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Es war kalt geworden in den letzten paar Tagen und der Nebel hing in den Feldern, als Sania Besassys die Fahrt in Richtung „Le Dauphin“ antrat. Sie blickte zu den Umrissen der schweren Wolken am Himmel hoch und hoffte, sie käme noch vor dem Einsetzen des Schneefalls dort an, um pünktlich ihre Schicht als Bedienung anzutreten. Ihrer Erfahrung nach lohnte es sich durchaus, diesen Knochenjob in der Weihnachtszeit zu machen.

An Hochzeiten oder aber Weihnachtsfeiern waren die meisten der Gäste sowohl betrunken als auch rührselig eingestellt. Alles in allem eine verheerende Mischung für ihr Portemonnaie.

All das sagte sich Sania wieder mal tapfer, als sie ihre Zweite zehn – Stunden - Schicht an diesem Wochenende antrat. Sie sah bereits von Weitem, dass ihr Chef mehr als angespannt war. Kein Wunder, mit gleich zwei Weihnachtsfeiern war sein Lokal vollständig ausgebucht und sein Personal mehr als beschäftigt.

Doch als sie an den Tresen trat, überfiel ihr Chef sie mit einer noch viel größeren Hiobsbotschaft. Neben den langwierigen Feiern würde es am Abend noch einen weiteren speziellen Gast geben. Dieser drohte mit seiner glänzenden Anwesenheit dem „Dauphin“ die endgültige Ehre anzutun. Da das Restaurant beinahe direkt neben dem größten und teuersten Hotel der Stadt lag, war es nicht das erste Mal, dass ein Superstar oder einer der Mächtigen aus Politik oder Wirtschaft dort einkehrte. Sanias Chef versuchte, das drohende Unheil von seinem Laden abzuwenden. Doch alle Vorschläge wurden in höflichem, wie auch in sehr schlechtem Französisch abgelehnt. Sania begann sich zu fragen, was wohl mehr zur Wut ihres Chefs beitrug. Die Tatsache für eine Berühmtheit jede Menge Unpässlichkeiten auf sich nehmen und einen Raum seines Lokals sperren zu müssen oder die Tatsache dass dieser „Engländer“, wie ihr Chef zwischen den Zähnen vorstieß, es wagte Sebastians schöne Muttersprache zu verstümmeln. Der Fakt das bereits jetzt schon kreischende Mädchen das Restaurant umlagerten, lies ihn nur noch wütender werden. Sania wunderte sich, wie schnell sich die Nachricht, herumgesprochen hatte. Und sie musste leicht grinsen, als sie die Predigt ihres Chefs hörte, die Belegschaft habe sich strikt an die Professionalität zu halten. Er, Sebastian, wünsche keine Grenzübertretungen zwischen dem Personal und den Gästen. Bitten um Autogramme oder andere Anbändelungsversuche wolle er hier nicht sehen. Sein Lokal müsse seinen Ruf wahren.

Während sich Sebastian immer mehr in seine Vorstellungen von Moral und Professionalität verstieg, klingelte Sanias Handy. Auf dem Display des Geräts leuchtete die Nummer ihres zweiten Chefs, Redakteur des örtlich ansässigen K.-Kuriers, auf. Sania ahnte die Katastrophe kommen. Natürlich hatte der Redakteur, ähnlich den vor dem Restaurant wartenden Damen, Wind von der brisanten Neuigkeit bekommen und wollte sich seinen Teil an der Beute sichern.

„Ich bin bereits vor Ort“, war alles was Sania unauffällig in das Telefon flüsterte. Nach dieser Information begann ihr Redakteur vor Freude zu jubeln.

Sania aber überlegte, ob sie die Sache nicht lieber ablehnen sollte. Sebastian hatte vorhin sehr deutlich gemacht, was er von Annäherungsversuchen jedweder Art halten würde. Und Sania vermutete, dass ein Interview, egal wie professionell, da keine Ausnahme darstellte.

Außerdem war der Star ein Engländer und ihre Sprachkenntnisse mehr als dürftig. So oder so drohte ihr eine totale Katastrophe, eventuell sogar der Verlust eines ihrer Jobs. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Das Geld, das der Artikel einbrächte, könnte sie gut gebrauchen.

Also sah Sania sich nach dem letzten Strohhalm greifen, der ihr einfiel.

Kurz, nachdem ihr Redakteur aufgelegt hatte, wählte sie die Nummer einer Studienfreundin.

Charlotte sollte den Star für sie übernehmen und auf Herz und Nieren prüfen. Sie war sich sicher, Charlotte würde sich eine derartige Gelegenheit nicht entgehen lassen, so wie sie drauf war. Charlotte war ziemlich schlagfertig, geradezu großmäulig, bis über beide Ohren durchgeknallt und, wie sie zu sagen pflegte: „… für dieses Kaff viel zu hochkarätig“.

Jemand wie sie wäre die Richtige für diese Art von Auftrag und für dieses Schauspiel. Sania begann ihr hastig am Telefon zu erklären, wie genau ihr Schlachtplan aussah. Charlotte sollte mit Sanias Papieren und Informationen ausgestattet versuchen sich dem Sternchen zu nähern um ein paar exklusive Momente und Auskünfte aus ihm herauszupressen.

Charlotte lachte. „Endlich mal was los in diesem Dorf hier! Ist mir immer noch unerklärlich, warum der in eurem Kaff abgestiegen ist. München, ja vielleicht, Stuttgart, sicherlich … Aber hier?“

Sinnlos Charlotte zu erklären, wer schon alles im „Dauphin“ abgestiegen war. Sania dachte sich, wenn man in der weiten Welt aufgewachsen war, dann war es unter Umständen vermutlich echt unglaublich, dass es so ein Hotel genau hier geben sollte. Immerhin, sie konnte Charlotte von ihrem Plan „Doppeltes Lottchen“ zu spielen überzeugen.

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