Читать книгу Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen - Various - Страница 7
Alfred de Musset
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An Juana
Du bist’s, für die ich einst entbrannte,
Die erste, welche mein ich nannte,
Der ich geweiht mein ganzes Sein!
Erinnerst du dich auch noch dessen?
Ich habe es noch nicht vergessen,
Im letzten Sommer warst du mein.
Wie rasch entschwinden doch die Zeiten,
Die wir mit tausend Nichtigkeiten
Vergeuden, schnell sind sie entflohn.
Fast zwanzig Jahre sah ich schwinden,
Und du, Gefährtin meiner Sünden,
Hast ihrer beinah achtzehn schon.
Scheint auch die rote Rose bleicher,
Ist ihre Pracht nur um so reicher,
Ich schmeichle nicht, schön bist du doch!
Kein liebend Weib war liebevoller,
Kein spanisch Köpfchen jemals toller,
Denkst du des letzten Sommers noch?
Des Abends noch, da du mich kränktest
Und dann dein Halsgeschmeid mir schenktest,
Da ich ob deines Zorns geschmollt;
Drei Nächte fand ich keinen Schlummer,
In bittersüßem Liebeskummer
Hab ich geküßt das rote Gold.
Und die verräterische Schöne!
Denkst du noch an die tolle Szene,
O Andalusiens holder Stern?
Dein Liebster wollt vor Lachen sterben,
Und Eifersucht schien zu verderben
Den Gatten fast, den alten Herrn.
Nimm dich in acht, hör was ich sage,
Von neuem kehren jene Tage
Der Liebe bald vielleicht zurück.
Ein Herz, das dich einmal besessen,
Kann deiner nimmermehr vergessen,
Das Herz begehrt kein besser Glück.
Ach was! ich mag den Strom nicht dämmen,
Ich kann das Rad der Zeit nicht hemmen,
Ich halte seinen Gang nicht auf;
Was kümmern uns entschwundene Freuden,
Das Lied ist aus, wir wollen scheiden,
Das ist einmal der Welten Lauf.
Die Zeit entführt auf ihren Schwingen
Den Lenz, die Lerche und ihr Singen,
Ach, unser Dasein gleicht dem Rauch;
Karg ist die Frist uns zugemessen,
Was frommt mir, daß ich dich besessen,
Und dir, daß meiner du vergessen …
Mein Leben schwindet, deines auch!
An Julie
Daß mich die Leute auf den Gassen
Nicht mal in Frieden rauchen lassen!
Mich fragt ein jeder dumme Wicht,
Woran ich seit drei Jahren schreibe,
Was ich in meinen Nächten treibe,
Denn daß ich schlafe, glaubt man nicht.
Willst du mir deine Lippen reichen?
Die tollen Nächte, die dich bleichen,
Sie trocknen die Korallen auch.
Daß diese Wunder nicht verderben,
Mein schwarzes Lieb, mußt du sie färben
Mit deines Atems heißem Hauch.
Mein Drucker glaubt sich längst vergessen,
Er meint, es warten seine Pressen
Auf meine! Und ein ganzer Trupp
Honetter Herren hält die Wette,
Daß mich mein Glück verlassen hätte,
Man schwatzt davon in jedem Klub.
Hast du noch deinen Muskateller?
Wir waren gestern erst im Keller,
Vielleicht blieb noch ein Rest zurück.
Wie glüht dein Mund! Ich will geschwinde
Mal sehen, ob ich was erfinde,
Natürlich ein verrücktes Stück.
Sie sagen, daß ich keine Lieder
Mehr pfeifen kann und daß ich wieder
Mich werfe in den vollen Strom.
Es lohnt nur nicht, sonst schickten heute
Nach Sankt Helena mich die Leute
Mit einem Magen-Karzinom.
Wenn ich am Feuer weiter nasche,
Verbrenn ich sicher noch zu Asche,
Auch Herkules ist ja verbrannt;
Soll in den Gluten ich verderben,
Will ich bei Dejanira sterben,
Drum öffne schleunigst dein Gewand!
An Pepa
Pepita, wenn die Sonne scheidet,
Wenn deine Mutter schlafen geht,
Wenn bei der Lampe halb entkleidet
Du knieend sprichst dein Nachtgebet,
Zur Stunde, wo du Frieden findest,
Wo dich erwartet süße Rast,
Wo du die Abendhaube bindest
Und unters Bett geleuchtet hast,
Wenn all die Deinen, die Familie,
Der Schlummer hält in seinem Bann,
Pepita, meine schlanke Lilie,
Gestehe, woran denkst du dann?
An eine Heldin aus Romanen,
Die ihr zerbrochnes Glück beweint,
An alles, was der Traum läßt ahnen
Und was die Wirklichkeit verneint,
An Berge, die nach schwerem Kreisen
Das Leben geben einer Maus,
An Andalusiens wilde Weisen,
An einen Mann, ein Zuckerhaus,
An Rosen, die du einmal pflanztest,
An Blicke jenes faden Wichts,
Mit dem du den Fandango tanztest,
Vielleicht an mich, vielleicht an nichts!
Lilla
O ließe Lilla sich bewegen,
Daß sie mir öffnete bei Nacht,
Dann braucht ich keines Pfaffen Segen!
Durchs Fenster spräng ich, nie verlegen,
Wenn ihre Frau Mama erwacht.
Die Angst mag alte Schachteln quälen
Um das Genick! Solch dürres Kraut
Wird keiner wohl dem Teufel stehlen,
Der wartet, bis die lieben Seelen
Sich langsam ekeln aus der Haut.
Auf einer Planke möcht ich zechen
Mit Lilla, niemals wär ich satt!
Kein Papst kann so mich selig sprechen,
Der Mann darf dreist sein Glas zerbrechen,
Der diesen Wein getrunken hat.
Ballade an den Mond
Hoch auf dem Turme glitzt er,
Der Mond, so gelb wie nie,
Da sitzt er,
Wie’s Tüpferl auf dem I.
Welch Elf hat auf den Faden
Dich mit geschickter Hand
Geladen,
Du naseweiser Fant?
Du Maske der Gespenster,
Was guckt für ein Gesicht
Durchs Fenster
Herein, du blasser Wicht?
Bist du, der Nacht Begleiter,
Nur rund geformtes Gold,
Das weiter
Sich ohne Beine trollt?
Bist du es gar, Geselle,
Bist du es, dessen Lauf
Der Hölle
Die träge Uhr zieht auf?
Ein Zeiger, der die Stunden
Verdammten Seelen weist,
Sekunden
Der Ewigkeit umkreist?
Ist es ein Wurm, der witternd
Sich anzuschleichen wagt
Und zitternd
Die Sichel dir benagt?
Wer hat dich halb geblendet?
Hat gestern dich im Traum
Geschändet,
Vielleicht ein spitzer Baum?
Auf meines Zimmers Wände
Trägt mir dein fahler Schein
Behende
Des Gitters Netzwerk ein.
Es hat der Sonne Gnade,
Da sie ins Meer getaucht,
Dich gerade
Ein wenig angehaucht.
Einst wirst du ganz erkalten,
Dein Angesicht verrät
Durch Falten,
Wie schlimm es um dich steht.
Die Göttin gib uns wieder,
Die keusch und nie besiegt
Die Glieder
An ihre Hirschkuh schmiegt,
Die einst in der Platane
Gehege sich gefiel,
Diane
Und ihrer Meute Spiel.
Hoch flüchtig sind gesprungen
Die Rehe, wenn voll Macht
Gedrungen
Das Hifthorn durch die Nacht,
Wenn auf der Spur der Beute
Ringsum durch Wald und Feld
Die Meute
Zur Hetze hat gebellt.
Als eines Abends linde
Durch ihren Hain gerauscht
Die Winde,
Hat Phoebus sie belauscht,
Der Gott, der nächtlich schwärmend
Die Hirtin und den Hirt
Keck lärmend
Im Vogelflug umschwirrt.
Durch jedes Abenteuer,
Dem still du beigewohnt,
Bleibst teuer
Du alle Zeit uns, Mond.
Wem immer du begegnet,
Dem bist für ewig du
Gesegnet,
Ob ab du nimmst, ob zu.
Du bist es jedem Schäfer,
Wenn auch zu nächtiger Stund
Dich Schläfer
Hat angebellt sein Hund.
Du bist es jedem Schiffe,
Das hart vom Sturm bedrängt
Durch Riffe
Der Lotse sicher lenkt.
Und jedem schönen Kinde,
Das mal in dunkler Nacht
Geschwinde
Sich aus dem Staub gemacht.
Tief unter dir gebettet
Und wie ein wilder Bär
Gekettet
Träumt das gezähmte Meer.
Wenn ich bei Wind und Wetter
Nicht aus der Stube kann,
Herr Vetter,
Dann schaue ich dich an,
Seh auf dem Turm dich glitzen,
Seh dich vergnügt wie nie
Dort sitzen,
Wie’s Tüpferl auf dem I.
Wenn manches wider Hoffen
Ein Ehemann zu Haus
Getroffen,
Dann lachst du ihn noch aus.
Und wenn der junge Gatte,
Nachdem die Mutter zach
Ihm hatte
Entriegelt das Gemach,
In Schlafrock und Pantoffel
Die Kerze löscht im Nu,
Du Stoffel,
Dann siehst du spöttisch zu.
Bang harrt sie mit dem Ringe
Am Finger, der sie mahnt
An Dinge,
Die sie nur zitternd ahnt.
Der Herr Gemahl fängt Feuer,
Sie wird in ihrer Qual
Nur scheuer
Und wehret dem Gemahl.
Er blickt mit heißen Augen
Und ruft: Mein Kind, was soll
Das taugen?
Bei Gott, du machst mich toll!
Kaum kann er es noch tragen,
Da läßt ihn ein Gesicht
Nichts wagen,
Und er, er wagt es nicht.
Es zittert und es zuckt ja,
Wir sind hier nicht allein,
Man guckt ja
Ins Zimmer uns herein!
Hoch auf dem Turme blitzt er,
Der Mond, so frech wie nie,
Dort sitzt er,
Wie’s Tüpferl auf dem I.
Dezembernacht
Als Schüler hab ich eine Nacht
In meinem Zimmer mal durchwacht,
Die Stunden wollten kaum entweichen;
Da plötzlich mir zur Seite stand
Ein Knabe, schwarz war sein Gewand,
Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.
Bleich war sein schönes Angesicht,
Bei meiner Lampe trautem Licht
Hat er gelesen und geschrieben;
Mild lächelnd und gedankenschwer
Und träumend blickte er umher,
Die ganze Nacht ist er geblieben.
Grad war ich fünfzehn Jahre alt,
Und wollte einmal durch den Wald,
Quer durch die braune Haide streichen.
Da plötzlich an dem Raine stand
Ein Jüngling, schwarz war sein Gewand,
Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.
Ich suchte aus dem Wald nach Haus,
Der fremde Gast hielt einen Strauß
Und eine Laute in den Händen;
Er grüßte freundlich mich, doch stumm,
Dann drehte er sich halb nur um,
Des rechten Weges mich zu senden.
Als dann mein Herz zum erstenmal
Verraten ward und sich in Qual
Gewunden unter schweren Streichen,
Da plötzlich an dem Herde stand
Ein Fremdling, schwarz war sein Gewand,
Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.
Stumm stand er dort, in sich gekehrt,
Die Rechte trug ein blankes Schwert,
Die Linke zeigte starr nach oben;
Als hätt er um mein Leid gewußt,
Rang sich ein Seufzer aus der Brust,
Dann ist er wie ein Traum zerstoben.
Als ich in der Gesellen Kreis
Von edlem Weine einmal heiß
Zu kecker Rede gab das Zeichen,
Da plötzlich mir vor Augen stand
Ein Zecher, schwarz war sein Gewand,
Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.
Ein Purpurlappen, ganz geflickt,
Hat unterm Mantel vorgeblickt,
Die magere Hand hat ihm gezittert;
Stumm hob das Glas der fremde Mann
Und schweigend stieß er mit mir an,
Da ist mein Glas im Nu zersplittert.
Ein Jahr darauf, die Zeit entflieht,
Hab ich an einem Bett gekniet,
Des Vaters Mund sah ich erbleichen.
Da plötzlich ihm zu Häupten stand
Ein Waisenkind, schwarz sein Gewand,
Es glich mir, wie sich Brüder gleichen.
Ein Engel, der dem Schmerz erliegt,
Erschien er dort, vom Leid besiegt,
Gleich mir, des teuren Toten Sohne;
Die frohe Laute war umflort,
Das Herz von einem Schwert durchbohrt,
Das Haupt trug eine Dornenkrone.
Noch oftmals hab ich ihn gesehn
An meiner Seite schweigend stehn
In meines Lebens schwersten Stunden,
Die rätselhafteste Vision!
Ist er ein Engel, ein Dämon?
Ich hab ihn überall gefunden.
Da später, müde und verzagt,
Ich Frankreich Lebewohl gesagt,
Der bittern Qual mich zu entwinden,
Da all mein Hoffen war verdorrt,
Da ich an einem fremden Ort
Wollt sterben oder Leben finden,
Zu Pisa und im goldnen Mainz,
Zu Cöln, im Angesicht des Rheins,
Zu Nizza unter grünen Myrten,
In den Palästen von Florenz,
Im Wintersturm, im jungen Lenz,
Hoch in den Alpen, bei den Hirten,
Zu Genua, wo wild die See
Das Ufer peitscht, und zu Vevey,
Zu Havre an der Klippe Wänden,
Dort wo Venedig schläft und träumt,
Die Adria am Lido schäumt,
Um in Lagunen feig zu enden,
Wo ich auch immer ohne Mut
Gewandert bin, wo mir das Blut
Geströmt aus meines Herzens Wunden,
Wohin mich meine Unrast trieb,
Wo mich durch ihr verdammtes Sieb
Gepreßt die ewig gleichen Stunden,
Wo nur das Rätsel dieser Welt
Des Daseins Freude mir vergällt,
Wenn ich dem Durste wollt genügen,
Wo immer, was ich längst gesehn,
Ich wieder sah vorübergehn,
Den kleinen Menschen mit den Lügen,
Wohin auf meiner Fahrt ich kam,
Wo in die Hand das Haupt ich nahm,
Um mich am Wege auszuweinen,
Wo ich durch das Gestrüpp gehetzt
Und wie ein Lamm zerzaust, zerfetzt
Dann niedersank auf kalten Steinen,
Wo immer mir ein Leid gedroht,
Wo ich verzweiflungsvoll dem Tod,
Dem letzten Freund, die Hand wollt reichen,
Stets plötzlich mir zur Seite stand
Der Ärmste, schwarz war sein Gewand,
Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.
An Frau M
Selbst wenn die Qual, die meine Seele leidet,
In ihr entfachte noch einmal die Glut,
Selbst wenn das Schicksal, das dies Glück mir neidet,
Mir ärmsten gönnte solch ein seltenes Gut,
Selbst wenn die Scham, die jetzt dich von mir scheidet,
Mir alles schenkte, was still in dir ruht,
Selbst dann, du Kind, von Unschuld fromm bekleidet,
Hätt ich zur Liebe weder Witz noch Mut.
Doch wenn dereinst die müden Sinne schwinden,
Wenn diese Welt nichts mehr in dir bewegt,
Wird die Erinnerung dich mir verbinden.
Magst du dich freuen, dich in Schmerzen winden,
In deiner Hand wirst du die meine finden,
Du hörst mein Herz, das an dem deinen schlägt.
Lebewohl!
Lebwohl! Gott heißt dich weiter gehen,
Nur dich, da meiner er vergißt,
Auf Erden gibt’s kein Wiedersehen …
Jetzt weiß ich, was du mir gewesen bist.
Nur keine Tränen, keine Klagen,
Ich beuge mich, das Schicksal spricht,
Mag dich dein Schiff von dannen tragen,
Ich sehe lächelnd zu und weine nicht.
Die Hoffnung läßt dich sorglos scheiden,
Voll Hochmut kehrst du wieder her,
Und jene, die beim Abschied bitter leiden,
Die kennst du dann gewiß nicht mehr.
Lebwohl, zieh deinem Traum entgegen,
Da du im Rausche nach Gefahr nicht fragst,
Noch blendet dich der Stern auf deinen Wegen,
Noch lockt das Irrlicht dich, nach dem du jagst.
Einst lernst du, magst du jetzt auch prahlen,
Welch reiches Glück ein Herz gewährt,
Das uns versteht, und welche Qualen
Wir dulden, wenn sich’s von uns kehrt.