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chillout - Kapitel 1

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Ich bin hellwach, mitten in der Nacht. Ich habe geträumt, doch es war zu real für einen Traum.

Seit einigen Nächten habe ich das, dieses Gefühl, als würde mich jemand an den Schultern packen und wachrütteln.

Wach endlich auf, sagt diese Stimme. Es ist eigentlich ganz schön, wieder in Erfurt zu sein.

Deine Eltern, die für dich sorgen, die fast stolz auf dich sind, weil du dich in Berlin

so gut durchgeschlagen hast.

Abends haben sie oft Bekannte zu Besuch, die du alle gut kennst und magst.

Ihr trinkt Rotwein und hört Irish Folk. Nur manchmal zuckst du kurz zusammen,

weil du gedacht hast, einer der Gäste wäre Niko.

Natürlich bist du nicht schwanger gewesen, also wird wohl auch nie etwas passiert sein.

Es macht Spass, mit Eva die Nächte durchzuquatschen und mit Alex Joints im Keller zu rauchen. Hier kannst du alles aufschreiben und zu interessanten Erfahrungen machen, danach stundenlang mit Eva durch Erfurt laufen.

Erfahrungen sind gut, mit Realität hat das gar nichts zu tun.

Realität ist hier.

„Echt, du hast gedacht, du bist schwanger? Bissl unwahrscheinlich, oder?"

„Na, du kennst mich doch. Ich steigere mich immer in alles hinein."

Und dann lachen wir, ein ganz vernünftiges Lachen, unserem zukünftigen Leben entgegensehend.

Ich werde die Schule beenden, ein gutes Abi machen, oh ja, das werde ich.

Dann studieren, beim Studieren jemanden kennenlernen. Wir ziehen in eine Berliner oder Leipziger Altbauwohnung. Grünpflanzen und eine Bialettikanne.

Mit 39 entschließe ich mich dann doch noch, Kinder zu bekommen.

Ich trage sie in einem bunten Tuch umher.

Jetzt bin ich wach, mitten in der Nacht und ich frage mich, wer von diesen beiden Ichs ich bin. Bin ich jetzt ich, oder am Tag?

Bald kommt der Tag, denke ich, dann denkst du anders.

Der Tag kommt, am Nachmittag harken meine Eltern im Garten Laub zusammen.

Ich sehe ihnen zu und plötzlich ist es wieder da: Das Wachrütteln, die Bilder,

die Erinnerungen.

Es klingelt, meine Eltern streiten sich, wer zur Tür geht, meine Mutter gewinnt.

„Mensch Christoph, schön dich zu sehen, das ist ja ne Überraschung!", höre ich meine Mutter sagen. Dann höre ich noch eine Stimme, eine Stimme, die mir vertraut ist. Karen.

Ich laufe ins Wohnzimmer und da sitzt sie tatsächlich, mit ihrer blauen Strickjacke und den Adidasschuhen. Es ist wie Nach-Hause-Kommen, ich muss fast heulen.

Wo war ich nur die ganze Zeit, was habe ich gedacht?

„Komm wieder zurück“, sagt Karen, als ich mit ihr in meinem Zimmer sitze.

„Wie stellst du dir das vor, ich muss doch zur Schule."

„Ja, ja“, sagt Karen. „Aber was, wenn ich dir nen Job besorge?"

„Was denn für nen Job?"

„Ach, an der Garderobe im Palace ist was frei geworden."

„Wieso, hört Niko auf?"

„Ja, endgültig, der ist weg für immer.“

„Warum?"

„Der macht sein Vikariat, in Buckow, glaub ich, halt irgendein Kaff in der märkischen Schweiz.

Machst du es?" „Du denkst echt, ich lass mein Abi sausen, für nen Job im Palace?"

„Ja. Du willst das doch alles gar nicht. Du willst Songs schreiben und mit mir Mucke machen. Jetzt sind auch die komischen Typen weg, die uns ablenken, für Kohle ist auch gesorgt...perfekt!"

Ich musste nicht mehr überlegen, es ging nicht mehr um Niko und diffuse Erinnerungen.

Es ging nur darum, nicht länger zweigeteilt zu sein.

Ich wollte mich nicht entscheiden müssen, welche von den beiden Renas ich sein wollte.

In Berlin, das wusste ich, gab es nur eine Rena.

Ich mach’s, wenn meine Eltern einverstanden sind.

Das waren sie natürlich nicht.

In den Herbstferien konnte ich nach Berlin um Karen und Milosch zu besuchen.

Niko wohnte noch in Berlin, war mit dem Umzug beschäftigt.

Wladi hatte Probleme mit seinem Sohn Carlos, der sich mit anderen Jungs prügelte.

Und Karen und Milosch waren einfach glücklich, mich wieder bei sich zu haben.

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