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Die Poesie des Seelebens.

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as Leben an Bord hat sich, seitdem die ungepanzerten Schiffe mit ihrer reichen Takelage und ihrem Pyramidenbau blendend weißer Segel abgeschafft sind, seitdem der Dampf und die Elektrizität ihren siegreichen Einzug in die Marinen aller Länder gehalten haben, von Grund aus verändert.

Segel gibt es in der modernen Kriegsmarine fast gar nicht mehr, wenigstens nicht auf den eigentlichen, für den Kampf bestimmten Schlachtschiffen; nur die Schulschiffe sind noch mit Masten versehen, welche den Zweck haben, in erster Linie Segel zu tragen, und diese verfolgen lediglich das Ziel, den jugendlichen Nachwuchs in der sogenannten „Seemannschaft“ auszubilden.

Die Dinge liegen heut zu Tage in der Tat so, dass die Seekadetten und Schiffsjungen, wenn sie den ersten Abschnitt ihrer Ausbildung hinter sich haben und das Schulschiff verlassen, einen sehr großen Teil dessen, was sie dort gelernt haben, vergessen, ja vergessen müssen, denn in dem weiteren Laufe ihres Lebens als Angehörige der Marine haben sie wenig Gelegenheit mehr, ihre Kenntnisse an unzähligem Tau und Segelwerk anzuwenden. Nur die kleinen Kreuzer sind noch mit Takelage versehen und auch bei ihnen ist dieselbe auf das kleinste Maß beschränkt und dient nur zur gelegentlichen Erleichterung für die Maschinen oder für den Fall der Not, wenn an der letzteren eine Störung eintreten sollte. Große Kreuzer und gar Schlachtschiffe besitzen überhaupt keine Segel mehr. Die Masten sind zu eisernen Panzertürmen geworden, deren Marsen (Mastkörbe) sich zu kleinen, mit Maschinengeschützen wohl armierten Festungen ausgebildet haben, oder sie sind lediglich Flaggenstangen zur Aufnahme des Signalapparates.

Infolgedessen ist auch die Ausbildung des Seemannes eine gänzlich andere geworden, als bisher; er ist nicht mehr der Seemann in der Bedeutung des Wortes, welche dieses früher hatte, er ist jetzt mehr Soldat zur See geworden. Fast könnte man ihn den Maschinisten zur See nennen, denn Alles auf den modernen Panzerungetümen wird mit Maschinen betrieben, in neuester Zeit, wo irgend angängig, mit elektrischen.

Nicht nur das Schiff selbst wird durch Maschinenkraft in Bewegung gesetzt, nein, es wird auf elektrischem Wege gesteuert, der Anker wird mit einer elektrischen Maschine aus dem Grunde gehoben, die schweren, viele Zentner wiegenden Panzertürme mit den kolossalen Geschützen können mit Hülfe der elektrischen Kraft durch einen einzigen Finger eines Mannes nach allen Richtungen hin bewegt werden. Kanonen und Gewehre sind zu Maschinen geworden und sogar das Trink- und Waschwasser werden durch elektrische Maschinen erzeugt.

Mancher will nun behaupten, die Poesie des Seelebens sei mit den Segelschiffen zu Grabe getragen worden. Es ist ja nicht zu leugnen, das alte Segelschiff mit seinen schlanken, himmelanstrebenden Masten, seinen Rahen, seinem vielen symmetrisch gestellten Takelwerk und seinen schneeweißen Segeln machte einen schönen, einen malerischen Eindruck. Wenn es so, von Sonnenglanz beschienen, dahinglitt auf den azurblauen Fluten, sich majestätisch und doch leicht, scheinbar spielend, auf dem Wasser wiegte, da glich es einem Schwan, der mit seinem weißen Gefieder seine Kreise durch den Weiher zieht.


Schulschiff „Stosch” unter Segel.

Die Lieblichkeit dieses Bildes ist allerdings geschwunden. Unsere modernen Panzerkolosse haben mehr etwas trutziges, etwas herausforderndes. Wuchtig, gewaltig und drohend ist in erster Linie der Eindruck, den sie bei dem Beschauer hervorrufen.

Aber dies ist kein Grund, zu behaupten, die Poesie sei aus dem Leben des Seemanns geschwunden. Sie ist nur eine andere geworden.

Auf Äußerlichkeiten lässt sich die Poesie nicht beschränken. Ob ein Schiff durch den Wind, der auf die Segel wirkt, getrieben wird, oder durch die Schrauben, die es mit eigener Kraft in Bewegung setzt, ist hierbei gleichgültig. Die Poesie liegt im Menschen selbst, in dem menschlichen Gemüte, und wer sie beim Segelschiff empfunden hat, der wird sie auch beim Panzer nicht vermissen.

Die Poesie des Meeres aber ist seit urewigen Zeiten dieselbe geblieben und wird dieselbe bleiben, solange die Erde steht. Ewig schön ist die Natur von Anbeginn bis in alle Ewigkeit.

Aber nicht nur das Meer, nicht nur die auf den Schiffen wohnenden Menschen verkörpert uns die Poesie. Die Schiffe selbst tun es ebenfalls. Sehen wir uns z. B. ein manövrierendes Panzergeschwader an.

Gewährt dieses nicht einen wahrhaft malerischen, wahrhaft poetischen Anblick?

Wie von geheimnisvoller Macht getrieben gleiten die stählernen Riesen durch die grünen Wogen dahin; einer Wetterwolke gleich quillt der massige Qualm in dichten Wirbeln aus den hochragenden Schornsteinen und von den Masten grüßen die buntfarbigen, im Winde lustig wehenden Flaggen.

Jetzt blitzt es auf in den Stückpforten. Grollend rollt der Kanonendonner über die weite, leichtbewegte Fläche dahin, und aus dem ehernen Mund der Geschütze steigen blendend weiße Wolken gegen Himmel, einen prachtvollen Kontrast mit den wallenden, dunklen Schwaden des aus den Schloten quellenden Rauches bildend,

Plötzlich bricht aus der Linie der schweren Schlachtschiffe eine Wolke von flinken, leichtbeweglichen Torpedobooten hervor, welche mit ungeheurer Schnelligkeit durch die Fluten dahinschießen, behände hierhin und dorthin jagend, ruhelos, rastlos in ewiger Bewegung, und schnell, wie sie gekommen sind, verschwinden sie wiederum, nachdem sie ihre verderbenbringenden Geschosse abgesandt, und suchen Schutz hinter ihren größeren und stärkeren Brüdern.

Wir werden später noch Gelegenheit haben, die Poesie des Seelebens in dem Entwickelungsstadium, in welchem sich dasselbe heutzutage befindet, näher zu zeigen. Eines jedoch können wir im Voraus behaupten: Gestorben ist sie nicht, die unvergängliche Poesie des Meeres, Sie lebt noch heute unter uns ebenso, wie in der grauen Vorzeit, welche mit Unrecht so häufig als die alleinige Besitzerin derselben hingestellt wird, und sie wird leben, solange es Menschen auf der Erde gibt.


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