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PROLOG

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Die elf Männer hatten sich in dem dunklen Gewölbe zu einem Halbkreis versammelt. Flackernder Kerzenschein warf die Schatten ihrer Konturen an das alte Gemäuer, dessen rote Ziegel im Laufe der Zeit gelitten und sich an einigen Stellen schwarz verfärbt hatten. Die Luft, kühl und feucht, atmete den Geruch von nahezu zwei Jahrhunderten und war angereichert mit würzigem Weihrauchduft, den eine kleine Messingschale auf dem Tisch am hinteren Ende des Raumes verströmte.

Hell leuchteten ihre langen, weißen, mit Kordeln geschnürten Kutten. Auf der linken Brust prangte jeweils ein rotes Kreuz. Schweigend und mit unbewegter Miene schauten die Männer auf den Großmeister. Er stand, von zwei mannshohen Kerzenleuchtern flankiert, am offenen Ende des Kreises. Zu seinen Füßen kniete ein zwölfter Mann, den Kopf demütig gesenkt.

Gemäß dem Ritual legte der Großmeister ihm die Hand aufs Haupt und ließ sie dort für einen Moment liegen, bevor er sie wieder zurückzog. Wie auf ein Zeichen hin hob der vor ihm kniende Mann sein Gesicht und richtete seinen Oberkörper auf. Er legte die rechte, geballte Faust auf das leuchtend rote Kreuz und begann, den Schwur zu rezitieren:

»Ich schwöre, meine Rede, meine Kräfte und mein Leben in die Verteidigung des Bekenntnisses des in den Mysterien des Glaubens gegenwärtigen Gottes zu heiligen. Ich gelobe dem Großmeister des Ordens Unterwerfung und Gehorsam. Sollten Unbill und Ungerechtigkeit herrschen, werde ich dem entgegentreten. Mein Kopf und mein Arm sollen der Wahrheit gehören. Niemals werde ich feige die Flucht ergreifen, sondern unsere Feinde bis zum Letzten bekämpfen.«

Ein Luftzug ließ die Flammen der Kerzen flackern, Totenstille hatte sich über die Anwesenden gesenkt.

Aller Augen waren auf den Großmeister gerichtet. Das warme Kerzenlicht milderte die Schatten seiner tiefen Furchen auf Wange und Stirn. Wie ein Glorienschein umgab das schlohweiße Haar sein Haupt und verlieh seiner Erscheinung eine mystische Aura. Er sah die Umstehenden der Reihe nach an. Sein Blick schien jeden von ihnen zu durchbohren, so als wolle er ihre geheimsten Gedanken ergründen, um sich ihres unbedingten Gehorsams und ihrer unverbrüchlichen Treue bis in den Tod zu versichern.

Dann wandte er sich langsam um, griff nach dem einfachen Holzkreuz, das auf dem Tisch hinter ihm lag, und hielt es dem Knienden entgegen.

»Stelle nun deinen Kampfesmut und den unbeug-samen Willen, dem Orden zu dienen, unter Beweis:

Spucke dreimal auf dieses Kreuz! Verleumde Jesus Christus!

Dieser Akt soll dich stärken und vorbereiten auf das, was der Feind dir abverlangt, solltest du ihm im heiligen Kampf unterliegen. Denn er wird dich zwingen, dem Herrn abzuschwören und ihn zu verhöhnen.«

Für einen Moment senkte der Kniende den Blick, er schien zu zögern. Doch dann hob er ihn wieder und sah dem Großmeister fest in die Augen.

Er neigte sich ein Stück nach vorn und spuckte dreimal hintereinander auf das Kreuz.

Der Großmeister legte das heilige Symbol zurück auf den Tisch und reinigte es mit einem weißen Tuch. Dann schritt er zu der dahinter liegenden Wand, die von einem dunklen Vorhang verborgen war. Mit einem Ruck zog er den Stoff beiseite und enthüllte ein Bild mit dem Antlitz Jesu Christi.

Der Kniende erhob sich und stellte sich neben den Großmeister, während sich die übrigen Männer erneut zu einem Halbkreis formierten.

Der Großmeister erhob seine Stimme:

»Erweist dem neuen Primus eure Ehre!«

Einer nach dem anderen kniete vor dem Zwölften nieder, hob den Saum seines Gewandes, führte ihn zum Mund und berührte ihn mit den Lippen.

Als der letzte der Ritter seine Ehrbezeugung kundgetan hatte, holte der Großmeister eine kleine, dunkelblaue Schachtel unter seiner Kutte hervor und öffnete den Deckel. Würdevoll überreichte er dem Primus das Kästchen und legte es in seine ausgestreckten Hände.

»Ich habe dich erkannt und auserwählt. Du bist der Richtige für diese Aufgabe«, sprach er zu ihm. »Zum Zeichen meiner Liebe und Anerkennung übereiche ich dir dieses wertvolle Kleinod.«

Der Primus sah auf das mit weißem Satin überzogene Kissen, in dessen Mitte ein rotes Kreuz eingestickt worden war. Darauf lag ein Siegel aus gehämmertem Silber.

Tränen traten ihm in die Augen, bevor er sie schloss und die Medaille inbrünstig mit seinen Lippen berührte.

Blutiges Erbe in Dresden

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