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Feiern - Kapitel 5

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Ich ging oft mit Milosch zu Wladi, nachmittags saßen wir auf dem Balkon seiner Dachwohnung, manchmal kam Tamara vorbei und machte uns Yogitee. Tamara musste man einfach mögen, sie drängte sich nicht auf, hörte zu und warf manchmal was ein, in Berlinerisch mit russischem Akzent.

Sie trug lange Röcke, kurze rote Haare und immer Make-up. Wladi redete nie über sich. Dass er im Stasiknast war, hatte er nur einmal kurz erwähnt. Am liebsten redete er von Europa, von Istanbul, Paris, Rom, Athen. Er kannte jede Sprache und kannte sich so gut in diesen Städten aus, dass man kaum glauben konnte, dass er noch nie da gewesen war und auch nie hinwollte. „Träume sind nicht da um sie auszuleben. Du musst sie kultivieren.“ „Versteh ich nicht.“, sagte Milosch dann. „Das kannst du auch nicht verstehen“, sagte Wladi, milde lächelnd. „Ihr jungen Leute, ihr denkt doch, man müsste jeden Traum leben, Träume sind Schäume, das haben sie uns in der DDR auch immer gesagt. „Thälmann hat auch nie geträumt, er war ein Mann der Tat! Wo wären wir denn heute, wenn er sein Leben verträumt hätte?“, imitierte er einen seiner Lehrer. Wladi hatte sich viel anhören müssen von Lehrern, Eltern, Klassenkameraden, später dann von der Stasi. „Träume sind kleine Diamanten, ihr müsst auf sie aufpassen und aufbewahren.“ Auf dem Rückweg wollte Milosch ins Wohnzimmer. „Warum willst du ständig dahin?“

Irgendwas war anders geworden, Milosch hatte sich verändert. Dass es an Judith lag, darauf kam Karen. Als wir heute ins Wohnzimmer kamen, merkte ich, wie nervös Milosch war, seine Füße standen nicht still.

Als Judith kam, um die Bestellung aufzunehmen, sah er sie mit großen Augen an, fast flehend, verzweifelt, und sie war auch anders geworden, aufmerksamer.

„Wollen wir uns mal treffen, um über alte Zeiten zu reden?“ fragte er.

Judith wirkte überrascht, lächelte, doch da sie stets und ständig lächelte, wurde es für Milosch schwer, aus ihrem Lächeln etwas zu lesen. Darin etwas zu sehen, das nur ihm gehörte. „Du kannst ja mal kommen, wenn hier nicht so viel los ist, gegen 18 Uhr. Da habe ich immer Zeit.“

Milosch grinste selig und ich wollte ihm nicht den Spaß verderben, indem ich ihn darauf aufmerksam machte, wie gleichgültig und beiläufig dieser Vorschlag klang.

An der Theke stand Felix, der Typ mit langen, schwarzen Haaren. Schnell eilte er herbei, um den euphorischen Milosch auszufragen. Wer er denn sei, woher sie sich kennen...und woher er käme. „Aus Berlin“, erwiderte Milosch. „Und wo liegen deine Wurzeln?“ „Ostberlin“. „Na, weil du so mediterran aussiehst.“ „Ich bin Albaner“, sagte Milosch todernst.

„Ach Quatsch“, rief Judith. „Er ist Sinti.“

„Sinti? Zigeuner?“ „Jawoll. Ich esse Igel und klaue. Und bin mit meiner Schwester verheiratet. Außerdem ziehe ich als wilder Musikant mit einem Pferdewagen umher.“

Judith hatte Musik von Django Reinhardt aufgelegt und wedelte mit Tüchern herum. Die beiden führten den seltsamsten und dämlichsten Tanz auf, den ich je gesehen hatte. Felix ging, peinlich berührt, in die Küche.

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