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Einleitende Gedanken
ОглавлениеWas verbindet Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven mit Jean Philippe Baratier? Gemeinhin werden sie als Wunderkinder bezeichnet! Früher ist das eine durchaus übliche Bezeichnung für Kinder mit ungewöhnlichen Talenten gewesen. Heute ist das anders. Zwar haben die beiden genannten Musiker eine wesentlich größere Popularität erlangt als der junge Geistes- und Naturwissenschaftler Baratier, aber gemeinsam ist allen dreien neben ihrer Genialität die Tatsache, dass sie im 18. Jahrhundert geboren worden sind. In jenem Jahrhundert hat es eine Vielzahl an ganz besonders begabten Kindern gegeben, die sich aufgrund ihrer außerordentlichen musikalischen, sprachlichen oder mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten von gleichaltrigen Kindern ihrer Zeit abgehoben haben und daher als sogenannte »Wunderkinder« gefeiert worden sind.
Zu diesen Ausnahmeerscheinungen zählt Jean Philippe Baratier, der am 19. Januar 1721 geboren wurde. Wenngleich seine herausragenden Sprachkompetenzen zunächst nur innerhalb der bildungsbeflissenen höfischen Gesellschaft für Aufsehen sorgten, so erntete er doch alsbald allgemein Respekt und Bewunderung für seine Fähigkeiten. Besonders wichtig war für seine Entwicklung die bestandene Prüfung an der Universität Halle zum Magister Artium 1735. Im Alter von 14 Jahren, als Jüngster in diesem Kreis, erhielt Jean Philippe mit dieser Ernennung die gebührende Anerkennung und den Eintritt in die damalige Wissenschaftswelt.
Ohne Zweifel musste das Jahr 1721 ein ganz besonderes gewesen sein. Nur knapp drei Wochen nach der Geburt von Jean Philippe Baratier erblickte ein weiteres »Wunderkind« in Lübeck das Licht der Welt: Christian Heinrich Heineken (6. Februar 1721). Die beiden Knaben offenbarten bereits im frühesten Kindesalter außerordentliche Sprachfähigkeiten. Dennoch sah Immanuel Kant in ihnen nur »frühkluge Kinder«, wie Ingrid Bodsch in ihrer Abhandlung erwähnt. Vielleicht waren diese Begabungen für ihn gar nicht so ungewöhnlich, vielleicht nur »merk-würdig« im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Heineken konnte mit 14 Monaten das Alte Testament rezitieren, beherrschte mit zwei Jahren Französisch sowie Latein und mit knapp drei Jahren zählte er die Mitglieder aller europäischen Herrscherhäuser auf. Jean Philippe Baratier vermochte hier durchaus mitzuhalten. Mit fünf Jahren beherrschte er fehlerfrei vier Fremdsprachen. Als Sechsjähriger lernte er darüber hinaus Altgriechisch und die »heilige« Sprache Hebräisch. Während Christian Heinrichs Lebenslicht bereits in dessen vierten Lebensjahr am 27. Juni 1725 wieder erlosch, erblühten Jean Philippe Baratier sowie sein unbeschreiblich vielfältiges wissenschaftliches und naturwissenschaftliches Schaffen, das jedoch ebenfalls sehr früh endete: Im Alter von nur 19 Jahren starb Jean Philippe Baratier.
Betrachtet man das Leben dieses jungen Gelehrten, dann kann dies nur unter Einbeziehung seiner französisch-protestantischen Eltern geschehen, die ihn gemäß den religiösen Maximen von Jean Calvin erzogen haben.
Beide Elternteile mussten unabhängig voneinander Frankreich wegen ihrer calvinistischen Glaubensauffassung heimlich verlassen. Im Markgraftum Brandenburg-Ansbach konnten sie ihren Glauben in einer eigenständigen Kolonie als französisch-protestantische Gemeinde geschützt leben. Auch wenn die Mitglieder dieser französischen Kolonie viele Anfeindungen und Benachteiligungen durch die einheimische Bevölkerung erleben mussten, schafften sie es, bis heute als evangelisch-reformierte Gemeinde bestehen zu bleiben. Deshalb gehören die 300 Jahren alte Geschichte dieser Gemeinde und die Lebensbeschreibung von Jean Philippe Baratier zusammen; beide sind bis heute in Schwabach wichtig und sichtbar. Aus diesem Grund widmen sich der zweite und dritte Teil dieser Abhandlung der Entwicklung der evangelisch-reformieren Gemeinde.
Jean Philippe Baratier vor 1735. Kupferstich nach einem Gemälde von Antoine Pesne (1683–1757).