aufweisen als nach dem DASt-Modell. Die Erweiterung der Komponentenmethode auch auf vier Schrauben in einer Schraubenreihe ist Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben. Erste Vorschläge zur Erweiterung der Komponentenmethode auch auf Konfigurationen mit vier Schrauben in einer Reihe wurden unter anderem in [K34], [K1] und [K2] entwickelt.