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N… Wilh
ОглавлениеUeber den Schreiber nachstehender zwei Briefchen (dessen Familienname wie billig nur durch Punkte angedeutet wird), wissen wir nichts Näheres, als was sich in dem Briefe eines Herrn M. S. aus Winterthur angegeben findet, worin es heißt: „Hr. Prof. E. sagte mir, N. ist nun zerknirscht; und dieß ist das Gute, was sein Austritt in die Welt bewirkt hat. Er wähnte, daß ihm dort Alles offen stände, und hat jetzt gesehn, wie viel ihm fehlt.“ —
Diese offenbar erbetene Nachricht, so wie eine Stelle in Wolfgang Menzel’s erstem Briefe zeigen deutlich, daß Tieck trotz seines Zürnens, doch nicht aufgehört hat, an dem jungen Menschen, der ihn vielfach betrogen, Theil zu nehmen und sich nach ihm zu erkundigen.
Jedenfalls sind diese beiden Blättchen geeignet, sowohl psychologische Betrachtungen über ihren Absender als auch Mitleid für Tieck zu erregen, der während seines vieljährigen Aufenthaltes in Dresden unglaublich oft vom Andrange ähnlicher Gesellen zu dulden hatte, und dennoch jeder neuen Täuschung, mit ewig-jugendlicher Hingebung, zugänglich blieb.
Ueberraschend wird dem Leser die Kunde aus Amerika sein, welche David Strauß in einem seiner Briefe an T. über diesen N. ertheilt.
I
Dresden, den 5. Oct. 1827.
Wenn Sie es anmaaßend nennen, verehrter Meister im Leben, wie in der Kunst, daß ich Junge Ihr Schweigen ehrend nicht im Vorsaal bescheiden warte, bis Sie meinen Namen rufen, sondern in Ihr innerstes Gemach dringend Ihre höhere Beschäftigungen mit meinem kleinen Leben stören will, so kann ich zu meiner Entschuldigung Nichts erwiedern, als daß, da mir das Wasser bis an die Seele gestiegen, ich meine Rechnung mit dem Leben schließe. Hören Sie mich an, wie ich dieß meine. Ich habe von der Welt, die Sie um sich in urkräftigem Behagen geschaffen, Alles genossen, ich habe den Pulsschlag gehört, der Alles bewegte, und die feinsten Fibern an den äußersten Spizen des geistigen Körpers mitgefühlt. Ja ich glaubte schon im Traume den geheimen, heiligen Ort betreten zu haben, den Sie allein gefunden haben, wo Lachen und Weinen die lieblichste Melodie bildet, von dem aus in richtiger Perspektive alle Straßen und alle Gäßchen des menschlichen Lebens sich dem Auge darstellen, den, so offen er mitten auf dem Markte liegt, doch Niemand beschreiben kann. Wenn Sie darüber lachen und mich einen betrogenen Thoren schelten, so wag’ ich kühn einen Streit. Betrogen bin ich, aber – nur als Betrüger. Auch in Ihrer Schöpfung, das weiß ich wohl, gilt das herbe Wort: Mit Schweiß mußt Du Dir Dein Brod gewinnen! Daß ich aber darum den Meister betrügen konnte, ist mir eben das einzige, unaufgelöste Räthsel. Daß ich kein Faust bin, sag ich mit demselben Gefühl, das Hamlet lachen macht, wenn er sich dem Herkules vergleicht. Wohl aber kann ich mich wörtlich einen Don Juan nennen. Auch mit derselben Frechheit bin ich hieher gekommen und habe Ihren Geist gerufen und rufe Ihn wieder. Ja, ich flehe Sie an, treten Sie mir, nur eine Minute treten Sie mir, wenn ich so sagen darf, unkörperlich entgegen, so ist ja Alles entschieden. Entweder kann ich dann Ihren Anblick ertragen und – ich bin erlöst, die göttliche Gnade hat an dem Sünder Wohlgefallen und wem viel vergeben ist, der liebt viel, ich kann in Nichts ungöttliches mehr zurückfallen, oder ich kann Ihren Anblick nicht ertragen, verdammt sink ich nieder, Alles war Schein und Lug und Trug, und eine ewige Oede, eine unermeßliche Leere steht vor mir.
Ich habe, was ich geschrieben, wieder durchgelesen, aber mit Schrecken, wenn das Gefühl, von dessen Instinkt geleitet ich schrieb, nicht in dem Augenblick noch als mein eigenstes Leben pulsierte, ich verstände mich nicht aus diesen Worten, ach darum nur bin ich so unglückseelig, so verlassen u. einsam, wie keiner, weil Alles, was ich gebäre, todt zur Welt kommt – ja wenn ich mir denke, diese Worte vollends von einem Andern zu lesen, wie verächtlich würd’ ich darüber lachen, es schienen mir hochtönende Phrasen, leerer Schellenklang, die Unverjohrenheit, die man alltäglich sieht, und doch wag’ ich, gerade eine solche Sprache mit Ihnen, die mir schon zu niedrig ist? Ja! von Ihnen kann ich am wenigsten fürchten. Wie Ihnen Etwas erscheint, also ist es auch in der Wahrheit, sind es Ihnen Worte, so sind es auch wahrhaftig nichts, als Worte. Ich aber bin – ein dummer Teufel
Wilh. N…
II
Sonntag Abend.
Theuerster Mann!
Arg hat mich mein eigen Gewissen ob der Grobheit, mit der ich Ihnen genaht bin, gefoltert. Ich bitte Sie unter heißen Thränen, vergeben Sie dieß einem Knaben, den freilich der albernste Uebermuth zu Ihnen geführt hat, der aber dadurch hart genug gestraft ist, daß er Heimath, Verwandte und Freunde, ach Alles, worin er ganz lebte, verloren hat und nun einsam in der kalten Fremde da steht. Ich bin wieder demüthig geworden und habe Gott gebeten, er möchte mich nur irgend Etwas brauchbares noch werden lassen; wie ichs aber angreifen soll, um den Faden wieder aufzunehmen, nachdem die Jugend verloren ist, weiß ich nicht, ich habe Niemand, der mir rathen könnte, als Sie. Und wahrhaftig – Sie wären gewiß nicht so böse auf den letzten Brief geworden, wenn Sie gewußt hätten, wie schwer mirs auf dem Herzen lag, daß Sie mich für einen ganz andern ansahen. Den angenommenen Doktorrock wollt ich abwerfen und als armer Junge Ihnen zu Füßen fallen. Gebe Gott, daß Sie mir ins Herz sehen!
Voll der innigsten Verehrung
Wilhelm N…