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Rein Schiff.

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aren Sie schon einmal des Sonnabends Vormittags an Bord? Nein? Das müssen Sie sich ansehen, wenn Sie einen Begriff vom Schiffsleben haben wollen!

Ich rate Ihnen aber ernstlich, folgende Vorbereitungen zu treffen: Sie müssen vor allen Dingen wasserdichte, bis unterhalb des Knies reichende Stiefel haben, so etwa, wie sie der erste Offizier an Bord trägt, oder der Bootsmann, der diesem Alles nachzumachen sucht. Gummischuhe anzuziehen, würde Ihnen gar nichts nützen, nicht das Allergeringste, denn das Wasser würde Ihnen einfach von oben in dieselben hineinlaufen; ist man doch hiervor kaum sicher, wenn man Kniestiefel an hat.

Besitzen Sie einen Gummimantel, so ziehen Sie diesen an, wo nicht, wählen Sie das schlechteste Zeug aus Ihrer Garderobe und seien Sie versichert, dass es noch schlechter von Bord zurückkommt. Hat Ihnen Ihr frisch aufgebügelter Zylinder irgend eine tödliche Beleidigung zugefügt, so setzen Sie diesen auf. Er wird die Kränkungen, welche er Ihnen angetan, dort bitter büßen. Handschuhe ziehen Sie nicht an, dieselben würden beim ersten Griff hinüber sein; Ihre Hände können Sie leicht wieder waschen.

Wenn Sie in dieser Weise vorbereitet sind, dann folgen Sie mir. Es ist Sonnabend, vor uns liegt ein schmuckes Schulschiff, auf dem wir noch das alte „Rein Schiff“ mit Sand und Steinen beobachten können. „Gebetbücher“ nennt der Witz des Matrosen diese viereckigen Scheuersteine, und da er beim Scheuern mit denselben auf den Knien liegen muss, so nennt er dieses „beten“.


Rein Schiff.

Jetzt geben Sie acht, ergreifen Sie das herunterhängende Tauende, und wenn das Boot sich hebt, schwingen Sie sich auf die Fallreepstreppe. Achtung, bücken Sie sich, es kommt gerade ein Wasserfall von oben. Gott sei Dank, dass Sie den Aufgebügelten nicht genommen haben; er wäre jetzt geliefert, ehe wir noch an Bord sind; diesen Guß hätte er nicht ausgehalten. Ja, und Ihr Paletot sieht schön aus, ähnlich wie eine Karte der Bermudas-Inseln, die über Bord gefallen war und nach acht Tagen wiedergefunden wurde.

Nun können wir aufatmen, denn wir sind oben. Aber, mein Gott, wie sieht es denn hier aus? Das soll ein deutsches Kriegsschiff sein? Das macht ja den Eindruck, als wäre man in eine Wasserschlacht geraten.

Sie haben recht! Es ist eine Wasserschlacht! Ununterbrochen speit das Rohr der Dampfpumpe armdicke Strahlen auf das Deck, in die Dützen, die Wassergänge, auf die Treppen, die Skylights und sonst wohin, wo Wasser gebraucht wird, und Wasser wird heut überall gebraucht. Der erste Offizier und der Wachthabende sind zwar sehr liebenswürdig zu uns und stellen uns frei, alles eingehend zu betrachten, indessen Zeit haben sie keine Sekunde. Namentlich der erstere taucht bald hier bald dort an Deck auf, immer an Stellen, wo man ihn gar nicht vermutet, und man bekommt Veranlassung zu der Frage: „Wieviel erste Offiziere sind denn eigentlich hier an Bord?“ Oh, es ist nur ein einziger; aber der Mann kann sich verdoppeln, vervierfachen, verzehnfachen, ja verhundertfachen, wenn es sein muss. Dafür ist er eben erster Offizier. Wenn er es nicht könnte, wäre er es nicht, wenigstens kein ordentlicher.

Mitten zwischen den Mannschaften herum wimmelt der Bootsmann. Er sieht dem ersten Offizier alle Eigenheiten ab und bemüht sich nach Kräften, ihm ähnlich zu werden. Namentlich seine Ausdrücke wendet er mit Vorliebe an.


Geschützputzen.

Da der erste Offizier eine besondere Art hat, die Leute mit einer feinen Ironie zu behandeln, und der Bootsmann, dessen ganze Natur entgegengesetzt geartet ist, ihn zu imitieren sucht, so kommen oft die merkwürdigsten Zusammenstellungen zu Tage.

„Klusemann, wollen Sie nicht die Freundlichkeit haben, Ihren Deckabsetzer fester aufzudrücken, — sonst rejiert Ihnen ein heiliges Donnerwetter!“

„Lieber Davideit, tun Sie mir die einzige Gefälligkeit und haben Sie die Güte, Ihr dreckiges Seifenwasser aus dem Zwischendeck hier nicht auf das frischgescheuerte Oberdeck zu gießen, sonst sollen Sie mir kennen lernen, Sie Himmelhund Sie!“

„Bitte, haben Sie die Liebenswürdigkeit, sich wo anders hinzuscheren, wenn Sie hier fertig sind; sonst bringe ich Sie hin, dass Sie denken sollen, der Großmast ist der Zahnstocher des heiligen St. Georg.“

Die Bootsmänner entwickeln sich meist zu Originalen und jeder hat seine Besonderheiten. Tüchtig sind sie alle in ihrem Dienst; was aber ihre Erfindungsgabe in Scheuer- und Putzmitteln anbetrifft, so schlägt einer den Rekord des andern. Da ist z. B. die Lauge, eine Mischung, welche beim Deckwaschen verwendet wird, deren geheimnisvolle Zusammensetzung und Zubereitung von den betreffenden „Erfindern“ sorgsam gehütet wird.

Jede für den genannten Zweck bestimmte Lauge besteht nämlich aus Wasser, Seife und Soda, darf auch aus nichts anderem bestehen, damit nicht etwa schädliche Zutaten verwendet werden. Das große Geheimnis beruht aber in der „richtigen“ Zusammensetzung, nämlich nicht nur „wieviel“ Wasser, Soda und Seife genommen werden muss, sondern auch in welcher „Reihenfolge“ diese Ingredienzien in das Mischgefäß getan werden müssen.

Jeder Bootsmann hat hier sein besonderes „Rezepft“ und behauptet natürlich, dass das von ihm erfundene das alleinseligmachende sei. Genau so geht es mit der Stengenschmiere und mit vielem anderen, und wer es mit seinem Bootsmann nicht verderben will, der lasse sich „recht viel“ von seinem Mittel geben, da dasselbe „zu schön“ sei. Während nun den ganzen Vormittag über ein Teil der Mannschaft auf den Knien liegt und „betet“ (scheuert), der andere mit Pützen und Baljen hantiert, wieder ein anderer Schrubber, Besen und Deckabsetzer gebraucht, fliehen die dienstfreien Offiziere, Seekadetten und Badegäste, aufgescheucht wie die Hühnervölker bei der Herbstjagd, von einem Versteck in‘s andere, denn unten ist es nicht auszuhalten. Das Scheuern und Poltern direkt über dem Kopfe macht auch den stählernsten Mann nervös. Zuerst finden die Aufgestörten Zuflucht auf der Kampagne. Hier werden sie jedoch bald durch Wasserfluten vertrieben. Sie flüchten in die Boote und schließlich in die Marsen und kommen erst wieder herunter, wenn dies ohne Lebensgefahr geschehen kann, nämlich ohne die Gefahr zu ertrinken. Vollständig verloren aber ist der Besuch an Bord. Er kennt die Verhältnisse nicht so genau und kann sicher sein, dass er in die Scylla fällt, wenn er die Charybdis vermeiden will. Am Sonnabend ist nämlich Wasser der Götze, zu dem der Seemann betet, und wer sich heute darüber beschweren würde, dass er nass gemacht wird, den würde man einfach auslachen. S‘ ist ja heute Sonnabend! Da ist dem Reinlichkeitsteufel Macht gegeben über die Seelen der Offiziere und Mannschaften.

Während auf dem Oberdeck, im Batterie- und Zwischendeck die Reinigungswut ihre Orgien feiert, geht es an den Außenwänden des Schiffes nicht anders zu.

Hier sind die Außenbordsreiniger damit beschäftigt, dem Schiff ein hübsches Kleid anzuziehen, und wo das Wasser mit der „Patentlauge“ nicht ausreicht, da muss die Ölfarbe nachhelfen. Besondere Sorgfalt wird auf den schönen, scharfen, roten Strich verwendet, der sich an der Reling die ganze Längsseite des Schiffes entlang zieht vom Bug bis zum Heck. Er verleiht dem Schiff etwas Schmuckes, etwas Vornehmes, etwas Elegantes und muss daher mit besonderer Liebe behandelt werden. Kein Wunder, wenn erster Offizier und Bootsmann gerade auf diesem Strich viel „herumreiten“.

Ist das Deckscheuern beendet, so beginnt das Putzen. Hierzu gehört auch in erster Linie das Geschützputzen, welches unter Aufsicht der Unteroffiziere vorgenommen wird. Die einzelnen Teile werden auseinander genommen, und der Unteroffizier benutzt die Gelegenheit, hierbei eine außeretatsmäßige Instruktionsstunde abzuhalten, denn es sind immer Jungen dabei, welche dies oder jenes nicht begreifen; z. B. ist der Begriff Seelenachse, eine durch die Mitte des Inneren des Rohres (der Seele) „gedachte“ Linie, sehr schwer fassbar und gibt Manchem etwas zu denken auf.

So geht die Reinigungszeit bis zum Mittag. Endlich wird „Klaaar Deck“ gepfiffen, dann geht‘s an Backen und Banken und wahrlich, heut schmeckt‘s noch einmal so gut.

Jetzt wollen auch wir das Schiff für heute verlassen, denn wir wissen nun, wie es bei „Rein Schiff“ auf demselben zugeht. Auch bei uns regt sich der Appetit, wir müssen eilen, von Bord zu kommen, denn ehe wir uns zur Table d‘hôte begeben können, müssen wir uns von Kopf bis Fuß umziehen.


Patentlauge.

Unter deutscher Kriegsflagge

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