Читать книгу Unter deutscher Kriegsflagge - Victor Laverrenz - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеEs ist keine künstliche Bewegung, welche Deutschland von Ost nach West gleichsam wie eine gewaltige Flutwoge durcheilt und Begeisterung weckt allenthalben in hohen und niederen Bevölkerungsschichten für eine starke, deutsche Flotte.
Nicht der Wille oder Wunsch eines Einzelnen ist es, und sei dies auch unser allseitig geliebter, von Freund und Feind — wenn er, einen solchen überhaupt besitzt — geachteter und verehrter Kaiser, nicht die Bestrebungen einiger wenigen sogenannten Flottenschwärmer, welche es verstanden hätten, mit klugem Wort und brandender Rede blindgläubige Massen mit sich fortzureißen.
Nein und tausendmal Nein! Die Begeisterung für die Marine ist ein Empfinden aus dem Inneren unseres Volkes selbst geboren, aus dem Blute, aus der Geschichte der Deutschen herausgewachsen, eine volkstümliche Bewegung im allerbesten und allerhehrsten Sinne des Wortes, und nicht ein blinder Zufall ist es, dass von Zeit zu Zeit dieser Drang nach dem Meere mit elementarer Kraft in unserm Vaterlande immer wieder zum Durchbruch gelangt.
Sind doch die Germanen von jeher ein echtes, von der Natur dazu vorbestimmtes Seevolk gewesen; insonderheit die nordisch-germanischen Völker haben schon in den urältesten Zeiten eine Macht auf den Wogen des Ozeans entfaltet, wie sie in der Weltgeschichte ihres Gleichen sucht. Wer kennt nicht die alten Wikinge, welche mit ihren Drachen die Meere durchfurchten vom hohen Norden bis zum fernen Süden hin, wer hat nicht aus den Heldenliedern der nordischen Seekönige Begeisterung und Erquickung getrunken?
Die Ereignisse der letzten Jahrhunderte haben Deutschland mit zwingender Gewalt dahin gedrängt, sich eine Flotte schaffen zu müssen, welche nicht nur stark genug ist, die etwa bedrohten Küsten des Vaterlandes gegen einen machtvollen Gegner zur See zu verteidigen, sondern auch, wenn es Not tut, selbst als Angreifer aufzutreten.
Gott sei Dank sind nunmehr die Zeiten, hoffentlich für immer, vorbei, wo das von inneren Kämpfen zerrissene deutsche Reich ein Gegenstand der Verhöhnung seitens der anderen Völker war und, die Faust in der Tasche geballt, mit verhaltenem Grimme zusehen musste, wie andere Nationen sich in die Länder und Schätze des Erdballs teilten. Heut haben wir im Rate der Völker ein gewichtiges Wort mitzureden.
Und dennoch dürfen wir uns nicht verhehlen, dass zur Zeit unsere Flotte noch nicht stark genug ist, mit den ersten Seemächten der Welt zu konkurrieren.
Viel ist noch zu tun; rüstig und rastlos müssen wir weiter bauen an der großen Aufgabe, welche uns der Ahn unseres erlauchten Kaisers, Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, mit seinem weitsichtigen Blicke als das erstrebenswerte Ziel gewiesen hat, und dessen Verwirklichung wir jetzt, nachdem Jahrhunderte verstrichen, endlich näher kommen, einer kraftvollen Entfaltung deutscher Wehrmacht zur See. Sie soll eines Tages dastehen in voller Blüte, auf voller Höhe, wie unser Landheer, nicht nur unübertroffen von der keines anderen Volkes, sondern unerreicht, ja unerreichbar. Das muss das Streben jedes einzelnen Deutschen sein, die erste Stelle unter den Völkern der Erde einzunehmen, unantastbar von böswilligen Feinden, unantastbar auch von seinen Neidern.
Darin liegt zugleich der größte Hort eines Weltfriedens, nach welchem sich in unserer Zeit alle Völker sehnen, mehr denn je; aber noch immer gilt der alte, von den Römern, den Meistern der Staatskunst, uns überkommene Spruch: Si vis pacem, para hellum.
Die Probe auf das Exempel, weshalb Deutschland einer starken Seemacht bedarf, ist gerade in unseren Tagen mit kaum geahnter Schärfe gemacht worden.
Im fernen Ostasien ist ein Brand ausgebrochen, der auch die europäischen Völker in Mitleidenschaft gezogen hat, und aus dem sich ein Weltbrand entwickeln kann, wenn die Kulturnationen nicht die Macht haben, ihn in seinen Anfängen zu ersticken und auf seinen Herd zu beschränken. Mit weit ausschauendem Geiste hat unser jugendlicher Heldenkaiser schon vor Jahren vorausgesehen, welche große Gefahr für den Weltfrieden sich dort in einem Reiche, das gewissermaßen den Brennpunkt der gegenwärtigen Weltpolitik bildet, auftun wird, und in dieser Erkenntnis warnend den Völkern Europas zugerufen: „Wahret Eure heiligsten Güter!“ Wenige haben damals den jungen Herrscher verstanden. Erst jetzt ist es den Nationen wie Schuppen von den Augen gefallen, was der deutsche Kaiser mit seinen Worten gemeint hat, und heut erkennt alle Welt, dass seine Warnung eine vollberechtigte war, dass diese heiligsten Güter Europas in der abendländischen Kultur bestanden, welche die ältere, aber in Stagnation geratene, asiatische Kultur mit mächtigem Flügelschlag in einer glanzvollen Entwicklung ohne Beispiel überholt hat. Hier aber können nur europäische Flotten helfen, und mehr als je vorher hat sich uns die Überzeugung aufgedrängt, dass auch wir unser Äußerstes daransetzen müssen, eine kraftvolle deutsche Flotte zu schaffen zur Wahrung unserer Ehre. Nichtswürdig nennt unser nationalster Dichter, Schiller, die Nation, welche dies versäumt.
Nun ist es an uns, dafür Sorge zu tragen, jene Forderung unseres Dichterfürsten zu erfüllen, und daher wollen wir geloben, lieber den letzten Blutstropfen hinzugeben, als würdelos zu unterliegen.
Ist es notwendig, so weiß der Deutsche für seine Ehre zu sterben, würdig zu sterben, und, was noch mehr ist, gern zu sterben. Das haben unsere blauen Jungen bewiesen, als im Jahre 1896 in fremden Gewässern der „Iltis“ unterging. Wie Helden sind sie in den Tod gegangen, singend und jubelnd. Wie Helden auch haben sie jetzt wiederum in China die Bluttaufe empfangen und sind gefallen für ihren Kaiser und für das ferne Vaterland.
Aus aller Welt erklangen die Lobpreisungen für das wackere Verhalten der deutschen Seeleute, welche sich in dem mörderischen Feuer des hinterlistigen Chinesenvolkes wert erwiesen haben, Brüder der Helden genannt zu werden, die 1870 auf den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs den Tod für deutsche Ehre gestorben sind. Doch heute wollen wir uns nicht mit so ernsten Bildern befassen. Nicht den Tod soll meine Feder schildern, sondern das Leben, wie es unseren stählernen Festungen Bewegung und somit erst die rechte Kraft verleiht. Was wäre die stärkste Flotte, wenn sie nicht Kraft und Leben erhielte von einer Besatzung, welche ihr an sich totes Material zu gebrauchen weiß! Dieses Leben will ich nun, soweit meine Kräfte reichen, auch den ferner Stehenden vor Augen zu führen suchen in allen seinen Äußerungen, in Freud und Leid, in Sonnenschein und Sturm, in ernsten und in humorvollen Tagen.
Vor der Ausreise nach China.
(Seine Majestät der Kaiser unter seinen blauen Jungen.)
Ja, der Humor, dieses köstlichste Geschenk, das von einem gütigen Schöpfer dem Germanen in die Brust gepflanzt ist, er kommt auch in unserem Marineleben voll zur Geltung, und mögen wir in eine Offiziersmesse schauen oder in die von den Mannschaften bewohnten Räume, überall tritt uns diese herrliche Gottesgabe entgegen, welche häufig gerade in den ernstesten Augenblicken so recht eigentlich zum Ausdruck gelangt und hinüberhilft über schwere Stunden. Wer den deutschen Seemann schildern will, wie er ist, ungeschminkt und unverfälscht, der darf den Humor nicht vergessen.
An dieser Stelle sei es mir gleichzeitig verstattet, den Zoll des aufrichtigsten und herzlichsten Dankes abzutragen an alle Diejenigen, welche mit dazu beigetragen haben, mir die Schaffung des vorliegenden Werkes als eines Spiegelbildes echt deutschen Seemannslebens zu erleichtern, ja zu ermöglichen.
Als ich mich im Sommer des Jahres 1900, just zu Beginn der Kieler Woche, nach unserem bedeutendsten Reichskriegshafen begab, um meine Studien für „Unter deutscher Kriegsflagge“ an Ort und Stelle zu machen bezw. meinen schon früher erworbenen Kenntnissen auf diesem Gebiete neue hinzuzufügen und den jüngsten Zuwachs unserer Flotte aus eigener Anschauung kennen zu lernen, da wurde mir nicht nur von Seiten des Reichs-Marine-Amtes und des deutschen Flotten-Vereins alle Unterstützung zu Teil, welche mein Unternehmen hätte fördern können, sondern auch von allen Kieler Behörden und insbesondere von den Kommandanten der einzelnen Schiffe erhielt ich jede, auch nur andeutungsweise gewünschte Förderung.
Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, alles trug in entgegenkommendster Weise dazu bei, die Reichhaltigkeit des von mir geplanten Werkes zu erhöhen, und nur dadurch bin ich im Stande gewesen, das zu schaffen, als was sich das vorliegende Werk jetzt präsentiert, umsomehr als sich auch der Verleger des Werkes in generöser Weise bereit gezeigt hat, kein Opfer, welches zur Erreichung des gesteckten Zieles dienen konnte, zu scheuen. Sie alle sind Mitarbeiter an dem Buche, welches ich jetzt als die Frucht meiner Studien der Öffentlichkeit übergebe, und ihnen allen gilt mein verbindlichster, aus tiefstem Herzen kommender Dank.
So mag denn das Werk hinausziehen in die Welt, und wie es mit Lust und Liebe geschaffen ist, mit Lust und Liebe aufgenommen werden einerseits von unserer Seebevölkerung, welche eine Erinnerung an ihre schöne in der kaiserlichen Marine verlebte Dienstzeit daran haben soll, andererseits aber von unserer Landbevölkerung, welche bisher kein umfassendes und getreues Spiegelbild des inneren Gebens unserer Flotte erhalten hat. Möge es jedem willkommen sein, dem Seemann wie dem Landbewohner, dem Offizier wie dem gemeinen Mann. Und wenn sich das Werk somit, wie beabsichtigt, als ein Bindemittel zwischen Land und See erwiesen hat, dann hat es seine Aufgabe erfüllt. Möge es seinen Flug nehmen wie der deutsche Aar:
Vom Fels zum Meer.