Читать книгу Berlin! Berlin! Robin fährt nach Berlin - Uwe Lange - Страница 11
ОглавлениеKAPITEL 5
Seit diesem Donnerstag stand Nils im Kader der Blauen. In der Phase der Vorbereitung traf man sich von Dienstag bis Freitag zum Training, und wer noch Lust verspürte, kam am Samstag zu einer freiwilligen Einheit. Auch die war stets gut besucht, da eher locker gedacht, der spielerische Spaß im Vordergrund stand, während konditionellen Übungen nicht der Fokus galt.
Einer, der sich seit dem Saisonstart immer blicken ließ, hieß Abdul und war ein neuer Stürmer.
An einem der letzten Trainingstage der abgelaufenen Saison wurde er erstmalig am Sportplatz gesichtet. Robin erinnerte sich, dass er ihn mit drei weiteren Personen bei seinem Trainer stehen sah, die Beteiligten diskutierten heftig, die ältere Dame mit grauen Haaren und einer dicken Brille dominierte mit der meisten Redezeit. Sie erinnerte ihn ein wenig an seine ehemalige Pfarrerin aus dem Konfirmanden-Unterricht, die immer sehr resolut auftrat, aber ein goldenes Herz für ihre Gruppe besaß, obwohl die mitten in der Pubertät sicherlich nicht einfach zu führen war. Die beiden anderen älteren Herrschaften hatten einen dunkleren Hautteint, der Junge an ihrer Seite ebenso. Mann und Junge sahen sich sehr ähnlich, so dass Robin auf Vater und Sohn tippte, die Dame somit die Mutter sein konnte. Nach langen Minuten löste sich die Gruppe dann auf, verabschiedete sich von seinem Trainer und ging von der Sportanlage.
Lohr wirkte nachdenklich nach dem Gespräch, als er zurück zur Umkleidekabine kam, so dass Robin ihn ansprach: „Alles gut bei dir, Coach?“
Der Angesprochene blickte kurz auf, um Robin dann zu antworten: „Ich hatte soeben ein Gespräch mit der Sozialbehörde und einem Ehepaar aus Afghanistan mit drei Söhnen, darunter einen in eurem Alter.“
„Ja und? Was wollten die von dir?“, ließ Robin nicht locker.
„Das ist eine abenteuerliche Geschichte, denn die Familie ist aus ihrer Heimat geflüchtet, hat alles von heute auf morgen hinter sich gelassen. Sie sind dann hier in Hessen gelandet, wurden in einem Heim für Flüchtlinge untergebracht, immer in der Hoffnung hier bei uns bleiben zu können.“
Robin lauschte der Geschichte gespannt, oft sah er im Fernsehen solche Berichte, nur dieses Mal war es real und greifbar.
„Sie sind nun schon über zwei Jahre hier, durften weder arbeiten gehen noch sich wirklich am sozialen Leben beteiligen, fast wie ein Gefängnis oder aus ihrer eher positiven Sicht, ein goldener Käfig.“
Seinem Kapitän wurde bewusst was solche Maßnahmen bedeuten, sprach sein Vater schon häufig über die „langsam mahlenden Mühlen“ der Behörden im Lande, was das Schicksal dieser Menschen zusätzlich belaste.
„Doch jetzt kam in der vergangenen Woche die gute Nachricht durch die Ausländerbehörde, ihr Verfahren wurde beendet, dem Asylantrag stattgegeben. Die Dame vom Amt, die die Eltern begleitete, da sie noch zu wenig Deutsch sprechen, fand für die Familie hier im Ort eine nette Wohnung, für den Vater eine Arbeit bei einem Autobauer, während die Mutter einen Teilzeitjob in der Altenpflege übernehmen kann. Die drei Jungs sollen nach dem Sommer hier zur Schule gehen, die Vorstellungstour mit ihnen findet gerade statt. Einer der drei - eben Abdul - sei ein großer Fußballfan, hat die Zeit im Lager fast nur mit dem Kicken verbracht und würde zu gerne so richtig in einem Team spielen.“
„Ok, und wo ist nun das Problem?“, wollte Robin gerne von seinem Trainer ein Happy End der Story hören.
„Frau Gröger, das ist die Dame mit der Brille, wollte von mir wissen, ob wir den Jungen aufnehmen würden, um wieder ein wenig Normalität in dessen Leben zu bringen.“
„Und was hast du gesagt, wie lautete deine Antwort?“, ließ Robin nicht locker, der Coach sollte endlich Tacheles reden.
„Ich habe natürlich gesagt, dass wir das mehr als gerne machen, damit gar kein Problem haben, zumal der Junge schon recht gut Deutsch spricht, wenn auch noch gebrochen.“
Lohr machte eine kurze Pause, um dann fortzufahren: „Frau Gröger sprach nun ganz offen über die Probleme ihrer täglichen Arbeit, die Aufgaben, die auf sie zukommen, sobald ein Flüchtling untergebracht werden soll. ´Liebend gerne, aber bitte nicht bei uns´, habe sie mehr als oft gehört, die Akzeptanz sei da, solange man nicht selbst betroffen ist. Sie bat um eine offene und ehrliche Antwort, ob ich da Probleme sähe oder ob es im Umfeld dann schwierig werden könnte.“
Robin konnte sich solche Aussagen überhaupt nicht vorstellen, hielten doch viele nach der Ankunft der ersten Flüchtlingswelle große Schilder mit der Aufschrift ´Refugees welcome´ hoch, was in seinen Augen quasi einer Einladung gleichkam.
„Ich habe Frau Gröger gesagt, dass unser Team im gesamten Club die Multi-Kulti-Truppe No.1 sei, wir viele Spieler mit einem Migrationshintergrund bei uns wüssten, ob sie nun türkische, italienische oder spanische Wurzeln mitbringen. Wenn überhaupt, dann würde das bei unserer Truppe funktionieren, ich hätte da absolut keine Bedenken,“ berichtete Lohr, wie er der Dame vom Amt deren Sorge nahm. „Abdul kommt dann nach der Sommerpause zu uns ins Training, ich wäre dir dankbar, wenn du dich als Kapitän zunächst etwas kümmern könntest“, äußerte der Coach noch eine Bitte, bevor die beiden auf dem Spielfeld zu den bereits Wartenden stießen.
Wie erwartet, war Abdul dann auch überpünktlich zum ersten Training nach dem Sommer erschienen, zu dem Robin ihn begrüßte und den anderen Jungs vorstellte. Die waren weder überrascht noch irgendwie voreingenommen, freuten sich eher auf das erste Training nach so langer Zeit. Robin hatte da auch keinerlei Bedenken gehabt, zumal in ihrer Region durch den nahen internationalen Flughafen die Begegnung mit fremden Kulturen an der Tagesordnung war. Er drehte sich nicht einmal um, wenn Menschen mit anderen Hautfarben oder Nationalitäten seinen Weg kreuzten, eben ein Stück gelebte Normalität für alle. In der Kabine angekommen, wies er Abdul einen freien Platz zu, da sich die Jungs über die Jahre fast abergläubisch ihre Stammplätze sicherten und zu ihrem Reich erklärten.
„Hier ziehen wir uns um, aber die schmutzigen Fußballschuhe bitte schon vor der Tür ausziehen“, fing Robin mit dem kleinen ABC der Kabinenordnung an.
Abdul senkte den Kopf, seine dunklen Augen blickten Robin unsicher an: „Nicht haben Schuhe“, sagte der Junge aus Afghanistan, „immer mit nackte Fuße spielen.“
„O.k., kannst du mit den Turnschuhen kicken, die du anhast?“, versuchte Robin die Situation pragmatisch zu lösen.
„Ja, gehen wird“, freute sich Abdul, nicht gleich wegen des fehlenden Schuhwerks ausgeschlossen zu werden.
„Besitzt du Schienbeinschoner?“, war direkt die nächste Frage, die aufkam.
„Was ist? Kenne die Wort nicht“, schaute Abdul seinen Fragesteller mit einem treuherzigen Blick an.
Robin zeigte ihm seine, die Antwort war ihm aber schon vorab klar. Er packte ein zweites Paar aus, das er immer bei sich trug, um den oft allzu vergesslichen Teamkollegen im Notfall an Spieltagen zu helfen.
„Danke!“, kam sofort die Reaktion des Afghanen, seinen dankbaren Blick sollte Robin lange Zeit nicht vergessen.
Er zeigte Abdul noch schnell den richtigen Sitz der Schoner, bevor man gemeinsam die Kabine verließ. Robin schloss sie als Letzter ab, gab seinem Trainer dann den Schlüssel. Lohr kam zu seinem Team, überreichte einem jeden Einzelnen einen der funkelnagelneuen Bälle, die ein Sponsor für die neue Spielzeit gestiftet hatte.
Auch Abdul erhielt eines der Exemplare, schaute ihn vorsichtig an, als ob er eine tickende Zeitbombe in der Hand hielt. „Fur mir?“
„Ja, der ist heute deiner. Jeder Spieler hat im Training seinen eigenen Ball, pass gut auf ihn auf, ich sammele sie später wieder ein“, beantwortete Lohr die ungläubig gestellte Frage.
Während der Übungen war dann Abduls Bewegungstalent zu erkennen, er verfügte über ordentliche technische Grundlagen, auf die es sich bauen ließ, war schnell und ging keinem Zweikampf aus dem Weg. Wurde ihm der Ball abgenommen, ging er sofort hinterher, als ob man ihn persönlich mit der Wegnahme des Spielgerätes beleidigte. Im Prinzip bewegte er sich das komplette Training über, ein Stillstehen oder sogar Abwarten war ihm gänzlich unbekannt. Taktisch hingegen bot er ein einziges Fiasko, der Straßenfußballer kam durch, für den es stets hoch und runter ging, er einfach nur immer in Höhe des Balles sein wollte. Lohr erkannte dies schnell, beorderte ihn zunächst beim Spielchen in den Sturm. Dort würde er zunächst keinen großen Schaden anrichten, bis er Lohrs Vorstellung von Defensivarbeit besser verstand. Diese wurde der Trainer nicht müde, seinen offensiven Kräften immer wieder ans Herz zu legen und zu predigen.
Ganz vorne zeigte Abdul ein Näschen für die Situation: Wo andere schon längst aufhörten zu spielen, setzte er nach, war wie eine Klette, provozierte Fehler, um sie dann für sich zu nutzen. An allen guten offensiven Aktionen war er beteiligt, verfügte über einen eingebauten Torriecher für den Platz, an dem er vor dem Tor stehen musste, um erfolgreich zu sein.
Beim Abendessen biss Robin etwas nachdenklicher als sonst in sein Brot, was seinem Vater sofort auffiel und diesen nachfragen ließ, was ihn beschäftigte.
„Alles o.k. bei mir Dad, es gibt aber so Tage im Leben, wo einem bewusst wird, wie gut es einem eigentlich geht“, erklärte der seine Gefühle.
Diese Aussage rief seine Mutter lächelnd auf den Plan: „Höre ich da eine gewisse Art der Selbstfindung oder gibt es einen konkreten Anlass für diese positive Aussage zu unserem oft unterschätzten Status?“
Robin erzählte seiner Familie das heute Erlebte und die Geschichte des Flüchtlings aus Afghanistan: „Ich habe moderne und schicke Kleidung, bekomme jedes Jahr neue Fußballschuhe, obwohl die alten eigentlich noch in Ordnung sind. Also praktisch alles, was mir im Prinzip gefällt. Ich muss mir keinen Kopf über viele Dinge machen, die dann so selbstverständlich sind. Abends sitzen wir wie jetzt nett zusammen, essen die Sachen, die uns schmecken, um das dann jeden Tag zu wiederholen“, wirkte der Junior fast etwas schuldbewusst über sein Leben aus den Vollen.
„Ja, das Jammern auf hohem Niveau ist uns Menschen wohl von der Natur mitgegeben, anstatt auch einmal kurz inne zu halten“, wurde der Vater für eine kurze Zeit fast philosophisch, freute sich aber auch von seinem Sohn einen nachdenklichen Satz anstelle der oft praktizierten Oberflächlichkeit der Jugend zu hören.
„Könnt ihr eurem Neuen nicht irgendwie helfen?“, war die pragmatische Jessica wieder in das Jetzt zurückgekehrt, nun auf der Suche nach Lösungen für Abdul. Robin liebte die soziale Ader seiner Schwester, ihre Einstellung für Andere stets da zu sein, ohne lange nach dem Warum zu fragen.
„Daran habe ich auch schon gedacht, ich werde das gleich morgen früh in der Schule mit den Anderen besprechen“.
In der ersten Pause traf er sich dann auch mit Erkan, Karsten und Alex in einer Ecke des Schulhofes, um mit ihnen eine mögliche weitere Vorgehensweise zu besprechen. Alex hatte er ebenso zu dem Termin gebeten, obwohl der kein Mitglied in der Mannschaft war, aber eben durch seinen politisch engagierten Vater über 1a-Kontakte verfügte. „Wir fragen uns mal bei allen durch, wer uns wie helfen kann, ob nun mit Schuhen oder Sportsachen. Ob die neu, getragen oder gebraucht sind, ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass sie noch nutzbar sind!“, war das erste Fazit des Meetings der Freunde.
Schon zwei Tage später kam es zur Meldung des ersten Erfolges, den Erkan verzeichnen konnte. Er brachte die Fußballschuhe seines älteren Bruders mit, der mit dem Jura-Studium in Frankfurt seine sportliche Karriere aus Zeitgründen für zunächst beendet erklärt hatte, wobei für ihn auch zuvor die ganze Kickerei nur ein Hobby gewesen war. Die Idee, ein paar seiner Schuhe zu stiften, hatte auch Robin gehabt, was aber an den großen Füßen von Abdul gescheitert war.
„Mit denen kann man Flächenbrände austreten“, hatte Erkan süffisant nach Betrachtung der Turnschuhe von Abdul festgestellt. Sein Bruder lebte aber auch ´auf großem Fuß´, die Schuhgröße war mit der Abduls fast identisch. Der opferte mit einem gespielten Seufzer seine fast neuen Markentreter, prophezeite dem kommenden Träger eine große Karriere, da die Schuhe eben zuvor von ´einer nun pensionierten Berühmtheit´ getragen worden seien.
Robins Mutter hingegen nutzte einen ihrer zahlreichen Flohmarktbesuche, um für kleines Geld ein neues Paar Schienbeinschoner zu kaufen, stellte diese ihrem Sohn und seiner Aktion zur Verfügung.
Der war kurz davor, diese schicken bunten Dinger für sich selbst zu nutzen, um Abdul die bereits beim Training ausgeliehenen Gebrauchten zu überlassen, verwarf die Idee nach kurzer Zeit aber wieder, nachdem er sich selbst eine visuelle Ohrfeige für die ´kranke Idee´ gab.
Den Vogel schoss jedoch - wie fast erwartet - Alex ab, der zu seinem Vater ins Bürgeramt geeilt war und fast eine Sitzung des Gemeinderats unterbrach. Doch er stoppte gerade noch rechtzeitig vor der Glastür des Sitzungssaals, so dass der Bürgermeister seinen Sohn dort aber gut erkennen konnte. Er deutete mit einem Zeigen auf die Armbanduhr und dem Heben von fünf Fingern an, in Kürze Zeit für ihn zu haben. Bald darauf gesellte sich der Vater tatsächlich zu seinem Sohnemann, der es sich inzwischen im Vorzimmer bequem gemacht hatte, zumal die nette Sekretärin Alex eine Limonade spendierte, die er nun genüsslich austrank.
„Welch angenehme Überraschung und hoher Besuch in meiner armen Hütte“, kommentierte der Vater das Erscheinen des Sohnes mit ironischem Unterton, aber sichtlich erfreut. Alex störte den Bürgermeister normalerweise nicht bei der Arbeit, die privaten Vater-Sohn-Dinge klärten sie sonst am Abend zuhause.
„Ein echter Notfall“, eröffnete der Sohnemann nun die Unterredung, erklärte seinem Dad in wenigen aber präzisen Worten die Situation und den Grund seines Besuches.
„Da lässt sich sicherlich etwas machen, ich kümmere mich darum“, hörte der Vater geduldig zu und stellte eine Lösung in Aussicht.
Alex drückte seinen Vater kurz, um sich dann bei ihm zu verabschieden. Ein Nachmittags-Kurs der freiwilligen Foto AG rief ihn zurück an die Schule.
„Und besten Dank für die Cola, Frau Hassinger“, vergaß Alex auch nicht die gute Bewirtung seiner Person durch die Vorzimmerdame. Die blickte überrascht hoch, war sie diese Art der Höflichkeit seitens der Jugend nicht wirklich gewohnt.
„Mein Sohn eben“, lachte der Bürgermeister, als er den Blick seiner Angestellten wahrnahm, ihren Gedanken förmlich ahnen konnte.
Abends trafen Vater und Sohn dann wieder aufeinander und der Dad präsentierte Alex eine große Sporttüte, dessen Inhalt er nun auspackte. Nach der Versammlung war der Bürgermeister direkt zum lokalen Sportgeschäft gefahren, dessen Inhaber er schon lange durch die gemeinsamen Tennisaktivitäten kannte. Er trug dem Chef von Sport-Günter sein Anliegen vor, der nicht lange zögerte, ihn sofort in das kleine Lager schleppte, das direkt an den Verkaufsraum des Ladens grenzte.
Nach einigem Suchen und Wühlen in diversen Kartons und Regalen grub der Besitzer einen Trainingsanzug aus, den er jetzt prüfend hochhielt.
„Wie wäre es denn damit?“, präsentierte er das schicke Set eines renommierten amerikanischen Herstellers, der bei allen Kids dieser Welt ´in´ war. „Den kann ich nicht mehr verkaufen, wir haben damals bei der Beflockung das Logo des Vereins verkehrt gedruckt, jetzt guckt der Adler leider in die falsche Richtung“, erklärte Günter dem staunenden Tenniskumpel den Fehler seines Assistenten, der ihn heute noch ärgerte.
„Was willst du denn dafür noch haben?“, zeigte sich der Freund sehr angetan von der Idee.
„Um Gotteswillen, nichts! Den habe ich schon vor längerer Zeit ausgebucht, bin nur nicht dazu gekommen, ihn zu entsorgen.“ Günter war noch zwei Schritte weitergegangen, zauberte aus einem anderen Karton ein weißes T-Shirt mit dem Werbeaufdruck seines Sportshops, welches sogar noch in der Originalverpackung war. „Ein bisserl Eigenwerbung sollte erlaubt sein, ist in Alex` Größe, dann sollte es eurem Schützling auch passen“, packte er die Sachen in eine Tüte, seufzte noch ein „ich sollte wirklich wieder einmal in dem Stall aufräumen“, bevor er den Bürgermeister zur Tür brachte und dort verabschiedete.
Der schüttelte ihm kräftig die Hand, setzte sich mit den Worten: „Du hast dann einen gut bei mir!“ ins Auto und fuhr zurück ins Büro.
Die Bestandsaufnahme der eifrigen Sammler brachte schließlich einen funkelnagelneuen Trainingsanzug, ein Paar gut erhaltene Treter mit Noppen, die Schienbeinschoner, ein schickes T-Shirt und ein paar Stutzen, die der eitle und modebewusste Karsten bei der letzten Weihnachts-Tombola des Clubs gewonnen, aber nicht als ´seine Farbe´ betrachtet hatte.
Beim nächsten Training überreichten die Jungs ihrem Mitspieler die Sachen, nachdem sie sich zunächst Gedanken zur Übergabe machten.
„Ich will nicht, dass Abdul das als Almosen empfindet, wir ihn - wenn auch eigentlich gut gemeint - irgendwie beschämen“, blitzte bei Robin die nachdenkliche Ader auf, die er schon als kleiner Junge besaß.
„Glaube nicht, dass Abdul das so empfindet, wenn aus seinem Team eine solche Aktion für ihn kommt. Wir machen da ja keine große Affäre draus, brüsten uns nicht mit der guten Tat. Ich wollte das alles auch nicht an die große Glocke zu hängen“, zeigte Erkan sich zuversichtlich, nicht unabsichtlich in ein Fettnäpfchen zu treten. Er sollte Recht behalten, denn Abdul war sichtlich fassungslos, als ihm Robin die große Tüte überreichte und ihm von den Spendern erzählte.
„Alles fur mir?“, staunte der Beschenkte, um sogleich die neuen Sachen anzuprobieren. Der Anzug war noch etwas groß, was Abdul pragmatisch löste, die Beine und Arme kurzerhand hochkrempelte, das nun Saloppe die wahre Größe geschickt übertünchte. Auch die Noppentreter waren ein klein wenig zu groß ausgefallen, was Robin mit dem Hinweis auf ein dickeres Paar Socken löste, dass Abdul dann unter den Stutzen trug.
Lustig wurde es im folgenden Training, als Abdul zum ersten Mal mit richtigen Fußballschuhen übte, dadurch das eine oder andere Mal noch gewisse motorische Schwächen offenbarte, die dem ungewohnten neuen Schuhwerk geschuldet waren.
„Andere Gefuhl als nackig Fuße“, erkannte der selbst, präsentierte unermüdlich und stolz wie ein Spanier seine Schuhe dem Rest des Teams, die mit dem Daumen nach oben ihre Freude mit Abdul teilten. „Ich sei sehr glucklich“, sprach er zu den Jungs, bedankte sich höflich für die hübschen Dinge, die sie für ihn organisiert hatten.
„Manches Mal ist es so einfach, einen Menschen in die Glückseligkeit zu bringen“, sagte Robin bei der Heimfahrt auf dem Fahrrad zu Erkan, bewertete dessen wortloses Nicken als Einverständnis.
„Heute waren wir für Abdul das Christkind, der Weihnachtsmann und der Osterhase in einem“, erzählte er mit einer gewissen Zufriedenheit seinen Eltern das Happy End der Geschichte. Als er mit verschränkten Armen hinter dem Kopf im Bett lag, ließ er den Tag noch einmal an sich vorbeiziehen. Irgendwann übermannte ihn die Müdigkeit und Robin schlief mit einem Lächeln im Gesicht ein.