Читать книгу Berlin! Berlin! Robin fährt nach Berlin - Uwe Lange - Страница 10

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KAPITEL 4

„Das ist der Nils“, stellte er dann seinem Trainer den neuen Klassenkameraden beim Donnerstag-Training vor, als er bewusst etwas früher zu der Übungseinheit gefahren war, um mit seinem Coach zu reden. Robin berichtete Lohr dann ausführlich über die Sportstunde in der Schule, machte damit seinen Coach mehr als neugierig.

„Freut mich, Nils, dass du mit uns heute kicken willst. Falls du Fragen haben solltest, dann stell sie bitte an mich oder Robin, der ja mein verlängerter Arm auf dem Spielfeld ist“, ermutigte er den Schweden, sich in der Gemeinschaft der Blauen willkommen zu fühlen.

Nachdem sein Spielführer von den Vorzügen des Mitschülers so euphorisch berichtet hatte, warf Lohr sogar den Trainingsplan etwas um, wollte sich selbst ein erstes Bild von den Stärken und Schwächen des Jungen aus Göteborg machen. Robin hatte direkt nach seiner Rückkehr aus der Schule im Internet gegoogelt, um mehr über den Club aus dem hohen Norden zu erfahren. Die Blau-Weißen von Göteborg galten hinter Malmö als einer der erfolgreichsten Clubs des Landes, hatten fast 20 Mal den Meistertitel geholt und sogar zweifach den UEFA-Europapokal gewonnen, was Robin besonders imponierte. Er verglich sie mit den Borussen aus Dortmund, die hinter den Bayern oft die Kronprinzen-Rolle einnahmen, aber in seiner internen Beliebtheitsskala auf dem ersten Platz rangierten. Die Bilder von Göteborg, das an der Westküste des Landes lag, erinnerten Robin etwas an die Urlaube in Holland, die seine Familie fast schon traditionell und sehr häufig buchte, wenn sie ans Meer wollten. Damit war für Robin auch klar, dass ein jugendlicher Kicker eine solide Ausbildung in solch einem renommierten Club bekam, die ersten Eindrücke um Nils bestätigten dies ja praktisch schon.

Das Training verlief dann auch sehr spannend, da Lohr wie immer Übungen brachte, die seine Jungs mitrissen und nie langweilig waren. Auch hier waren die läuferischen Fähigkeiten von Nils deutlich zu erkennen. Wenn er antrat, gab es für kaum jemandem im Team eine Chance ihn noch einzuholen. Den Technik-Teil bildeten mehrere Gruppen zu jeweils drei Jungs, die sich in vollem Tempo und mit nur einer Berührung des Balles die Kugel zuspielten. Lohr beließ Nils bewusst in der Gruppe mit Robin und Erkan, da die als die besten Techniker der Mannschaft galten, ihn der direkte Vergleich interessierte. Der Ball lief wie am Schnürchen, passgenau und ohne jegliche Stolperschritte und Neustarts, wie es normalerweise oft der Fall war, bei den Schwächeren im Team sogar an der Tagesordnung. Das Dreiergespann harmonierte prächtig, ihnen selbst war der Spaß deutlich anzumerken, obwohl beim hohen Tempo der Übung der Schweiß sichtbar lief.

Als Lohr den Teil des Trainings beendete, um mit Schussübungen weiterzumachen, flüsterte er Robin im Vorbeilaufen zu: „Wow, nicht schlecht der Herr Pippi…“, was sein Kapitän mit einem stolzen „es geht doch nichts über ein gutes Scouting“ beantwortete.

Die Schussübungen bestanden aus mehreren Doppelpässen, bis es zum Torabschluss des Schützen kam. Schon bei Lohrs Amtsantritt war Robin aufgefallen, dass der neue Trainer alle Übungen nur einmal vormachte, um dann in den Hintergrund zu treten, die Jungs ihrem ´Schicksal´ überließ. Sein Vorgänger stand dagegen immer am Sechzehner, stoppte die Pässe der Schützen oder spielte sie zurück, um sofort den Torschuss zu kommentieren.

Als Robin bei einem Sommerfest seinen Coach auf diese Beobachtungen ansprach, begründete der seine Methode sogleich sinnvoll: „Wenn wir das weiterhin so trainieren würden, habe ich bei 20 Fußballern dann auch 20 Ballkontakte, ihr jedoch jeder erst nur den einen. Im richtigen Spiel darf ich ja nichts tun, kann euch keine Pässe perfekt vorlegen, ihr müsst da selbst mit klarkommen. Und der letzte Grund: Es sind mehrere Spieler in Bewegung und nicht nur der Ballspielende!“

Das leuchtete Robin ein, zumal man ja auch die Spielsituation real üben wollte und in der war eben ein Trainer nicht erlaubt, der durfte nur vom Spielfeldrand seinen Beitrag leisten. So startete man mit der ersten Übung, bei der Lohr mit dem Rücken zum Tor stand, während sich der Schütze ihm mit mehreren Doppelpässen näherte, kurz vor dem Strafraum abschloss. Hatte der, wie jetzt gerade Erkan, seinen Versuch mit dem Torschuss beendet, übernahm der die Position des Trainers, stellte sich auf und wartete auf die Bälle des Nächsten, der dann Nils hieß. Der passte sauber und mit der Innenseite zu Erkan, der ebenso akkurat auflegte und mit verfolgte, wie Nils Spannstoß halbhoch ins Netz rauschte.

„Gut gemacht Jungs, genau so soll das aussehen“, kam sofort das Lob für beide Spieler, während Erkan die Position verließ, um sie mit Nils zu tauschen. Lohr war sichtlich überrascht über die Wucht des Schusses von Nils aus vollem Lauf, der nicht nur präzise, sondern auch fest war.

So ging die Übung locker weiter, bis sie die alle einmal mit durchaus unterschiedlichem Erfolg durchliefen. Alle Jungs waren sichtlich bemüht, das Tor nicht zu verfehlen, da sich hinter dem Kasten eine Hecke befand, die den Sportplatz von einer Kleingartenanlage trennte. Setzte man den Schuss zu hoch oder ungenau an, landeten die Bälle in dem dornigen Gestrüpp oder den Blumenbeeten der Hobbygärtner. Lohr wählte bewusst dieses Tor anstelle des auf der anderen Seite befindlichen, als er bemerkte, wie er die Konzentration seiner jungen Kicker hochfahren konnte, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen. Die nächste Übung stand an, gleiches Passspiel nur dieses Mal mit dem Außenrist und dem abschließenden Spannkick. Auch hier das identische Bild: Nils Schuss zischte halbhoch in die Ecke, für Eddi im Kasten blieb da keine wirkliche Chance.

„He Manu, du darfst auch ruhig mal einen halten“, frotzelte Robin sofort mit seinem Torhüter, „so wird das nie was mit der Karriere in München.“

„Den hätte der Neuer auch nicht gehalten, der Typ hat ja einen Tritt wie ein Pferd“, kam sofort die Antwort aus dem Munde des talentierten Keepers.

Während die anderen Jungs weiter übten oder ihre Bälle aus dem Gebüsch holten, stellte sich Robin kurz zu seinem Trainer, schaute den fragend an.

„Ich bin da absolut bei dir, der kann uns weiterbringen“, gab der ihm sofort eine Antwort auf eine Frage, die Robin noch gar nicht gestellt hatte. „Bin aber auch auf seine Spielfähigkeiten gespannt, wenn er starke Gegner hat, sich seiner Haut erwehren muss, wie er auf Körperlichkeit reagiert“, schickte Lohr dann noch einen Satz hinterher, um mit seiner Trillerpfeife die Übung zu beenden.

„Wir machen nun ein Spiel über den ganzen Platz, auch wenn wir heute nur 20 Jungs sind, dann muss halt jeder etwas mehr laufen. Kommt bitte in den Mittelkreis, ich stelle die Teams zusammen.“

Seine Schützlinge versammelten sich und nahmen die gelben Leibchen in Empfang, um die Mannschaften farblich zu trennen. Üblich war es bei Lohr, dass er seinen Torhüter und die Viererkette davor zusammenließ, die dann gegen das Mittelfeld und den Sturm der ´Ersten Elf´ antrat. So herrschte zumindest im Trainingsspiel eine gewisse Ausgeglichenheit, die der Kader ansonsten nicht so hergab. Es waren fünfzehn Jungs, die das Niveau hatten, mit den Topteams der Liga mitzuhalten, aber auch die anderen acht Jungs waren klasse Typen und immer eifrig dabei. Sie zu frustrieren war das Letzte, was der Trainer wollte. So spielten also Robin und Nils in einem Team, während auf der Gegenseite Eddi und Erkan auf deren Angriffe lauerten.

Lohr unterhielt sich vor dem Start noch ganz kurz mit Erkan, bat den knallharten Verteidiger sein Augenmerk besonders auf Nils zu richten, der über links kommen würde: „Aber lass ihn bitte leben, er ist immerhin einer von uns“, flüsterte er noch lachend hinzu, bevor er den Ball freigab.

Nils beorderte er auf Linksaußen, da der diese Position nach seinen eigenen Aussagen in Schweden auch lange Jahre gespielt hatte. Dem Trainer gefiel, dass der Junge in der Lage war beidfüßig zu agieren, obwohl der linke Fuß eindeutig der stärkere war.

Erkan freute sich auf das Duell, hatte er doch einen Tag zuvor in der Schule zwei „sehr schmerzhafte Niederlagen“, erlitten wie er Robin schelmisch grinsend übermittelte. Sein Ehrgeiz war dennoch angestachelt, galt er doch als Platzhirsch der Abwehr, bangte darum seinen „guten Ruf zu verlieren“, wie er den Freund voller Pathos hatte wissen lassen.

Die Partie begann mit dem üblichen vorsichtigen Geschiebe, zumal jeder Akteur den anderen mehr als gut kannte, aus den gemeinsamen Jahren um dessen Stärken aber auch Schwächen wusste. Robin übernahm langsam das Kommando im Mittelfeld, sendete den ersten Pass auf Linksaußen, wo Nils schon lauerte, auf die Abgabe hoffte. Der stoppte den Ball nur kurz, leitete ihn an seinen Mittelstürmer weiter, der sich aus der Abwehr gelöst hatte, um eine Anspielstation zu bieten. Dieser spielte nun den auf ihn zu eilenden Verteidiger aus, um dann das Leder Richtung Eckfahne zu passen. Nils war den Bewegungen gefolgt, brachte sich flugs in Position, wartete dort zwei Meter vor der Außenlinie, als der Ball ihn erreichte. Ohne zu zögern schlug er eine weite, hohe und mit viel Effet getretene Flanke vor das Tor von Eddi, die dann am zweiten Pfosten herunterkam. Sie passierte Freund und Feind, erreichte mit Abdul den Rechtsaußen der Angreifer, der mit einem Kopfball seinen Torhüter prüfte, von dem aber grandios pariert wurde.

„Alle toll, Weltklasse-Parade Eddi…ach was, Manu“, war der Trainer voll des Lobes für den Spielzug, dessen Ausführung und die Verhinderung des fast sicheren Tores durch den Keeper.

Erkan war bei Nils´ Flanke etwas zu spät gekommen, hatte den Fuß zum Blockieren noch schnell herausgestreckt, war dennoch von dessen Direktabnahme etwas überrascht worden. „Erkan, noch näher…“, rief sein Trainer ihm dann zu, was dem Angesprochenen sofort auch selbst bewusst geworden war.

„Geht klaro, Coach“, kam nickend die Antwort vom Verteidiger im gelbroten Trikot seines Istanbuler Lieblingsclubs.

Die nächsten Minuten gehörten dann auch dem Duell der beiden Kumpels auf der linken Seite. Erkan war intelligent genug, sich nicht auf Laufduelle gegen Nils einzulassen, für die Erfahrungen aus dem Sportunterricht hatte er Lehrgeld bezahlt. So ließ er Nils zunächst den Raum in Höhe der Mittellinie, um dann, wenn die erste Abwehrzone seines Teams überlaufen war, in eine Art Manndeckung zu gehen. Nun stand er Nils praktisch auf den Füßen, obwohl der seine individuelle Klasse weiterhin zur Geltung brachte, aber eben auch oftmals durch ein langes Bein des Verteidigers gebremst wurde. Die Flanken kamen dennoch präzise und mit viel Schnitt vors Gehäuse, doch Robin fand bei weitem nicht mehr so häufig die Möglichkeiten zur Passabgabe an Nils, da dem der nötige Raum zur Entfaltung fehlte. Aber auch Nils erkannte nach kurzer Zeit die veränderte Situation, ließ sich zurückfallen, wechselte auch die Seite, um Erkans Schatten zu umgehen. Der Trainer musste sich schmunzelnd eingestehen, selten ein so kurzweiliges Trainingsspiel gesehen zu haben, seine Schützlinge boten Fußball vom Feinsten für diese Altersgruppe.

„Und so langsam spielen sie Fußball mit dem Kopf“, erzählte er am späten Abend seiner Frau, als die ihren gut gelaunten Ehegatten nach dem Training zu Hause begrüßte und nach den Gründen seiner überragenden Stimmung fragte.

Lohr erklärte nach 30 weiteren Minuten das Training für beendet, lobte seine Jungs für deren tollen Einsatz ausdrücklich und schickte die mit einem „Ich freue mich schon auf den morgigen Freitag mit euch!“ nach Hause.

Nils nahm er direkt beiseite, fragte den nach seinen ersten Eindrücken.

„Ich hatte viel Spaß, das war ein cooles Training und ich mag auch die Jungs, für die ich von der ersten Minute an kein Fremder war, die mich so herzlich aufgenommen haben“, zog Nils ein positives Fazit der ersten 90 Minuten mit den blauen Mitspielern.

„Kannst du dir vorstellen, bei uns zu bleiben, für das Team zu spielen?“, stellte Lohr die wichtigste Frage hinten an, wartete mehr als gespannt auf die Antwort des 16-jährigen.

„Ihr habt dieselben Trikotfarben wie mein alter Verein, wenn das nicht sogar ein echtes Zeichen ist. Und: Ja, ich komme gerne wieder!“, setzte Nils ein Ausrufezeichen hinter seine Zusage.

Lohr drückte ihm erfreut die Hand: „Na dann, willkommen im Club!“

Berlin! Berlin! Robin fährt nach Berlin

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