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Kapitel 9

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Januar 2008, Russland, Smolensk

Anton Denisjenko. Zwanzig Jahre danach


Noch in Moskau hatte mir Rusanna, eine Freundin aus dem Studium, von einem neuen Internetportal «Klassenkameraden» erzählt; viele hätten dort ihre Freunde aus der Schule und der Hochschule wiedergefunden.

Als ich mich dann schließlich dort registriert hatte, hielt ich im Wesentlichen nur mit denjenigen Kontakt, mit denen ich auch sonst bereits in Verbindung stand.

Eines Abends sah ich das Postfach durch – und als ich den Absender und die Mitteilung erblickte, wurde ich starr, mir stockte der Atem.

«Hallo, Lerka! Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst. Wir waren in Kirow in derselben Klasse. Ich bin dann nach Smolensk gezogen. Wenn du dich erinnerst, schreib doch mal, wo du jetzt lebst. Wie geht es dir? Hattest du nicht eine Oma in Smolensk? Fährst du manchmal noch nach Smolensk? Anton Denisjenko».

Antoscha … «Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst.» Antoscha… Anton Denisjenko.

Die Schüler kannten sich alle seit der ersten Klasse. Du kamst in der sechsten dazu.

Deine Mutter, umwerfend hübsch und klug, hatte sich von deinem Vater getrennt und einen Fabrikdirektor geheiratet. Dein Stiefvater war nach Kirow versetzt worden, um dort wieder eine Fabrik zu leiten. So kam’s, dass du in unserer Klasse auftauchtest.

Du wohntest in einem Neubau hundert Meter von der Schule. Bloß einmal quer über den Platz.

Du saßest in der letzten Bank. Still und bescheiden. Obwohl es Heranwachsenden oft schwerfällt, sich in ein neues Kollektiv einzufügen, hat dich deine Wesensart zwar keine engen Freunde, aber doch ein paar gute Kameraden finden lassen.

Ich saß weiter vorne; beim Diktat durfte jeder bei mir abschreiben, Vorder-, Hinter- oder Nebensitzer. Und ich freute mich, wenn du an die Tafel gerufen wurdest. Ich liebte es so sehr, dich zu beobachten.

Nach ein paar Jahren wurde dein Vater nach Smolensk versetzt, um auch dort eine Fabrik auf Vordermann zu bringen. Deshalb hast du die zehnte Klasse nicht mehr bei uns beendet.

Du hast mich bei der Abschlussfeier nicht gesehen. In meinem hellblauen Kleid. Du warst nicht da. Dabei hatte ich mit keinem anderen tanzen wollen. Von diesem und von jenem wurde ich aufgefordert; doch ich hab keinen im Gedächtnis behalten.

In Smolensk lebte meine Großmutter. Als ich nach der Schule dorthin gezogen war und an der Pädagogischen Fachschule zu studieren begonnen hatte, hab ich dich wiedergefunden. Das war nicht schwer, unsere Mütter hatten untereinander Verbindung gehalten.

Erinnerst du dich denn nicht mehr, Antoscha? Es war Herbst, und mein siebzehnter Geburtstag. Du kamst zu mir und hast mir, wie immer sehr schüchtern, einen riesigen Strauß prächtiger roter Nelken überreicht. Solche Nelken hab ich weder vorher noch nachher jemals im Leben gesehen.

Obgleich es in meinem Leben viele Blumensträuße gab, riesengroße, üppige, zurückhaltende und stilvolle. Von Schülern, von ihren Eltern, von Freunden, Kollegen, Freundinnen und Vorgesetzten. Am 1. September, dem Tag des Schulbeginns, stand die ganze Wohnung voll mit Blumen, füllten sämtliche Vasen, Eimer und sonstige passende Gefäße.

Damals, mit meinen siebzehn Jahren, blickte ich lange auf dieses Bukett und begriff, dass es ein Zeichen sein sollte… Aber wer macht sich mit siebzehn ernsthaft Gedanken über irgendwelche Zeichen? Bald schon hatte ich das vergessen, und unsere Wege gingen in verschiedene Richtungen.

Das letzte Mal haben wir uns 1998 wiedergesehen. Jetzt zeigt der Kalender 2008. Zwanzig Jahre sind vergangen.

Ich bin nach Moskau gezogen. Und du hast geheiratet. Dein Stiefvater hat dir ein Hochzeitsgeschenk machen wollen und eine Wohnung gekauft. Durch einen dummen Zufall lag die in demselben Haus, in dem meine Oma lebte. All das erfuhr ich erst später durch meine Mutter.

Immer wenn ich meine Großmutter besuchte und an dem Haus entlangging – und es erstreckt sich über acht Eingänge —, hoffte ich inständig, dir zu begegnen. Dass du zufällig heraustreten würdest, um den Hund auszuführen. Vielleicht einkaufen zu gehen. Oder du kämst von der Arbeit heim.

Meine Stadt auf Яussisch

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