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Telefongespräch zwischen Hillevi und Annie, 22. März, 16:22

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»Annie! Es ist alles so schrecklich!« (Schniefen)

»Aber Himmel, was ist denn passiert?«

»Am Freitag haben wir uns gestritten. John kam reichlich zugedröhnt von der Arbeit. Er hatte auf dem ganzen Weg gesoffen und trotzdem noch beim Einkaufszentrum angehalten und noch mehr Alk gekauft und den ganzen Wagen mit Chips und Limo und Plätzchen und Scheiß gefüllt, um sein schwarzes Gewissen aufzuhellen. Er hatte auch zwei Videos ausgeliehen, und vor allem die haben mich hochgehen lassen. Wir haben schon drei längst überfällige Videos herumliegen, die er immer zurückzubringen vergißt. Ich bin vor Wut einfach komplett ausgerastet. Er habe mit seinen Arbeitskollegen gefeiert, hat er gesagt. Diese verdammte Internetfirma habe die Konkurrenz abgehängt, und da sei es ja wohl kein Wunder, meinte er, daß sie drauf mal richtig angestoßen hätten. Er war so blau, daß er torkelte und nicht mehr klar gucken konnte.«

»Das alte Lied also...«

»Nein, denn diesmal ist er einfach wieder abgehauen. Er schnappte sich die überfälligen Videos und knurrte in der Diele herum, weil er nicht mal zu einer fröhlichen Familie nach Hause kommen kann, nachdem er sich den Arsch abgeschuftet hat, um uns glücklich zu machen. Er riß eine Sektflasche so heftig auf, daß es sprudelte wie aus einem Feuerlöscher, und die Kinder wurden naß. Er trank aus der Flasche und stellte sie so hin, daß noch mehr Sekt heraussprudelte, und ich sagte, er solle sich zum Teufel scheren, und es sei doch besser für uns alle, wenn wir ihn nicht sehen müßten, denn nur seine Abwesenheit könne uns glücklich machen. Worauf er einfach abgehauen ist. Und (Schluchzen) ... er ist noch nicht nach Hause gekommen, und jetzt ist schon Sonntagnachmittag.«

»Hast du seine Kollegen angerufen?«

»Nein. Wie soll ich denen das denn erklären, ohne zu verraten, in welcher Hölle wir leben? Und dann erfahren das alle und...«

»Meinst du denn, die wüßten das nicht schon längst?«

»Nein, John behält seine Maske auf. Bei seiner Arbeit ahnt niemand etwas.«

»Das glaubst du, ja.«

»Aber überleg doch mal, wenn ihm etwas passiert ist? Ich habe alle Krankenhäuser angerufen, aber da ist niemand mit seinem Namen eingeliefert worden.«

»Wahrscheinlich schläft er irgendwo seinen Rausch aus.«

»Ich habe mich heute morgen so geschämt, daß ich bis in die Zehennägel rot geworden bin, als ein Nachbar nach dem Wagenheber fragte, den John sich vor zwei Wochen geliehen hat. Er wollte an meinem kleinen Hyundai einen Reifen reparieren und brauchte dazu einen Wagenheber. Und so steht der Wagen jetzt seit vierzehn Tagen da. Und ich mußte dem Nachbarn sagen, er könne in die Garage gehen und sich den Wagenheber holen, wenn er ihn sofort brauche, und er wollte wissen, wo John sei, und ich mußte mir eine Geschichte aus den Fingern saugen, er sei nach Värmdö gefahren, um am Boot herumzubasteln. Der Nachbar schien nur sauer zu sein, und ich sah ein, daß ich ins Förmchen geschissen hatte, als er zur Auffahrt hinüberschielte, wo Johns Dodge stand. Da schien bei ihm der Groschen zu fallen, und er nickte mir mitleidig zu. Und jetzt weiß wohl die ganze Nachbarschaft, was Sache ist. Was soll ich bloß machen?«

»Einen Kurs.«

»Einen Kurs? Gibt es Kurse, in denen man lernt, die Psyche eines Typen umzuprogrammieren?«

»Nein, aber es gibt noch andere Programmierkünste. Vor allem solltest du John aus deiner eigenen Psyche herausprogrammieren. Saug soviel Geld wie möglich aus ihm heraus und frisch deine Kenntnisse auf. Du mußt das wieder drauf kriegen, was du gekonnt hast, ehe du an diesen Heini geraten bist. Aber mit IT. Sonst schaffst du den Wiedereinstieg nicht.«

»Das kann John mir doch beibringen.«

»Stöhn! Hör jetzt endlich auf, dich um sein Arschloch zu drehen. Mach selber etwas. Du sitzt in einer Frauenfalle, Hillevi.«

»Soll ich mir etwa an dir ein Vorbild nehmen, oder was?«

»Hab ich das gesagt? Du lebst doch ein Luxusleben, zum Henker, also hör mit dem Gejammer auf. Pfeif drauf, was John macht, solange er dich versorgt. Ich an deiner Stelle würde die Zeit nutzen, um mein Schäfchen ins trockene zu bringen. Danach kannst du dich entscheiden.«

»Eigentlich hast du nicht unrecht. Ich habe seit fast einem Jahrzehnt nicht eine Krone mehr verdient. Aber die Kinder brauchen so viel Zeit.«

»Dann steck sie in den Kindergarten! Na los! Kuschel ist fast vier. Du kannst dich nicht hinter ihnen verstecken, bis du eine alte Vettel geworden bist.«

»Seufz. Dann verrate ich doch all meine Ideale.«

»Ideale ändern sich. Willst du lieber dich selber verraten?«

»Was für ein Klischee! Wir leben doch mit anderen zusammen. Wir können uns nicht nur um uns selber kümmern.«

»Nein, aber du kümmerst dich im Moment um gar nichts, und das wirst du eines Tages bereuen, wenn das Haus zusammenbricht. Glaub mir. Ich hab das auch erlebt...«

»Huch, jetzt wird Kuschel wach. Er hat Fieber. Ich muß mich um ihn kümmern. Bis dann.«

»Vergiß nicht, was ich gesagt habe. Wechsele auf dein eigenes Leben über und leb es. Ein für allemal! Bis dann.«

Meine Freundin sieht das anders

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