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3.6 Tragfähigkeiten einzelner Verbindungsmittel 3.6.1 Schrauben und Niete

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(1) Die Bemessungswerte der Tragfähigkeit einzelner Verbindungsmittel unter Scher- und/oder Zugbeanspruchung sind in Tabelle 3.4 angegeben.

(2) Bei vorgespannten Schrauben, welche den Anforderungen nach 3.1.2(1) entsprechen, ist in der Regel der Bemessungswert der Vorspannkraft, Fp,Cd, wie folgt anzusetzen :

(3.1)

Zu 3.6

In DIN EN 1993-1-8 werden grundsätzlich alle Nachweise sowohl für die Verbindungsmittel als auch für die verbundenen Querschnittsteile im Anschlussbereich auf fu-Niveau mit einem Teilsicherheitsbeiwert γM2 = 1,25 geführt.

Die Regeln zur Ermittlung der Abscher- und Zugtragfähigkeit von Schrauben können auch auf andere Gewindeteile und runde Stäbe aus Vollmaterial übertragen werden. Nach DIN EN 1090-2, Abschnitt 8.2.2 ist der kleinste zulässige Nenndurchmesser für Stahlbauverschraubungen M12.

Zu Tabelle 3.3

Nach DIN EN 1993-1-8 gelten die gleichen unteren Grenzwerte für die Rand- und Lochabstände wie nach DIN 18800-1. Bei den oberen Grenzwerten ist zu differenzieren zwischen wetterfesten Baustählen nach DIN EN 10025-5 und den weiteren in DIN EN 10025 geregelten Stahlsorten, bei denen zusätzlich zu berücksichtigen ist, ob die Stahlkonstruktion der Witterung oder anderen korrosiven Einflüssen ausgesetzt ist. Die oberen Grenzwerte der Rand- und Lochabstände werden nach DIN EN 1993-1-8 generell in Abhängigkeit von der Dicke t des dünnsten außen liegenden Bleches unter Berücksichtigung absoluter Grenzwerte formuliert. Der Durchmesser der verwendeten Schrauben bzw. der zugehörige Lochdurchmesser bleiben unberücksichtigt. Verglichen mit DIN 18800-1 fallen die maximalen Rand- und Lochabstände nach DIN EN 1993-1-8 in der Regel etwas kleiner aus.

Wetterfeste Baustähle müssen zur Ausbildung einer korrosionshemmenden Sperrschicht einem Wechsel von Feuchte und Trockenheit unterzogen werden. Bei geschraubten Verbindungen kann Kondensation und Kapillarwirkung zur Dauerfeuchtigkeit in den Spalten führen und in Folge zu Korrosion. Durch Einhalten der Rand- und Lochabstände werden die Spalte hinreichend gepresst und die Korrosion wird mangels Sauerstoffzufuhr unterbunden.

Neu sind in DIN EN 1993-1-8 die konstruktiven Regeln für versetzte Lochreihen und für Langlöcher, siehe Bild 3.1. Die Abmessungen der Langlöcher müssen den Anforderungen der DIN EN 1090-2, Tabelle 11 genügen. Hiernach ist zu differenzieren zwischen kurzen Langlöchern (Längen gestaffelt von 16 mm bei M12 bis 37 mm bei M27) und langen Langlöchern (Länge gleich dem 1,5fachen Nenndurchmesser), für die in Querrichtung die gleichen Anforderungen gelten wie für normale runde Löcher.

Anforderungen an die oberen Grenzwerte für Rand- und Lochabstände sind nur zu berücksichtigen, wenn die Stahlkonstruktion korrosiven Einflüssen ausgesetzt ist oder wenn bei Druckbeanspruchungen ein lokales Beulen ausgeschlossen werden muss. Auf den Nachweis gegen lokales Beulen darf verzichtet werden, wenn die Lochabstände . Andernfalls ist der Nachweis nach DIN EN 1993-1-1 entsprechend der Fußnote 2) zur Tabelle 3.3 zu führen.

Die größten Lochleibungstragfähigkeiten werden bei folgenden Rand- und Lochabständen erreicht :

e1 ≥ 3,0 d0; e2 ≥ 1,5 d0
p1 ≥ 3,75 d0; p2 ≥ 3,0 d0

Dies entspricht mit Ausnahme des erforderlichen Lochabstandes in Kraftrichtung den konstruktiven Anforderungen der DIN 18800-1 (dort : p1 ≥ 3,50 d0) um die höchstmögliche Lochleibungstragfähigkeit zu erreichen.

Zu Tabelle 3.4

In Tabelle 3.4 sind die Gleichungen zur Bestimmung der Beanspruchbarkeit einzelner Schrauben und Nieten mit Scher- und/oder Zugbeanspruchungen zusammengefasst. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von der DIN 18800-1, nur bei kombinierten Scher- und Zugbeanspruchungen ist von der bekannten Kreisgleichung abgewichen und eine lineare Interaktionsbeziehung eingeführt worden. Die lineare Interaktionsbeziehung geht auf experimentelle Untersuchungen an der TU Delft und der University of Manchester zurück, die in der Background Dokumentation zur DIN EN 1993-1-8 [K37] statistisch ausgewertet wurden. Die lineare Interaktionsbeziehung definiert eine untere Grenzkurve für kombinierte Scher- und Zugbeanspruchungen, bei der im Gegensatz zu der Kreisgleichung nach DIN 18800-1 alle Versuchsergebnisse auf der sicheren Seite liegen, vgl. Bild 4 in [K44]. Bei der statistischen Auswertung wurde die Beanspruchbarkeit der Schrauben auf Zug immer auf Basis der Spannungsquerschnittsfläche As bestimmt, unabhängig davon, ob der Schaft oder das Gewinde in der Scherfuge lag. Dies ist auch bei der Nachweisführung für kombinierte Scher- und Zugbeanspruchungen nach DIN EN 1993-1-8 zu berücksichtigen und es darf im Interaktionsnachweis nicht mehr wie nach Element (810) der DIN 18800-1 die ggf. höhere Zugtragfähigkeit für den Schaftquerschnitt zugrunde gelegt werden, selbst wenn dieser in der Scherfuge liegt.

Geringfügige Änderungen im Vergleich zur DIN 18800-1 wurden bei dem Beiwert αv eingeführt, mit dem das Verhältnis von Scher- zu Zugfestigkeit erfasst wird. Dieser darf für die nach dem Nationalen Anhang zugelassenen Schraubenfestigkeitsklassen 4.6, 5.6, 8.8 und 10.9 mit αv = 0,6 angesetzt werden. Die einzige Ausnahme bilden 10.9er Schrauben, wenn das Gewinde in der Scherfuge liegt, dann ist mit αv = 0,5 zu rechnen.

Bei der Ermittlung der Lochleibungstragfähigkeit Fb,Rd ist entsprechend der Fußnote a zur Tabelle 3.4 eine Abminderung zu berücksichtigen, wenn statt normalem Lochspiel (siehe Autorenhinweis zu 3.6.1 (9)) ein großes Lochspiel vorliegt (β = 0,80) oder wenn die Schrauben in Langlöcher quer zur Kraftrichtung eingesetzt werden (β = 0,60).

Eine umfassende Darstellung der Hintergründe und die Herleitungen der Gleichungen zur Bestimmung der Beanspruchbarkeiten findet sich auch in [43].

Für das Zusammenwirken von Verbindungsmitteln in einem Anschluss sind weitere Regeln in DIN EN 1993-1-8 formuliert, die zusätzlich zu berücksichtigen sind (siehe u. a. 3.8 und 3.12).

Tabelle 3.4. Beanspruchbarkeit einzelner Verbindungsmittel mit Scher- und/oder Zugbeanspruchung


Zu Tabelle 3.4, Fußnote 3

Bei schräg angreifenden Schraubenkräften kann der getrennte Lochleibungsnachweis parallel und senkrecht zum Rand unter Umständen zu einer Überschätzung der Tragfähigkeit bei einer randnahen, schräg angreifenden Kraft führen. Ein genauerer Ansatz ist nach [43] die Addition der Einzelausnutzungen der Lochleibungsbeanspruchbarkeiten parallel zum Rand (Index 1) bzw. senkrecht zum Rand (Index 2) über die Kreisgleichung:


Anmerkung : Wird die Vorspannung bei der Bemessung nicht angesetzt, siehe Anmerkung zu Tabelle 3.2.

(3) Die Tragfähigkeit für Zug- oder Scherbeanspruchung im Gewindequerschnitt darf in der Regel nur dann mit dem vollen Wert nach Tabelle 3.4 angesetzt werden, wenn die Schrauben Bezugsnormengruppe 4 in 1.2.4 entsprechen. Für Schrauben mit geschnittenem Gewinde, z. B. Ankerschrauben oder Zugstangen, die aus Rundstahl gefertigt werden, dürfen die Werte aus Tabelle 3.4 verwendet werden, sofern die Ausführung EN 1090 entspricht. Für Schrauben mit geschnittenem Gewinde, für welche die Anforderungen nach EN 1090 nicht erfüllt werden, sind die Werte aus Tabelle 3.4 in der Regel mit dem Faktor 0,85 abzumindern.

(4) Die Abschertragfähigkeit Fv,Rd in Tabelle 3.4 ist in der Regel nur anzusetzen, wenn die Schraubenlöcher ein normales Lochspiel entsprechend Bezugsnormengruppe 7 in 1.2.7 haben.

(5) M12 und M14 Schrauben dürfen auch mit einem Lochspiel von 2 mm eingesetzt werden, sofern der Bemessungswert der Abschertragfähigkeit kleiner oder gleich dem Bemessungswert der Lochleibungstragfähigkeit ist und wenn zusätzlich für Schrauben der Festigkeitsklassen 4.8, 5.8, 6.8, 8.8 und 10.9 die Abschertragfähigkeit Fv,Rd nach Tabelle 3.4 mit dem Faktor 0,85 abgemindert wird.

(6) Passschrauben sind in der Regel wie Schrauben mit normalem Lochspiel zu bemessen.

(7) In der Regel darf bei Passschrauben das Gewinde nicht in der Scherfuge liegen.

(8) Bei Passschrauben sollte die Länge des Gewindes im auf Lochleibung beanspruchten Blech nicht mehr als 1/3 der Blechdicke betragen, siehe Bild 3.2.

(9) Für das Lochspiel bei Passschrauben gilt in der Regel Bezugsnormengruppe 7 in 1.2.7.

(10) In einschnittigen Anschlüssen mit nur einer Schraubenreihe, siehe Bild 3.3, sollten Unterlegscheiben sowohl unter dem Schraubenkopf als auch unter der Mutter eingesetzt werden. Die Lochleibungstragfähigkeit Fb,Rd der Schrauben ist zu begrenzen auf :


Bild 3.2. In ein Schraubenloch hineinragendes Gewinde von Passschrauben


Bild 3.3. Einschnittige Verbindung mit einer Schraubenreihe

(3.2)

Anmerkung : Verbindungen mit nur einem Niet sollten bei einschnittigen Anschlüssen nicht verwendet werden.

(11) Bei Schrauben der Festigkeitsklassen 8.8 oder 10.9 in einschnittigen Anschlüssen mit nur einer Schraube oder nur einer Schraubenreihe sind in der Regel gehärtete Unterlegscheiben zu verwenden.

(12) Übertragen Schrauben oder Niete Scher- und Lochleibungskräfte über Futterbleche mit einer Dicke tp größer als ein Drittel des Durchmessers d, siehe Bild 3.4, so ist in der Regel die Schertragfähigkeit Fv,Rd nach Tabelle 3.4 mit einem Beiwert βp abzumindern :

(3.3)

Zu 3.6.1(4)

Das Nennlochspiel von normalen runden Löchern ist nach DIN EN 1090-2, Tabelle 11 abhängig vom Nenndurchmesser d der Schraube wie folgt festgelegt :

M12 und M14 : Δd = 1 mm
M16 bis M24 : Δd = 2 mm
ab M27 : Δd = 3 mm

Auf übergroße runde Löcher sind die Regeln der DIN EN 1993-1-8 zur Bestimmung der Abschertragfähigkeit nicht anwendbar. In zugbeanspruchten Verbindungen sollte von dem vergrößerten Lochspiel von Δd = 2 mm kein Gebrauch gemacht werden, da die Kontaktfläche zwischen der Scheibe und den verschraubten Blechen sehr klein ausfällt.

Im Zusammenhang mit dem Lochspiel in Schraubverbindungen wird an dieser Stelle auf die Vorgabe nach Absatz 5.2.1 (6) der DIN EN 1993-1-1 hingewiesen, nach der Verformungen infolge Schlupf bei der Tragwerksberechnung zu berücksichtigen sind, sofern maßgebend. Explizite Hinweise, wann Schlupf nicht maßgebend ist, wie z. B. nach Element (733) der DIN 18800-1 im Allgemeinen bei Fachwerkträgern, sind in der DIN EN 1993-1-1 nicht aufgenommen worden. Es obliegt also der Verantwortung des planenden Ingenieures, zu beurteilen, ob der Schlupf zu berücksichtigen ist oder nicht. Hierbei ist neben dem Grenzzustand der Tragfähigkeit auch der Einfluss des Schlupfes auf die Verformungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zu berücksichtigen.

Zu 3.6.1(9)

Das Lochspiel bei Passschrauben und Passbolzen muss der Klasse H11 nach DIN ISO 286-2 entsprechen. Abhängig vom Nenndurchmesser der Schrauben liegt das zulässige Lochspiel bei :

M12 : Δd ≤ 110 μm = 0,11 mm
M36 : Δd ≤ 160 μm = 0,16 mm

Im Vergleich zu dem nach DIN 18800-1 zulässigen Lochspiel von Δd ≤ 0,3 mm für Passschrauben sind die Anforderungen deutlich höher.

Zu 3.6.1(12)

Die Dicke der Futterbleche tp in einer scherbeanspruchten Schraubverbindung sollte auf den doppelten Schraubendurchmesser begrenzt werden.


Bild 3.4. Verbindungsmittel durch Futterbleche

(13) Bei zweischnittigen Verbindungen mit Futterblechen auf beiden Seiten des Stoßes ist in der Regel für den Wert tp die Dicke des dickeren Futterblechs anzusetzen.

(14) Verbindungen mit Nieten sind in der Regel für die Übertragung von Scher- und Lochleibungskräften zu bemessen. Bei Zugbeanspruchung darf der Bemessungswert der einwirkenden Zugkraft Ft,Ed den Bemessungswert der Tragfähigkeit Ft,Rd nach Tabelle 3.4 nicht überschreiten.

(15) Bei Einsatz der Stahlsorte S235 darf die Zugfestigkeit des Nietwerkstoffs fur „nach dem Schlagen“ mit 400 N/mm2 angesetzt werden.

(16) Im Allgemeinen sollte die Klemmlänge der Niete bei Schlagen mit Niethammer den Wert 4,5d und bei hydraulischem Nieten den Wert 6,5d nicht überschreiten.

Stahlbau-Kalender 2021

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