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Münch-Bellinghausen, Eligeus Franz Joseph, Freiherr von
ОглавлениеGeb. zu Krakau am 21. April 1806. Gegenwärtig k. k. wirkl. Hofrath und Direktor der k. Hofbibliothek in Wien.
Sein Dichtername ist Friedrich Halm.
Griseldis (1834.) – der Adept (1836.) – König und Bauer, freie Bearb. nach Lope de Vega – Camoëns (1837.) – I. Lambertazzi (1838) – der Sohn der Wildniß (1842.) – Sampiero (1844) – Maria de Molina (1847.) – der Fechter von Ravenna (1854.) – u. a. m. – Gedichte (1850.).
Diese zwei Briefe sind unschätzbar für Jeden, der eingestehen will, daß berufene Dichter edleren Schlages, wenn sie mit Ernst und Weihe an’s Werk gehen, gewöhnlich schon in sich selbst Alles durchgearbeitet und Für und Wider dabei abgewogen haben, was ihnen dann verneinende Kritik als Mangel und Fehler vorzuwerfen gleich bei der Hand ist. Wo bliebe die Negation, wäre ihr nicht erst ein Positives dargeboten, woran sie ihren Scharfsinn übt?
Es läßt sich kaum bescheidener und zugleich fester eine eigene Sache vertreten, als es Halm, den Schluß der Griseldis betreffend, hier gethan.
I
Wien, den 1ten Dezbr. 1836.
Ew. Wohlgeboren!
Verehrtester Herr Hofrath!
Der Hofschauspieler Löwe hat mir die gütigen Bemerkungen mitgetheilt, welche Sie gegen ihn während seines Aufenthaltes zu Dresden im Laufe dieses Sommers über die „Griseldis“ äußerten. Trotz dem Gefühle der Bewunderung und innigsten Verehrung, welche ich mit ganz Deutschland für Sie hege, fehlt es mir an Worten, um die erschütternde Freude zu schildern, die mir die Anerkennung meines geringen Talentes von Seite des Altmeisters deutscher Poesie verursachte. Hinsichtlich Ihrer Einwendungen wider den Schluß der Griseldis erlaube ich mir, mit aller Ehrfurcht, die dem Schüler gegenüber des Meisters ziemt, zu bemerken, daß niemand tiefer fühlen und erkennen kann als ich, wie mißlich für die dramatische Bearbeitung in der Regel das Abweichen von den Grundzügen des gewählten Stoffes ausfallen muß; zumal wenn dieser so vortrefflich ist, als die Griseldis Boccacio’s. Indeß schienen mir die Motive, die den Markgrafen Saluzzo zur Prüfung seines Weibes bestimmen, durchaus zu wenig theatralisch, ja selbst zu wenig dramatisch, um sie beibehalten zu können; ich suchte und fand neue in der gereizten Eitelkeit und in der krassen Selbstsucht Percival’s, welche aber, nach meiner sich gern eines Bessern bescheidenden Meinung, keinen andern versöhnenden Ausgang des Stückes zulassen, als den, der in Erhebung des weiblichen Gemüthes über die Täuschungen der Liebe, in der Rettung seiner menschlichen Würde – auf Kosten seines geträumten Glückes liegt. Zudem hatte ich bei meiner innigen Ueberzeugung, daß der dramatische Dichter, wenn er seinem höhern Berufe nachkommen will, nothwendig die Interessen seiner Zeit ergreifen, erwägend und versöhnend in der Brust tragen und in seinen Werken abspiegeln müsse, das ganze Stück hindurch den ewig unentschiedenen Streit zwischen Aristokratie und Demokratie als Grundton angeschlagen, und mein Gefühl sagte mir, nur eine Dissonanz könne seine Modulirungen schließen.
Nicht ohne Zagen habe ich die Ehre, Ew. Wohlgeboren in der Anlage meinen zweiten dramatischen Versuch, das Trauerspiel „der Adept“ zu übergeben. An ein zweites Werk werden billig höhere Forderungen gestellt, und wenn sie nicht befriediget werden, so geht nur allzuleicht, wie die Erfahrung lehrt, aller Credit des Anfängers mit seiner eigenen Zuversicht zu Grunde. Wie dem auch sey, der Schritt ist gethan, und kann nicht zurückgenommen werden. Meine Absicht war, im Adepten die höhere tragische Region zu betreten und meine Flügel zu prüfen. Trotz seiner im Voraus zu berechnenden minderen Wirksamkeit, und allzuhochgespannter Erwartungen der Menge auf ein lange angekündigtes Werk fand der Adept beim Publikum eine glänzendere Aufnahme, als ich gedacht, aber dagegen bei den Kunstrichtern ein strengeres Urtheil, als ich erwartete.
Einige finden im Adepten zu wenig ansprechende, rührende, verklärte Charaktere; Andere sprechen dem Stück alles Tragische ab, weil es in der Hauptperson nicht hervortritt, ihr Charakter nicht würdig genug gehalten sey, und keine stufenweise Entwickelung desselben vorliege. Was nun die erstere Ansicht betrifft, so beruht die Wirkung der Tragödie nach meiner Meinung nicht in der Entfaltung exceptioneller, himmlisch verklärter Charaktere, sondern in der richtigen Entwickelung der tragischen Idee in ihrer ganzen zermalmenden Größe und Bedeutung, die schon darum die Versöhnung in sich tragen muß, weil sie nicht ohne Hinweisung auf eine moralische Weltregierung stattfinden kann. Das Rührende, das Gemüth Ansprechende wird in der Tragödie nur immer vom Stoffe bedingt, also zufällig vorhanden seyn können, wie es in Lear, Othello u. a. Tragödien erscheint. Hamlet, Macbeth, Julius Cäsar setzen außer allen Zweifel, daß die Aufgabe der Tragödie Erhebung, nicht weichliche Rührung sey. Den Anhängern der letzteren Meinung gebe ich gerne zu, daß im Adepten die Hauptperson kein sogenannter tragischer Held, sondern nur der Hauptträger der Handlung, der Mittelpunkt sey, um welchen sich die übrigen Figuren gruppiren. Nicht auf einer Person, auf der Totalität des Gemäldes beruht im Adepten die Entwickelung der tragischen Idee, und um diese, nicht um einen Helden handelt sich’s in der Tragödie. Shakspeares Heinrich 6. kann nicht als tragischer Held angesehen werden, aber um ihn versammeln sich alle Erscheinungen, an ihn knüpfen sich alle Fäden des blutigen Gewirrs des Bürgerkrieges, und die Gesammtheit dieser Züge wird in jedem geweihten Gemüthe die tragische Empfindung hervorrufen.
Nach dem vorleuchtenden Beispiele dieses Vaters der Tragödie wagte ich im heiligen Eifer gegen die Runkelrüben-, Dampfwagen- und Eisenbahn-Richtung unserer Zeit im Adepten alle jene einzelnen Züge der Züggellosigkeit menschlichen Verlangens, alle Phasen der Verirrungen menschlichen Begehrungsvermögens anzuhäufen, und ich glaubte die tragische Wirkung zu erreichen, wenn am Ende derjenige, der vor allen Anderen Alles, das Unermeßliche errungen, der vermessen an Gottes Weltregierung zu bessern sich vorgesetzt hatte, durch das errungene Uebermaaß untergehend, sein Haupt anerkennend vor dem ewigen Gesetz der Beschränkung zu beugen gezwungen ist.
Entscheiden Ew. Wohlgeboren, in wie fern ich mein Ziel erreicht, und ob der Adept zur Darstellung auf der Dresdener Hofbühne, der ich schon für die vollendete Darstellung der Griseldis so vielfach verpflichtet bin, geeignet ist oder nicht.
Erlauben Sie mir mit der Bitte um die Fortdauer Ihres Wohlwollens die Versicherung der unbegränzten Verehrung zu verbinden, mit der ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Wohlgeboren
gehorsamster Diener
Freiherr von Münch.
II
Wien, den 12ten April 1837.
Euer Wohlgeboren!
Verehrtester Herr!
Ich habe mit übergroßer Freude aus einem von dem Schauspieler Kriete an Herrn Lembert gerichteten Brief entnommen, daß der Adept Gnade vor Ihren Augen gefunden hat, und dieß reicht vollkommen hin, mich über die kühlere Aufnahme des Stückes auf einigen Bühnen zu trösten. Auf der hiesigen ist es unlängst zum zwölftenmale bei übervollem Hause gegeben worden.
In der Anlage wage ich, Ihrer Einsicht und Beurtheilung mein dramatisches Gedicht Camoëns zu übergeben.
Wenn ich schon einmal bei Gelegenheit der Griseldis vor Ihrer Bemerkung über diese Novelle des Boccacio in den dramaturgischen Blättern zu zittern und zu beben hatte, so scheint dieß jetzt noch mehr der Fall seyn zu müssen, da meine schwache Schülerhand einen Camoëns zu schaffen wagte, nachdem bereits ein so großer unerreichter Meister ein unsterbliches Gemälde jener Zeit und jenes Mannes hingestellt.
Man würde indeß Unrecht thun, wenn man mir das Erscheinen des Camoëns in dieser Beziehung als Anmaßung anzurechnen versucht wäre, indem dieß Stück schon seit zehn Jahren in meinem Pulte liegt, und den Grundzügen nach bereits fertig gewesen ist, ehe Sie vielleicht noch an Ihren Camoëns gedacht hatten. Uebrigens glaube ich, muß auch die Verschiedenheit der Form bei jedem Billigdenkenden meinen Camoëns vor dem Wahnsinn einer Vergleichung mit dem Ihrigen schützen. Wenn Sie den Stoff in reicher epischer Fülle entfalten, uns ein bis in die kleinsten Züge vollendetes Gemälde jenes Zeitalters, jenes Volkes, seiner Gesinnungen und seiner Sitten aufrollen, uns in einem rührenden Stilleben die Heroengestalt des vaterländischsten aller Dichter mit würdevoller Erhebung, mit allen zerstörten Hoffnungen seines sturmbewegten Lebens abschließend vor die Seele führen konnten; wenn Sie mit einem Worte: uns der Gegenwart entrücken, und in eine frischere, lebenskräftigere Vergangenheit versetzen durften; – so war es meine Aufgabe, die Gegenwart nie vergessend, sie vielmehr nur in den Gestalten der Vergangenheit abzuspiegeln. Das Drama, dessen Natur Kampf und Versöhnung ist, zwang mich der Sage zu folgen, und den Zuschauer an das Sterbebett Camoën’s im Hospitale zu führen. Sie gaben mit dem Sehergeiste des Dichters Camoëns, wie er war; ich mußte mich bemühen, ihn zu geben, wie er damals sein konnte, und wie er unter gleichen Verhältnissen heute gewesen seyn würde. Ich mußte, um den Interessen der Gegenwart getreu, meine Ideen über Dichterberuf, Dichterpflicht und Dichterlohn in einer Zeit entwickeln zu können, die so oft und in so vielen Beziehungen an den Tag gelegt hat, wie sehr sie die Wesenheit der Dichternatur mißversteht… ich mußte alle zuckenden Fibern des zerrissenen Dichtergemüthes aufdecken, in alle offnen Wunden der Dichterbrust meine Finger legen, und die Versöhnung von Oben herabholen, wo Sie nur die Narben der Wunden zu zeigen, und die Verklärung schon vorausgesetzt und gegeben im Stoffe zu entwickeln brauchten.
Doch genug von der Verschiedenheit zweier Werke, die schon der Name ihrer Verfasser hinlänglich begründet.
Was den Umfang meines Camoëns betrifft, so verkenne ich nicht, daß sein Leben einer andern vollständigeren, dramatischen Bearbeitung fähig ist, und daß sich einer solchen mit Vortheil Ihre Novelle zu Grunde legen ließe. Die Idee meines Werkes aber wies mich ausschließend an sein Ende, und ich glaube, es fehle ihm trotz des Mangels an Begebenheiten nicht an dramatischem Leben. Mir wenigstens scheint die durch das Gespräch mit dem Kaufmann immer steigende Zerfallenheit Camoëns’ mit seiner Laufbahn, die als tragische Verwickelung in der Zusammenkunft mit Perez ihren versöhnenden und erhebenden Abschluß findet, den Erfordernissen des Drama’s – wenn auch vielleicht nicht des Theaters – hinreichend zu entsprechen.
Der Erfolg auf hiesiger Hofbühne war ein sehr günstiger.
Somit überlasse ich vertrauensvoll und mit bescheidener Ergebung in Ihre bessere Einsicht mein Werk Ihrer Beurtheilung, sowohl hinsichtlich seines inneren Werthes, als seiner Eignung zur Aufführung auf der Dresdner Hofbühne, und schließe diese Zeilen mit dem Ausdruck der unbegränzten Hochachtung, die seit der ersten Lesung des Phantasus in meinem zwölften Jahre, für Sie und Ihre Werke in stäter Steigerung erfüllt
Ew. Wohlgeboren
ergebensten Diener
Münch.