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DAS ERBE DES AUSTROFASCHISMUS UND DES NATIONALSOZIALISMUS: DIE IDEALISIERUNG DER SICH AUFOPFERNDEN MUTTER

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Der Austrofaschismus in Österreich und der Nationalsozialismus in Deutschland und in Österreich haben in Hinblick auf das Bild der Mutter ein schweres Erbe hinterlassen, das immer noch tief im kollektiven Unbewussten verankert ist. Die Vorstellung von Weiblichkeit war in beiden Ideologien sehr ähnlich. Die Rollen waren ganz klar verteilt: Hier das Ideal des Mannes, der arbeitet, der Frau übergeordnet und ihr Versorger und Beschützer ist. Dort das Ideal der Frau, die sich nur im privaten Bereich aufhält, dem Mann dient, vor allem aber auf die Rolle der Mutter reduziert ist. Im Austrofaschismus war die Rolle der Frau religiös begründet, christliche Werte standen im Vordergrund, das Ideal war die Mutter Maria. Der „gottgewollte“ Geschlechterunterschied wurde unter anderem damit untermauert, dass Frauen keine höhere Bildung mehr erhalten sollten und verheirateten Frauen ein Berufsverbot auferlegt wurde (das mit vielen Ausnahmen letztlich „nur“ Lehrerinnen und Beamtinnen traf). So wurden in Österreich schon ab 1934 Errungenschaften der Zwischenkriegszeit zur Modernisierung der Gesellschaft wieder rückgängig gemacht.

Das war die ideale Vorbereitung für den Nationalsozialismus, in dem die Frau nur mehr auf ihre biologische Funktion als Gebärerin reduziert war, die viele Kinder auf die Welt bringt – die letztendlich als „Kanonenfutter“ dienen sollten – sprich: sie wurden als Soldaten im Krieg gebraucht. Das „Mutterkreuz“, mit einem großen Hakenkreuz in der Mitte, galt als hohe Ehre ähnlich den Auszeichnungen für die Soldaten. Es wurde vom „Führer“ verliehen, und zwar am Muttertag, den zuvor schon die Austrofaschisten wieder eingeführt hatten, nachdem er in Österreich wie in Deutschland schon in Vergessenheit geraten war.4

Das Mutterkreuz versinnbildlichte die Idealisierung der Mutter und war eine Auszeichnung für jene, die mehr als vier Kinder hatten und auch sonst allen (Wahn-)Vorstellungen der Nationalsozialisten entsprachen: Sie mussten „arisch“ sein, eine tadellose Lebensführung vorweisen, die Kinder mussten gute Noten haben etc. Um dieses Mutterkreuz war ein regelrechter Kult entstanden, der auch nach 1945 nicht völlig verschwand: Es gibt Berichte, wonach auch Jahre nach dem Krieg in Familien das Mutterkreuz auf einer Art Altar im Keller drapiert war …

Auch wenn wir mit dem Austrofaschismus und mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben wollen: diese unbewussten Prägungen sind noch immer präsent und besonders hartnäckig. Zumal das Bild der Frau als Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg wiederauflebte, denn nun wurden die Frauen in der Wirtschaft nicht mehr gebraucht, weil die Männer aus dem Krieg zurückkamen.

Unsere Großmütter und Mütter sind in dieser Zeit aufgewachsen und von dieser Zeit des Mutterkults geprägt, ob sie wollten oder nicht. Sie sind Role Models, Rollenvorbilder für Generationen von Frauen, an die sie diese Rollenbilder und Verhaltensmuster unbewusst weitergegeben haben und die diese Tradition wiederum unbewusst fortsetzen. Das lässt sich wissenschaftlich erklären: Eine relativ junge Disziplin der Biologie, die Epigenetik, untersucht die Metaebene der DNA, unseres Erbmaterials. In diesem Bereich ahnt die Forschung erst, wie Genmechanismen wirken, durch die Krankheiten und soziales Verhalten über Generationen weitergegeben werden.

Mut zum Rollentausch

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