Читать книгу Unter deutscher Kriegsflagge - Victor Laverrenz - Страница 6
Das deutsche Flottenmaterial.
Оглавлениеo gern ich auch meine lieben Leser mit trockenen Aufzählungen und statistischen Daten verschonen möchte, bin ich es doch der Bedeutung der deutschen Flotte schuldig, wenigstens in kurzen Zügen einen Überblick über den gegenwärtigen Bestand derselben zu geben. Letzterer wird gemeinhin von dem Landbewohner ganz wesentlich unterschätzt, und es erscheint daher notwendig, die vorhandenen kurz zu schildern und die Vertreter derselben namhaft zu machen.
Man kann getrost die Behauptung aufstellen, dass kein Ding auf der Welt so sehr der Veränderung unterworfen ist, wie gerade die Marine; denn rastlos ist der menschliche Geist an der Vervollkommnung der Erfindungen, an Verbesserungen und an Neuerfindungen tätig, und da die Marine mehr als alles andere eine Art Musterkarte der Erfindungen auf fast allen Gebieten industriellen Wesens ist, so erscheint es natürlich, dass das Alte bald von dem Neuen überholt wird. Kaum ist der neue Typ eines Kriegsschiffes geschaffen, so werden schon eine solche Unmenge von Verbesserungen und Veränderungen an demselben angebracht, dass der nächste den vorhergehenden wesentlich übertrifft.
Seit dem Jahre 1899 hat sich die äußere Einteilung der Marine ganz außerordentlich verändert. Sie ist wesentlich einfacher geworden; während wir früher mit vier verschiedenen Klassen von Panzerschiffen rechneten, teilen wir heut das Material derselben nur in zwei Gruppen: Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe. Die Avisos als Spezialschiffe sind ganz aus der Einteilung der Flotte verschwunden, die Kanonenboote auf ein Minimum reduziert. Die meisten der Schiffe, welche früher unter diese beiden Rubriken gerechnet wurden, sind bei der jetzigen Organisation unter die Klasse der Kreuzer aufgenommen. Auch die Einteilung der Kreuzer selbst ist vereinfacht; während wir früher vier Klassen derselben unterschieden, besitzen wir heut nur zwei: große und kleine Kreuzer. Allerdings sieht es gegenwärtig etwas buntscheckig innerhalb der einzelnen Gruppen aus; dies wird sich aber ändern, wenn die alten Bestände aufgebraucht und die neuen Typs an ihre Stelle getreten sind.
Im Wesentlichen setzt sich unsere Flotte aus folgenden Gruppen zusammen: Linienschiffe, Küstenpanzerschiffe, große Kreuzer, kleine Kreuzer, Panzerkanonenboote, Kanonenboote, Schulschiffe, Spezialschiffe, Torpedoboote und Hilfskreuzer.
An Linienschiffen besitzen wir dreizehn: „Sachsen“, „Württemberg“, „Bayern“, „Baden“, „Oldenburg“, „Brandenburg“, „Weißenburg“, „Kurfürst Friedrich. Wilhelm“, „Wörth“, „Kaiser Friedrich III.“, „Kaiser Wilhelm II.“, „Kaiser Wilhelm der Große“, „Kaiser Karl der Große“.
Im Bau befinden sich vier weitere Vertreter dieser Gattung,
Wir haben die hier genannten Schiffe der chronologischen Panzerkreuzer ,,Fürst Bismarck“. Reihenfolge ihrer Fertigstellung nach aufgeführt, so dass die neuesten und stärksten unserer Panzer zuletzt namhaft gemacht sind. Die Linienschiffe zerfallen in drei Gruppen: die Sachsen-Klasse, die Brandenburg-Klasse und die Kaiser Friedrich-Klasse.
An Küstenpanzern besitzen wir acht: „Siegfried“, „Beowulf“, „Frithjof“, „Hildebrand“, „Heimdal“, „Hagen“, „Odin“ und „Ägir“. Diese repräsentieren sämtlich einen und denselben Typ und weichen nur in der Große, jedoch unwesentlich, voneinander ab. Ein sehr buntfarbiges Aussehen trägt gegenwärtig die Gruppe der großen Kreuzer, da man aus Ersparnis-Rücksichten genötigt war, unter dieselbe auch ältere Panzerschiffe mit aufzunehmen, welche aufgebraucht werden müssen, aber den Anforderungen an solche nicht mehr entsprechen.
Panzerkreuzer „Fürst Bismarck”
Man hat sie unter die großen Kreuzer tangiert und hier tun sie ihren Dienst schlecht und recht, bis sie durch modernere Ersatzbauten abgelöst werden.
Diese Gruppe zählt augenblicklich elf Vertreter: „König Wilhelm“, „Kaiser“, „Deutschland“, „Kaiserin Augusta“, „Viktoria Luise“, „Hertha“, „Freya“, „Vineta“, „Hansa“, „Fürst Bismarck“ und „Nymphe“. „König Wilhelm“, „Kaiser“ und „Deutschland“ sind alte Panzerschiffe; ersteres war einst das größte und stärkste Schiff der deutschen Flotte und lange Zeit bewundert von Freund und Feind.
Linienschiff „Weißenburg” in Fahrt.
Sie werden bereits in den nächsten zwei Jahren durch Neubauten ersetzt werden. „Fürst Bismarck“ ist gegenwärtig der einzige Panzerkreuzer der deutschen Flotte und das bei Weitem modernste und leistungsfähigste Schiff dieser Gruppe. Es folgen die kleinen Kreuzer, von welchen wir 23 fertige und vier im Bau befindliche besitzen. Erstere heißen: „Zieten“, „Blitz“, „Pfeil“, „Arkona“, „Alexandrine“, „Greif“, „Irene“, „Prinzeß Wilhelm“, „Wacht“, „Jagd“, „Schwalbe“, „Sperber“, „Bussard“, „Meteor“, „Falke“, „Kormoran“, „Kondor“, „Seeadler“, „Komet“, „Gefion“, „Geier“, „Hela“ und „Gazelle“. Die Panzerkanonenboote stehen auf dem Aussterbe-Etat; ihr Typ wird nach Verbrauch der gegenwärtigen Vertreter durch die Küstenpanzerschiffe abgelöst werden. Ihre Gruppe ist dadurch besonders bemerkenswert, dass sie das größte Schiffsgeschütz tragen, welches überhaupt in der deutschen Marine Verwendung findet. Wir zahlen ihrer dreizehn: „Wespe“, „Viper“, „Biene“, „Mücke“, „Skorpion“, „Chamäleon“, „Basilisk“, „Krokodil“, „Natter“, „Salamander“, „Hummel“, „Brummer“ und „Bremse“. An Kanonenbooten besitzen wir sechs: „Wolf“, „Habicht“, „Iltis“, „Jaguar“, „Luchs“ und „Tiger“. Sie sind hauptsächlich für auswärtige Stationen bestimmt und zwar unzivilisierten Völkern gegenüber, die keine Kriegsschiffe ihr Eigen nennen. hier reichen sie hinsichtlich Stärke vollkommen aus; andererseits haben sie den Vorteil, dass sie nur einen geringen Tiefgang besitzen, mithin leicht in die Mündung der Flüsse eindringen und dieselben hinauffahren können.
Eine Sonderstellung nehmen die Schulschiffe ein. So schön auch der äußere Anblick ihrer Erscheinung ist, so haben sie doch nicht den geringsten Gefechtswert, und an ihnen zeigt sich so recht, welchen bedeutenden Schritt vorwärts unsere Marine gemacht hat, denn noch nicht allzu lange ist es her, dass diese Schulschiffe vollwichtige Kreuzerfregatten waren. An Erziehungsschiffen für Seekadetten und Schiffsjungen besitzen wir neun: „Charlotte“, „Stosch“, „Stein“, „Moltke“, „Gneisenau“, „Olga“, „Nixe“, „Marie“ und „Sophie“, Noch versehen sie ihren Dienst vollkommen, aber ihre Tage sind gezählt, und so großen Wert man auch bei der Heranbildung unserer zukünftigen Seeleute auf die „Seemannschaft“ legt, d. h. die Kenntnis der Segel und Takelage und den Einfluss des Windes auf dieselben, so werden wohl kaum in Zukunft solche Fregatten wieder gebaut werden. Bisher ist ihr Todesurteil noch nicht gefällt, aber es ist dies wohl nur eine Frage der Zeit; man will sich von der alten liebgewordenen Gewohnheit nicht losreißen, nicht ganz und gar brechen mit der von den Vätern überkommenen Seemannskunst; man wehrt sich noch dagegen, im Seemann nur den Maschinensoldaten erblicken zu sollen. Törichte Pietät! Die alten Fregatten mit ihrer stolzen Takelage werden den veränderten Bedingungen zum Opfer fallen; schon hat man den Anfang gemacht, bei ihnen abzurüsten, und ihre Takelage reduziert, da man sie nicht ganz beseitigen wollte. Doch eins steht fest: es wird ein Typ Schulschiffe erstehen, der gänzlich anders ausschaut, als der gegenwärtige, und wenn man auch bisher in der Ausbildung der Mannschaften auf Segelschiffen ein Mittel erblickt hat, dieselben zur Entschlossenheit zu erziehen, den Mut zu wecken und im Allgemeinen selbständiges wandeln bei dem einzelnen Mann zu bilden, so lassen sich diese für den Seemann unerlässlichen Tugenden auch auf anderen Schiffen erzielen. Die Verteidigung der alten Segelfregatten haben hauptsächlich die älteren Seeleute auf ihre Fahne geschrieben, welche selbst ihre Ausbildung auf ihnen genossen haben; aber schon erheben sich allenthalben Stimmen, welche ihre vollständige Streichung fordern. Außer den genannten Schulschiffen gibt es noch Spezial-Ausbildungsschiffe, welche ebenfalls unter diese Kategorie rubriziert werden. Wir nennen das Artillerieschulschiff „Mars“ mit seinen Tendern „Hai“ und „Ulan“, das Artillerieschulschiff „Carola“, das Torpedoschulschiff „Blücher“, die Minenschulschiffe „Rhein“ und „Otter“, sowie das Schulschiff für Küstenkunde „Grille“. Unter Schiffen für besondere Zwecke fassen wir folgende neun zusammen: Kaiserliche Yacht „Hohenzollern“, Vermessungsschiffe „Möve“, „Albatros“ und „Hyäne“, Stationsfahrzeug „Loreley“, Torpedoversuchsschiff „Friedrich Karl“, Transportschiff „Pelikan“ und die Hafenschiffe „Preußen“, „Friedrich der Große“ und „Kronprinz“. Hierzu kommen noch zwölf Torpedo-Divisionsboote und 86 Torpedoboote. Zu erwähnen sind noch die Hilfskreuzer, Dampfschiffe der Handelsmarine, welche so eingerichtet sind, dass sie im Kriegsfalle zu Transportzwecken für die Marine Verwendung finden und leicht bewaffnet werden können. Dies ist der tatsächliche Bestand der deutschen Flotte im Jahre 1900. Durch das neue Flottengesetz hat derselbe eine wesentliche Vermehrung erfahren. Es kann nicht der Zweck des vorliegenden Buches sein, hier genaue Daten von Einzelheiten zu geben, wie etwa Größe der Schiffe, Wasserverdrängung, Stärke des Panzers und der Bestückung, Kraftleistung der Maschinen, Kohlenfassungsvermögen, Fahrtgeschwindigkeit und dergleichen mehr. Wir würden damit ein Zahlenmaterial heraufbeschwören, welches in seiner Massenhaftigkeit unserm Leser kaum von Nutzen sein dürfte.
Da sich das Werk hauptsächlich mit den Mannschafts-Verhältnissen befassen will, so erscheinen vielleicht einige Angaben über die Besatzungen willkommen.
Dieselben verteilen sich auf die besonders bemerkenswerten Schiffsklassen der deutschen Flotte folgendermaßen: Kaiser Friedrich-Klasse 655 Mann, Brandenburg-Klasse 556 Mann, Sachsen-Klasse 389 Mann, Siegfried-Klasse 276 bezw. 206 Mann, Panzerkanonenboote 88 bezw. 78 Mann, große Kreuzer 732, 644 bezw. 617 Mann, kleine Kreuzer 450 bis 116 Mann, Kanonenboote 150 bis 85 Mann, Schulschiffe 455 bis 270 Mann.
Kaiserliche Yacht „Hohenzollern”
Die Spezialschiffe haben durchweg weniger Besatzung. Von einigem Interesse dürften noch die folgenden ganz kurz zusammengefassten Zahlen sein, welche sich auf Kosten und Herstellung der Schiffe beziehen. Die großen Linienschiffe verlangen eine Ausgabe von 15 bis 20 Millionen Mark für vollständige Herstellung und Ausrüstung, die neuen Panzerkreuzer, wie wir jetzt im „Fürst Bismarck“ den ersten seines Typs besitzen, kosten etwa ebenso viel.
Großer Kreuzer „Deutschland” im Kaiser-Wilhelm-Kanal.
Hiervon kommen etwa 55% auf den eigentlichen Schiffskörper, 20% auf Maschinen und Kessel, 20% auf die Bestückung mit Geschützen und Torpedos und 5% auf die Ausrüstung. Es ist zu bemerken, dass Deutschland und England verhältnismäßig am billigsten bauen; auch brauchen diese Nationen bei Weitem kürzere Zeit zur Fertigstellung eines Schiffes als andere Seemächte, namentlich Frankreich baut bedeutend langsamer, In Deutschland wird ein großes, nach allen Anforderungen der Neuzeit gebautes Panzerschiff innerhalb eines Zeitraumes von drei bis vier Jahren vollständig fertig gestellt.
Die Kosten für einen nicht gepanzerten, sogenannten geschützten, größeren Kreuzer betragen rund 8 bis 12 Millionen Mark, die der kleineren Kreuzer 4 Millionen.
Besitzt Deutschland somit schon eine recht stattliche und achtunggebietende Kriegsmarine, so steht dieselbe immer bei Weitem noch nicht im Verhältnis zu unserer sehr bedeutenden Handelsflotte und dem überseeischen Handel, der sich in der letzten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts machtvoll entwickelt hat. Deutschland nimmt gegenwärtig im Welthandel die zweite Stellung ein; es rangiert direkt hinter England, dem es in vielen Teilen der Erde bereits eine sehr gefährliche Konkurrenz macht. Es ist daher begreiflich, wenn England mit scheelen Augen auf die immer blühender sich entwickelnden überseeischen deutschen Handelsbeziehungen blickt und eifersüchtig jede Stärkung der deutschen Seemacht beobachtet. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu behaupten, dass sich zwischen diesen beiden Rivalen einst noch ein ernster Kampf entfalten wird. Deutschland hat alle Ursache, scharf auf der Wacht zu sein.