Читать книгу Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 13

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Am Sonntagmorgen kullerten die Tropfen durch die Regenrinne. Das milde Wetter war zurückgekehrt, aber nur vorübergehend, wie die Meteorologen im Autoradio gesagt hatten.

Die Ermittler setzten sich an den Tisch. Im Raum herrschte eine gespannte Stimmung, wie immer zu Beginn eines neuen Falles. Als stünden sie am Tor zu einem unbekannten Garten. Cato Isaksen hatte das Gefühl, dass die Grundlage zu einem guten Ergebnis immer schon früh gelegt wurde. Es hing mit den Einzelheiten des Falles zusammen, mit den Zeichen, die bereits im Unterbewusstsein arbeiteten. Für ihn hatte jeder neue Fall eine eigene Farbe, einen eigenen Ton. Eine Reihe von Systemen, die einen zukünftigen Regenbogen bildeten, in dem die Reihenfolge der Farben nicht gleichgültig war, sondern abhängig von einem vorgegebenen System.

Abteilungsleiterin Ingeborg Myklebust war nicht gerade in Spitzenlaune. Randi Johansen stand in der Tür und telefonierte gerade mit ihrem Mann, als die Chefin sich an ihr vorbeidrängte. Sofort wurde das Stimmengewirr im Besprechungszimmer sehr viel leiser. Die hoch gewachsene Frau trug ein schwarzes Wollkostüm, schwarze Strümpfe und dunkelgrüne Lederschuhe. Ihre roten Haare waren offenbar mit einer Glanzwäsche aufgefrischt worden. Sie schaute kurz ihre Mitarbeiter an und setzte sich dann ans Tischende. Cato Isaksen wusste sofort, dass sie das schwarze Kostüm aus Achtung vor Preben Ulriksen trug.

Randi Johansen stand noch immer in der Türöffnung und diskutierte mit ihrem Mann. »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, habe ich doch gesagt, aber ich werde es versuchen.« Sie beendete das Gespräch und setzte sich neben Ingeborg Myklebust.

Plötzlich liefen Bilder von Palmen und zerstörten Stränden über den Flachbildschirm unter der Decke. Sie hörten Schreie und Stimmen. Sie sahen, wie Bretter, Boote und Menschen an Wänden zerschmettert wurden, und Gegenstände, die auf dem Wasser schwammen.

»Nicht schon wieder«, sagte Asle Tengs und stand auf.

Cato Isaksen dachte an die Worte des Gedichtes, das er in seinem Büro aufbewahrte. Nach und nach verlierst du deinen Körper, wegen der Nacht, in die du eingehst. Vor und nach dem Wort gibt es das Zeichen, und im Zeichen ist der Leerraum, in dem wir wachsen.

»Bei allem, was auf dieser Welt passiert, war nun ausgerechnet Preben am falschen Ort«, sagte Ingeborg Myklebust hart und sah Asle Tengs an, der zur Fernbedienung gegriffen hatte. Ein scharfes blaues Licht flackerte über den Schirm, dann wurde er dunkel. Es war jetzt ganz still im Zimmer. Cato Isaksen betrachtete die Tischplatte. Vor seiner Netzhaut tanzten vage Bilder von Preben in dem gierigen Wasser. Er hob das Gesicht und merkte, dass Ingeborg Myklebust ihn musterte. Cato Isaksen erwiderte ihren Blick einige Sekunden lang, dann riss er sich zusammen und berichtete über den Mord an Siv Ellen Blad.

Ingeborg Myklebust war im letzten Jahr zu Preben ganz besonders spöttisch gewesen, was ihr jetzt sicher zu schaffen machte, wo er allem Anschein nach in der über das Ferienparadies hereingebrochenen Riesenwelle verschwunden war. Cato Isaksen kannte seine Chefin gut genug, um zu wissen, dass ihr das den Schlaf raubte. Auch ihrem Gesicht war das anzusehen. Er betrachtete seine Vorgesetzte, während sie sprach, sah ihre roten Nägel und nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Sie war viele Jahre lang seine Feindin gewesen, aber das war jetzt vorbei. Vielleicht ist das ein schlechtes Zeichen, dachte er. Aber er hatte schon längst aufgegeben. Als sie einige Jahre zuvor schwer krank gewesen war, waren sie einander näher gekommen. Er hatte sie im Krankenhaus besucht, und sie hatte ihm die psychischen Probleme ihrer Tochter anvertraut. Roger Høibakk und den anderen machten inzwischen ihre Kommentare mehr zu schaffen als Cato Isaksen.

Roger Høibakk schüttete gerade einen Umschlag voller Bilder auf dem Tisch aus. »Die kriegen wir später noch digital«, sagte er.

Die Fotos des Tatortes waren auf dem Tisch verteilt. Siv Ellen Blads starrer Blick und ihr halb offener Mund glotzten sie an. Ewigkeitsblick nannte Cato Isaksen das. Er merkte, dass sein Hals beim Anblick des Todes prickelte. Es ärgerte ihn, dass er nach all den Jahren noch immer so reagierte. Er hatte im Laufe der Zeit so viele Bilder ausdrucksloser Totenmasken gesehen. Einige würde er niemals vergessen. Es konnte sich um Bagatellen handeln, Kleiderstoff, zerrissene Strümpfe, Schmuckstücke. Kleinigkeiten, wie man sie auf Bildern in Illustrierten sieht, verteilt und besprochen als Modeaccessoires des Frühlings. Das hier waren die Accessoires des Frühlings. Körper, die sich auflösten, verletzte Glieder, Stichwunden und Blutlachen. Tote Menschen waren wie leere Tafeln. Die Ermittler mussten die Flächen mit Schrift füllen. Roger Høibakk sah ihn an, und Cato Isaksen riss sich zusammen und hob zwei Fotos hoch. Eines zeigte die mit Graffiti besprühten Wände der Fußgängerunterführung. Das andere die Querwand des Altenheimes, das auf die Bahngleise blickte. Das Foto zeigte eine verschlungene Wandmalerei auf rotem Grund mit lila und gelb gefüllten Buchstaben.

Ellen Grue informierte die anderen darüber, dass der vorläufige Obduktionsbericht später am Tag vorliegen werde, zusammen mit einer Zusammenfassung der bisherigen Schlussfolgerungen der Technik. Dann legte sie Kopien aller Papiere vor, die sie in der Kommode im Haakon-den-godes-vei gefunden hatte. Vor allem der vom Musiker Pavel unterschriebene Brief erweckte das Interesse der Runde. Auch Axel Blads Zettel und das von Siv Ellen Blad nicht unterschriebene Trennungsgesuch wurden diskutiert.

»Wenn wir Glück haben, können wir den Fall bald lösen«, sagte Cato Isaksen. »Wir holen uns Axel Blad möglichst schnell, finde ich. Randi und Asle, ihr macht die Vernehmung.«

Roger Høibakk zog den Kamm aus der Hosentasche und fuhr sich damit durch die Haare. Cato Isaksen setzte sich auf seinem Stuhl besser zurecht. Er hob den Blick und sah aus dem Fenster. Die Wolken lagen nebelhaft und tief über dem Haus gegenüber, und es tropfte aus den Regenrinnen auf die Fensterbank.

Roger Høibakk wurde beauftragt, sich bei der Oper nach dem Musiker Pavel zu erkundigen und seine Adresse in Erfahrung zu bringen. Er erhob sich und verließ das Zimmer.

Der leere Rucksack, der bei der Bahnlinie gefunden worden war, war ein Werbegeschenk der Supermarktkette ICA. »Der Sack ist zur Analyse geschickt worden, und bald werden wir wissen, ob daran Fasern oder biologisches Material gefunden worden sind«, sagte Ellen Grue.

»Ein U-Bahn-Fahrplan liegt vor.« Stein Billington sah Cato Isaksen an.

»Ihr überprüft die aktuellen Abfahrten und sprecht mit den Fahrern«, sagte der. »Und du, Randi, gehst am Montagvormittag mit Axel Blad zur Gerichtsmedizin zur Identifizierung.«

Randi seufzte unhörbar und fuhr mit dem Finger die Tischkante entlang. Beim bloßen Gedanken an den Geruch auf den Gängen der Gerichtsmedizin wurde ihr schlecht. Cato wusste, dass sie den nicht vertragen konnte, aber irgendwer musste diese Aufgabe ja übernehmen. Außerdem hielt Cato es für einen Vorteil, dass sie eine Frau war, das machte es den Angehörigen leichter. Sie war da ganz und gar nicht seiner Ansicht.

Roger Høibakk kam mit einer Liste zurück, die von der Oper herübergefaxt worden war und die die Namen, Telefonnummern und Adressen aller Orchesterangehörigen enthielt.

Er hatte mit der Opernleitung gesprochen, und die hatte bereits einige Orchesterangehörige informiert. Angeblich hatten drei von ihnen Siv Ellen Blad besser gekannt als die meisten anderen aus dem Ensemble. Sie waren auf der Liste angekreuzt. Es waren zwei Frauen und ein Mann. Pavel Pletanek. Jenny Brown. Beate Norli.

Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi

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