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Victor Hugo

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1802-1885

Der Abend des Sämanns

Nun will der müde Tag entweichen,

Still liegt vor mir das weite Tal;

Die Sonne sendet im Erbleichen

Hernieder einen letzten Strahl.


Dem armen Alten dort, der schweigend

Sich durch die graue Flur bewegt

Und in die Furchen, tief sich neigend,

Der Zukunft frohe Ernten legt.


Und wie der lange schwarze Schatten

Des alten Mannes Werk durchmißt,

Weiß der, dies Werk ging gut von statten

Am Tage, der gesegnet ist.


So geht er säend auf und nieder,

Er schreitet durch die weite Flur,

Er kommt und geht und streuet wieder,

Stumm folgt mein Sinnen seiner Spur.


Verschleiert ruhen alle Fernen,

Der Schatten wächst, er rauscht und schwillt,

Er reckt empor bis zu den Sternen

Des Sämanns königliches Bild.


Abend auf dem Meere

Komm, das Segel füllt sich wieder,

Dieser Abend ist so schön,

Steig mit mir zum Ufer nieder,

Laß dem Fischer seine Lieder,

Laß der Welle ihr Gestöhn.


Wollen hier im Schatten sitzen,

Hinterm Segel, das sich bauscht;

Wenn die Wogen uns bespritzen,

Seh ich deine Augen blitzen,

Höre, wie die Brandung rauscht.


Komm, wir wollen stumm verehren

Dieser Schöpfung hehre Pracht.

Sprich, mein Lieb, kannst du erklären,

Daß mein Auge stets voll Zähren,

Daß das deine immer lacht?


Sprich, wie kommt es, daß mein Denken

Gallenbitter in mir haust,

Daß mich selbst die Augen kränken,

Die sich stets zur Erde senken,

Während du den Himmel schaust?


Wo ich mich im finstern quäle,

Strahlt dir silbern jeder Stern,

Während ich die Schatten zähle,

Leuchten deiner frommen Seele

Tausend Welten nah und fern.


Bis zum Ende unsres Lebens

Brüllt um uns die Flut und dräut;

Keiner lebt, der seines Strebens

Frucht stets pflückt, der nicht vergebens

Saaten in den Boden streut.


Unbekannt mit unserm Ziele

Rudern durch die Flut wir keck,

Ach, in frevelhaftem Spiele!

Bald flieht aus dem leichten Kiele

Mut und Hoffnung, wir sind leck.


Weh, die Ruder, sie zerschellen,

Sturmwind fegt die Segel fort,

Laute Hilferufe gellen,

Haushoch türmen sich die Wellen,

Wälzen wild sich über Bord.


Gott hat Mühsal uns als Lehen

Überreichlich zugeteilt,

Wohin wir uns immer drehen,

Einen werden stets wir sehen,

Der in Hast vorübereilt.


Welchen Weg? Stets den der Ehren!

Wohin du? In meine Schmach!

Du? Dem Zweifel will ich wehren!

Du? Nach Ruhm steht mein Begehren!

Du? Der Liebe lauf ich nach!


Hastet nicht auf allen Wegen,

Hastet nicht zu jeder Frist,

Mögt Euch plagen, mühen, regen —

Eilt ja nur dem Land entgegen,

Daraus keine Rückkehr ist.


Jenem Land, wo alles endet,

Ob Ihr weinet, ob Ihr lacht,

Keinen Duft die Blume spendet,

Wo kein Sonnenstrahl Euch blendet,

Jenem Lande ewiger Nacht.


Weshalb alle diese Mühen,

Dieser Neid und diese Pein?

Trinkt Euch satt, die Wasser sprühen,

Seht im Laub die Früchte glühen,

Lebt und liebt und dann schlaft ein.


Ob Ihr emsig wie die Bienen

Nur der Arbeit wart gewohnt,

Ob Euch je ein Glück erschienen,

Ob Ihr mit zufriednen Mienen

Tag und Nacht habt schwer gefrohnt,


Allem ist ein Maß gemessen,

Alle Blüten fallen ab,

Ihr verliert, was Ihr besessen,

Aller Dinge harrt Vergessen,

Aller Menschen harrt das Grab.


Gott wird einst zurück uns fodern,

Fällt den Baum mit einem Streich,

Heißt der Flamme Glut verlodern,

Schiffe auf dem Grund vermodern,

Spricht zur Blume: Werde bleich!


Spricht zum kühnen Schlachtensieger:

Mensch, das letzte Wort ist mein!

Wate nur im Blute, Tiger,

Steige höher, stolzer Krieger,

Tiefer wird dein Fall nur sein.


Spricht zum Weib von Evas Stamme:

Schmücke dich, nutz deine Zeit,

Staub vom Staube, Schlamm vom Schlamme,

Einen Augenblick sei Flamme,

Asche dann in Ewigkeit!


Dulden mußt du’s und ertragen,

Ausgelöscht bist du im Nu;

Willst den Herren du verklagen,

Dich zu überheben wagen?

Groß ist er und klein bist du.


Jedem ist der Kampf beschieden,

Ob er zweifelt, ob er glaubt;

Not und Elend sind hinieden,

Doch der Herr im ewigen Frieden

Schüttelt lächelnd nur das Haupt.


Alles was wir hier erstreben,

Alles schwindet und zerstiebt.

Ach, die Schatten, sie entschweben,

Und es bleibt von deinem Leben

Nichts, wenn niemals du geliebt.


Will das Haupt in Demut neigen,

Leise, leise, stör mich nicht!

Blicke nach der Sterne Reigen,

Während ich in tiefem Schweigen

Höre, was die Woge spricht.


Bangend und mit bleichem Munde

Frag ich, mit gespanntem Ohr

Horch ich … wehe, aus dem Schlunde,

Von des Meeres tiefem Grunde

Quillt nur trüber Schlamm empor.


Nimmer folge meinen Blicken,

Sie versenken sich in Nacht,

Sollst das Auge aufwärts schicken,

An dem Sterne dich erquicken,

Der dir froh entgegenlacht.


Sieh ihn hoch am Himmel stehen,

Wie er glänzt und strahlt und scheint,

Gottes Lächeln wirst du sehen,

Mich laß nach dem Menschen spähen,

Der in seinen Qualen weint.


Aus den Orientalen

I

Eine Bucht und grüne Hügel,

Die sich spiegeln in der Flut,

Reiter steigen in den Bügel,

Frohe Lieder, froher Mut!


Hier die Zelte, dort die Rosse;

Schlanke Männer bei dem Trosse

Schärfen Schwerter und Geschosse

In des Feuers roter Glut.


Überall freut den Nomaden

Seiner Sonne helles Licht,

Und die Maid, zum Tanz geladen,

Weigert sich dem Krieger nicht.


Winde spielen mit dem Sande;

Solch ein Reigen auf dem Strande

Zeigt das Weib im Festgewande

Schöner als ein Traumgesicht.


Spiegeln sich, dem Ebenholze

Gleich, im Wasser diese Fraun,

Lacht das Angesicht, das stolze,

Jauchzen sie, wenn sie sich schaun.


Melkt jetzt das Kamel, das schnelle!

Weiße Milch spritzt aus dem Quelle,

Seltsam rinnt der Strahl, der helle,

Durch der Hände tiefes Braun.


Munter plätschern sie im klaren

Wasser, das von Salze schwer;

Sagt, wo kamen diese Scharen,

Diese fremden, gestern her?


Plötzlich kreischen schrille Becken,

Rosse wiehern, Kinder schrecken,

Wellen, die das Ufer lecken,

Stürzen sich zurück ins Meer.


II

Die Wüste … Furcht und Schrecken,

Nur Sand und nichts als Sand,

Wie weit mag sie sich strecken,

Versengt, verdorrt, verbrannt!

Nichts Lebendes will weilen,

Die Hügel selbst zerteilen

Im Winde sich, enteilen

Wie Flugsand auf dem Strand.


Es ziehen Karawanen

Nach Mamre und Ophir,

Frech kreuzen ihre Bahnen

Das heilige Revier.

Schwer schleppt durch heiße Dünen,

Wo keine Halme grünen,

Verwegenheit zu sühnen,

Sich keuchend Mensch und Tier.


Der Wüste tiefes Schweigen

Hört Gott der Herr allein,

Ihm ist sie erb und eigen,

Er markt sie ohne Stein,

Läßt Dünste sich erheben,

Die dieses Meer umschweben,

Sie zittern und sie beben

Und hüllen alles ein.


Der Kaisermantel

Ihr, deren Werke Labsal schaffen,

Ihr, die um Beute zu erraffen

Nach flüchtigem Wohlgeruch nur strebt,

Ihr, die Ihr den Dezember fliehet,

Den Blumen ihren Duft entziehet

Und uns den süßen Honig gebt,


Ihr, deren unbefleckte Lippen

Am reinen Tau des Morgens nippen,

Ihr, denen Keuschheit Lust und Pflicht,

Der Blüten liebliche Genossen,

Ihr Bienen, die dem Licht entsprossen,

Setzt Euch auf diesen Mantel nicht!


Ihr hochgemuten, arbeitsfrohen,

Die Ihr noch keinen Feind geflohen,

Stürzt Euch, Ihr Bienen, auf den Mann!

Von Euer Flügel Gold getragen

Sollt Ihr den Schuft mit Pfeilen jagen,

Fragt ihn: „Wofür siehst Du uns an?


Verräter Du, wir sind die Bienen!

Dem Frieden stiller Hütten dienen

Mit unseren Körben wir zur Zier.

Wir schwärmen durch die klaren Lüfte,

Aus Rosen saugen wir die Düfte,

Auf Platos Lippen wohnen wir.


Zu Nero magst Du Dich gesellen,

Dich neben Karl den Neunten stellen,

Der nach des Volkes Blute lechzt.

Nicht des Hymettus Biene habe

Des Mantels Hut, sie hat der Rabe,

Der auf dem Hochgerichte krächzt.“


Ihr sollt ihn peinigen, ihn lähmen,

Das Volk, das vor ihm bangt, beschämen,

Stecht ihm die Augen aus, dem Wicht!

Sollt mitleidlos ihn jagen, hetzen,

Wenn Menschen feige sich entsetzen,

Hält Euer Stachel das Gericht.


Die Ordnung ist wieder hergestellt

Die treten uns mit frechem Hohne

Und das Verbrechen trägt die Krone,

Das Recht des Volkes wird gebeugt.

An allen Grenzen unserer Lande

Ragt heut ein Denkmal unserer Schande,

Die Ehre ist erwürgt und schweigt.


O edle Freiheit großer Ahnen,

O Republik mit deinen Fahnen,

Die einst geragt zum Himmelsblau,

Du wurdest schnöde überlistet,

Des Kaiserreiches Sünde nistet

Verräterisch im stolzen Bau.


Die Zeiten sind vom Fluch besessen,

Mein Volk, du hast dich selbst vergessen,

Du wurdest feiler Lüge Raub.

Gesetz und Recht ward dir zu nichte,

Was kümmert dich die Weltgeschichte

Und deiner Väter heiliger Staub?


Willkommen seid ihr meinem Herzen,

Verbannung, Armut, bittere Schmerzen,

Willkommen, tränenreiche Zier.

Es heult der Wind durch meine Hütte,

Die Trauer naht mit düsterm Schritte,

Stumm setzt sie sich zur Seite mir.


Im Unglück finde ich euch wieder,

Gestalten meiner ersten Lieder,

Für die das Herz so heiß entbrannt.

O Freiheit, Mannesmut und Tugend,

Geliebte meiner frohen Jugend,

Auch euch hat schnöde man verbannt.


Sei mir gegrüßt, du Wasserwüste,

Sei mir gegrüßt, o Jerseys Küste,

Wo Englands altes Banner weht!

Dem Flutgebrause will ich lauschen,

Den Wogen, die im Winde rauschen,

Der Welle, die im Sturm vergeht,


Den Möven, die sich schaukelnd wiegen,

Die schaumbespritzt gen Himmel fliegen,

Vergoldet von der Sonne Strahl;

Wie sie sich aus der Flut erheben,

So ringt empor zu neuem Leben

Die Seele sich aus ihrer Qual.


Lied

Du Waldespfad mit schwanken Zweigen,

Ihr Täler, Hügel, rings umher,

Weshalb die Trauer und das Schweigen?

– Der einstmals kam, kommt nimmermehr.


Am Fenster keiner von den Lieben,

Verwelkt die Blumen und verdorrt,

Sprich, Haus, wo ist dein Herr geblieben?

– Ich weiß es nicht, mein Herr ist fort. —


Sei wachsam, Hund! – Wozu mich plagen?

Das Haus ist leer, du siehst es ja! —

Mein Kind, wem gelten deine Klagen?

Und deine, Weib? – Ihm, der nicht da.


Wo weilt er? – Jenseits ferner Meere.

Was seufzt ihr, Wogen, um den Stein?

Wo kommt ihr her? – Von der Galeere.

Was bringt ihr? – Einen Totenschrein.


Lied

Tot sind die kleinen Täubchen,

Das Männchen und das Weibchen,

Die Katze fing sie ein;

Zernagt sind ihre Reste,

Wer kehrt zurück zum Neste?

O arme Vögelein!


Vom Hirten keine Kunde,

Tot sind die treuen Hunde,

Der Wolf bringt Euch Gefahr.

Es zittern Eure Leiber,

Wer scheucht den feigen Räuber?

O arme Lämmerschaar!


Er muß im Kerker sterben,

Sie im Spital verderben,

Im Hause pfeift der Wind;

Kein Freund betritt die Stiege,

Wer schaukelt deine Wiege,

O armes, armes Kind?


Ein Spiel

Einst machte, laßt es Euch sagen,

Der Herrgott voller Behagen

Mit Satan eine Partie.

Jedweder hielt seine Karte,

Der setzte Bonaparte,

Der andere Mastai.


Ein armer winziger Pfaffe,

Ein kleiner prinzlicher Laffe,

Welch jämmerliches Spiel!

Gott machte es, ohne Zweifel

Mit Absicht, daß dem Teufel

Der ganze Einsatz verfiel.


„Dein sind sie,“ rief mit Lachen

Der Herr, „was wirst du nun machen?“

Der Teufel blickte voll Hohn;

Er packte die beiden Kleinen,

Auf Petri Stuhl setzt er einen,

Den andern auf Frankreichs Thron.


Des Kaisers Zeitvertreib

Dumpf tönen der Verbannten Klagen,

Das Grab ist nah und Frankreich fern.

Du schwelgst bei festlichen Gelagen,

Kannst Frauen im Theater jagen,

Das Hifthorn ruft zur Hatz den Herrn.

Rom wird dich salben und dich krönen,

Die Könige duzen Dich erfreut …

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!


Des Schicksals Groll trifft nur die Besten,

Nur Männerseelen das Exil.

Du wohnst in ragenden Palästen,

Hast Gärten, Wälder, bei den Festen

Treibt Venus ihr verbuhltes Spiel.

Frech rasen die bekränzten Schönen,

Der Dienst des Bacchus wird erneut …

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!


In Ketten schleppen hinter Gittern

Gefangene keuchend Stein auf Stein.

Hallali tönt es, Wälder zittern,

Fanfaren schmettern, Rüden wittern,

Die Birke glänzt im Mondenschein,

Dort schwimmt der Hirsch! Hört Ihr ihn stöhnen?

Die Meute folgt, der Herr gebeut …

Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,

Morgen dräut

Sturmgeläut!


Im Kerker leert des Elends Schale

Ein Mann, vor Hunger stirbt sein Sohn.

Der Wolf füllt Tigern die Pokale,

Der Pfaffenkaiser zecht beim Mahle

Aus der Monstranz. Es blickt voll Hohn

Ein Faun auf ihre Schmach, sie frönen

Gelüsten, die sein Ekel scheut …


Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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