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PROLOG

Der Pfiff war laut und durchdringend, für einige der Spieler fast schmerzhaft in den Ohren zu spüren. Schiedsrichter Benjamin Reiter hatte fest in seine FOX 40 gepustet, lief mit schnellen Schritten auf den Strafraum zu. Dort angekommen, deutete der Unparteiische auf den weißen Punkt, der die Elfmeter-Markierung kennzeichnete. „Strafstoß für Blau, die ´2´ von Gelb hat die ´10´ am Standbein getroffen“, erklärte der erfahrene Referee seine Entscheidung.

„Nie und nimmer…habe den doch überhaupt nicht berührt“, schrie der Verteidiger mit der Nummer Zwei von Gelb den Mann in Schwarz an.

„Das können Sie doch jetzt nicht pfeifen, Schiri, wir sind schon in der letzten Minute, das darf doch nicht wahr sein!“, pflichtete der Kapitän der Gelben seinem Abwehrspieler bei, während immer mehr Spieler eine dichte Traube um den Spielleiter bildeten.

„Was gibt es da überhaupt zu diskutieren, der tritt mich doch klar um, ansonsten mache ich den doch locker rein!“, wollte nun auch der soeben Gefoulte der Blauen seinen Beitrag zur allgemeinen Diskussion liefern.

„Ein Foul dieser Art muss ich sowohl in der ersten Minute einer Begegnung als auch in der letzten ahnden, da darf ich keinen Unterschied machen“, sprach Reiter nun wieder den `C` der Gelben an, der ihn fast verzweifelt anblickte. „Und Ihnen - Nummer 2 - muss ich auch noch wegen des Foulspiels die Gelbe Karte zeigen“, ging der Schiedsrichter zwei Schritte auf den hünenhaften Abwehrrecken zu, um diesem den Karton zu präsentieren.

Die 78.000 Zuschauer im ausverkauften Berliner Olympiastadion tobten, die es mit Gelb hielten, riefen „Betrug!“ und sprachen von einer krassen Fehlentscheidung, die meisten Fans der Blauen hielten schon atemlos die Luft an, ihre Stimmen überschlugen sich im Eifer des Gefechts. Es war die 89. Minute des Pokalendspiels, die beiden Teilnehmer hatten sich einen grandiosen Kampf geliefert, die Presse sollte später von einer ‚wahren Schlacht‘ sprechen, der Spielstand von 2:2 war zu diesem Zeitpunkt ein gerechtes Ergebnis für die gezeigten Leistungen.

„Ich warte noch den VAR aus Köln ab“, deutete Reiter den beiden Spielführern die Überprüfung seiner Entscheidung durch den Video-Assistenten an, während er versuchte, die Rudelbildung der aufgeregten Spieler um sich etwas aufzulösen.

„Wer wird den Strafschuss ausführen?“, rief der Kommentator der ARD in sein Mikrofon. „Wer hat die Nerven, in den letzten Sekunden einen kühlen Kopf zu bewahren, wird diese Partie womöglich entscheiden?“ Matthias Ehmke blickte etwas ratlos hinüber zu seinem Co-Kommentator Max Schmidt, der als früherer Profi das Finale als Experte begleitete.

Schmidt, der als ehemaliger Torjäger so manchen Strafstoß verwandelt hatte, blies zunächst die Backen auf, rollte mit den Augen: „Der etatmäßige Schütze ist Robin Sommer, nur hat der ja im letzten Bundesliga-Spiel der Saison einen Elfer verbombt, seine Concordia damit um einen Europaliga-Platz gebracht. Weiß nicht, ob der Coach ihn nochmals ranlässt…“, stellte der ´Maxe´, wie ihn alle früher nur nannten, ein weiteres Fragezeichen in den Raum, während er sein Mikrofon fest umklammerte.

„Reiter kehrt zurück vom Spielfeldrand, nachdem er sich die Szene erneut am Bildschirm angesehen, wohl Rücksprache mit Köln gehalten hat“, übernahm Ehmke wieder das Kommando am Mikrofon. Die Spannung auf die Entscheidung des Referees war in seinen Worten mehr als deutlich zu spüren. Der lief ein paar Schritte auf das Spielfeld zurück, deutete beim Laufen die Form eines Bildschirms an, um dann mit dem ausgestreckten Arm Richtung Strafraum zu zeigen. „Er gibt ihn, Elfer bestätigt!“, schrie ein nun mehr als atemloser Reporter in die brodelnde Masse.

Sein Nachbar wurde währenddessen schon wieder sachlicher: „Den muss er geben, ich habe mir jetzt die Szene fast ein Dutzend Mal angeschaut, Renner trifft Hoffmann voll in der Wade, nimmt dessen Standbein den Halt!“

Auf dem Rasen waren die Diskussionen etwas weniger geworden, die Spieler gingen auf ihre Positionen um den 16-Meter-Raum, während die Fotografen mit ihren Objektiven den vermeintlichen Schützen suchten, der noch nicht klar zu erkennen war.

„Robin Sommer nimmt sich den Ball, geht nun mit diesem zum Punkt, das ist mutig“, schnaufte der stets so emotionale Ehmke in sein Mikro, fast so aufgeregt, als ob er den Elfer selbst würde treten müssen.

„Andererseits hat Sommer in den letzten Jahren auch viele souverän verwandelt, ohne ihn stünde die Concordia heute gar nicht hier im Finale im Berlin. Sein goldener Schuss im Halbfinale brachte die Jungs von Coach Schmitt ja erst in die Hauptstadt“, ergänzte Max Schmidt seinen aufgeregten Kollegen, aber auch ihm war die Anspannung deutlich anzumerken.

Der Schütze bekam von all der Hektik auf der Pressetribüne nichts mit. Sommer legte den Ball fast zärtlich auf den Kreidepunkt und ging langsam ein paar Schritte zurück, während es im ausverkauften Stadion beinahe totenstill wurde. Sein Blick war nur auf den Ball gerichtet, er schien alles um sich herum vergessen zu haben, als der Pfiff des Schiedsrichters zur Schussfreigabe ertönte. Sommer blies sich noch eine blonde Locke aus der Stirn, dann lief er an…

Berlin! Berlin! Robin fährt nach Berlin

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