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Kapitel 5 Catastrophe

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Das Anwesen war einfach der Wahnsinn!

Noch nie hatte Lexi solch einen wertvollen Ort betreten dürfen. Und wenn, dann nur in strikter Anordnung irgendwelcher Reiseführer oder Lehrer ihrer Schulzeit. Doch jeder wusste, dass man hierbei nie die spannenden Details der Geschichte sehen würde.

Vermutlich würde sie auch heute keine Gelegenheit dazu haben, sich ein wenig genauer umzusehen, doch allein der Anblick der Bierkisten und des Abfalls in solch einem Ambiente hatte sie genug gereizt.

Ihr gefiel so etwas.

Die Verbindung zweier gegensätzlicher Fixpunkte, die einen auf magische Art und Weise anzuziehen zu schienen, obwohl keiner von beiden in der Lage war, sich zu bewegen.

Lexi liebte den Sinn für Details.

Und genau diese winzigen Feinheiten, die Bierflaschen, die Notizen des Regisseurs auf dem provisorisch aufgestellten Klapptisch, eines der Kleider, welches halb von einem Kleiderbügel gerutscht war, der an einer Stange auf Rollen in den Raum geschoben war.

Das harte Metall auf dem wertvollen weißen Marmor, unter welches man kleine Schutzfilzstücke gesteckt hatte, um nichts darunter zu zerkratzen oder Spuren zu hinterlassen, die den Ort entwürdigen würde.

Wenn nicht ohne hin jedes einzelne Detail hier bereits Entwürdigung bedeuten konnte.

Aber genau das war es, was Lexi so sehr liebte.

So hatte sie Prince’ Annährungsversuche schnell beiseitegeschoben und war ungeachtet einfach an ihm vorbeigegangen, um sich selbst ein wenig umzusehen.

Weit war sie nicht gekommen, denn überall schickte man sie weiter, waren entweder Vorbereitungen für den Dreh im Gange oder aber man war zu beschäftigt, um nun Ablenkung dulden zu können.

Aber nicht einmal das hatte Lexi gestört.

Sie war zu fasziniert von all den Details, sodass sie ebenfalls nicht bemerkt hatte, wie schnell doch die zwanzig Minuten vorüber waren und Prince sie zurück zum Team brachte.

Man hatte ihr erklärt, wie der Dreh ablaufen würde, dass man ihre Szenen mit einigen Ausschnitten aus dem Film verbinden würde. Lexi hatte dies nicht sonderlich gewundert, war es doch einer der üblichen Arten von Musikvideos für einen Kinofilm. Schließlich sollte man auf Anhieb erkennen können, zu was der Song gehörte.

Sie hatte auf dem aktuellen Stand auch nichts dagegen gehabt, würde diese Verbindung sicherlich auch ihr nutzen können.

Lexi hatte ein kurzes Fitting hinter sich gebracht, in dem recht bald klar wurde, dass sie beinahe alles so anlassen konnte, wie sie es bereits trug.

Ihre enge Skinnyjeans war erlaubt, ebenso ihre lässigen Chucks. Lediglich den weinroten Pulli hatte man mit einer goldenen, edel wirkenden Kette aufgewertet, die ihr locker über die Brüste fiel. Passend dazu gab es ein paar goldene Armreifen als Details. Ihre Lederjacke würde sie bei dem Dreh nicht benutzen dürfen, würde sie doch einen zu harten Stilbruch bedeuten, was Lexi beinahe schon zum Lachen gebracht hatte.

Wenn das Leder den Stil brach, würden es die Screamingparts sicherlich erst recht tun.

Doch da Prince selbst beim Fitting nicht dabei war, welcher vielleicht ein gutes Wort für ihre charismatische Jacke gehabt hätte, beließ es Lexi dabei.

Immerhin durfte sie beinahe ihren Stil gänzlich behalten, man versetzte ihr nur einen weiblicheren Touch.

Auch ihre langen Haare hatte man in sanfte Wellen gelegt, sie hin und wieder ein wenig aufgelockt und ihr Makeup ordentlich abgepudert. Man hatte ihr ein recht unauffälliges Makeup angeboten, doch Lexi hatte sich für einen dunkleren Touch durchsetzen können. Man trug ihr ein braungoldenes smokey eye auf und sie durfte ihren schwarzen Eyewing behalten.

Abgerundet wurde das Ganze mit einem knalligen, samtenen roten Lippenstift, der definitiv nach Alexis’ Geschmack war.

Nachdem man Lexi für den Dreh hergerichtet hatte, brachte man sie zum eigentlichen Drehort.

Der erste Take würde in einem kurzen Flur stattfinden, der in goldene Töne gehüllt und ebenfalls von wunderschönem Stuck besetzt war. In einigen Metern Abstand befanden sich große, weiße Säulen, auf welchen das Gebäude gestützt wurde. Sowohl die Wände, als auch die Decke waren übersäht von unzähligen Verzierungen, die in dunkelblauen und beigen Tönen gehalten waren. Zwischendrin befanden sich immer wieder goldenen Kronleuchter, sowohl an den Decken, als auch an den Wänden. Der Flur an sich war beinahe ohne Möbel. Lediglich ein kleiner, hölzerner Beistelltisch stand gegenüber einem großen, schwarzen Flügel.

Lexi hatte sich sofort in ihn verliebt.

Man wies Alexis an, auf der rechten Seite aus einer großen Tür zu treten. Man würde den Raum in einer späteren Bearbeitung verdunkeln und ihm einen düsteren Touch verleihen, den Lexi sich nun vorstellen sollte. Man gab ihr einen goldenen Kerzenständer in die Hand und sie sollte so tun, als würde sie das Schloss erkunden. Dabei würde man das Lied abspielen lassen, sodass sie würde mitsingen können, würde man sie schließlich in den Szenen singend zeigen.

Die ersten Takes waren Lexi deutlich schwerer gefallen und sie kam sich wirklich unprofessionell vor.

Doch wie sollte sie sich passend verhalten?

Lexi hatte den Film nicht gesehen, natürlich nicht, war er schließlich noch nicht erschienen.

Ihr fehlte definitiv die Stimmung dazu.

Nachdem Lexi die Szene ein paar Mal hatte wiederholen müssen und man nie wirklich zufrieden mit ihr war, war Prince ans Set getreten.

Er schien sie beobachtet zu haben, während er sich in der Nähe einer Kamera platziert hatte.

Verdammt, sie wollte den Job nicht vermasseln!

Doch was sie ändern konnte, um ihnen das zu geben, was sie wollten, konnte sie auch nicht sagen.

Schließlich wies man eine kleine Pause an, in der sie noch einmal abgepudert werden und man die Kerzen auf dem Leuchter erneuern würde, die in einem nicht angemessenen Maße bereits heruntergebrannt waren.

Während man sich um ihre Glanzpunkte kümmerte, war Prince zu ihr getreten und hatte sich kurz umgesehen. Es sah mehr beiläufig aus und wirkte nicht so, als würde er den Ort tatsächlich zum ersten Mal sehen, aber ein wenig beruhigte Lexi seine Anwesenheit.

„Genau genommen ist es eine ziemlich kitschige Liebesgeschichte“, sagte er plötzlich und Lexi blickte direkt zu ihm.

„Er ist aus einem reichen Haus, sie aus armen Verhältnissen. Dennoch findet er gefallen an ihr, aber er hat vor einiger Zeit verlernt, was Vertrauen bedeutet. Er hatte einige Frauen, die nur auf seinen Reichtum aus waren.“

Lexi hatte Prince schweigend zugehört, während er von der Geschichte seines Buches erzählte.

„Du erzählst seine Geschichte“, sagte er schließlich und sie sah ihm einen Moment eindringlicher entgegen. Nun erst sah er auch zu ihr herüber und fing ihren Blick auf.

Sie nickte leicht und verzog ihren Mundwinkel zu einem kaum merklichen Lächeln.

Auch wenn sie nichts erwiderte, so hatte Lexi verstanden, was ihre Aufgabe war.

Die folgenden Takes liefen deutlich besser.

Lexi hatte begriffen, dass sie kein Teil der Geschichte sein würde. Sie würde sie lediglich mit ihrem Gesang, mit ihrer Stimme erzählen.

Eine Geschichtenerzählerin.

Diese Rolle konnte sie verdammt gut spielen.

War es doch nichts Anderes, als sie mit ihren eigenen Songs auch tat. Wenn sie einen Song schrieb, dann erzählte sie eine Geschichte.

Sie hatte nun zwar nicht dieses Lied geschrieben, aber sie würde seine Geschichte erzählen.

Nachdem man an einigen Orten innerhalb der Burg mit ihr gedreht hatte, hatte Lexi schließlich eine Pause einlegen dürfen. Sie war zurück in den Pausenraum getreten und hatte sich einen ordentlichen Schluck Wasser gegönnt, während sie sich unfassbar beflügelt fühlte.

Ja, verdammt, sie hatte den Draht zu seiner Geschichte gefunden.

Und mit einem Mal war ihr so, als würde dieses Buch, dieser Film, dieser Song seine Geschichte erzählen. War es vielleicht genau so passiert? Hatte Prince sich auch in eine junge Frau verliebt und ihre gemeinsame Geschichte hatte kein gutes Ende genommen, weil er ihr nicht hatte vertrauen können? War Prince im tiefsten Innern nur ein verletzlicher Mann?

Mit einem Mal sah sie ihn mit ganz anderen Augen und hatte es kaum erwarten können, dass er zu ihr in den Pausenraum treten konnte.

Lexi hatte vor, mit ihm das Gespräch zu suchen, den Hintergrund seines Buches zu erfahren.

Bei dem Gedanken daran beschleunigte sich wieder ihr Puls und sie war beinahe aufgeregter als beim Dreh selbst.

Und als hätte Prince ihren stummen Ruf gehört, trat er wenige Augenblicke später auch schon in den Raum.

Lexi hatte sich gerade nach ihm umgedreht und ihn bereits angrinsen wollen, als ihr bewusst wurde, dass er nicht allein hereingekommen war.

Neben ihm trat eine schwarzhaarige Schönheit herein.

„Ah, da bist du ja“, sagte Prince, als er Lexi entdeckt hatte und direkt zu ihr trat.

Die Schönheit folgte ihm dicht.

„Lexi, darf ich dir Emilia vorstellen? Sie spielt die Hauptrolle.“

Die Fremde nickte Lexi sogleich zu, schenkte ihr ein freundliches Lächeln und hielt ihr die Hand entgegen.

„Ich habe schon viel von dir gehört“, sagte ihr die Fremde und Lexis Blick glitt einen Moment zu ihrer Hand, ehe sie zögernd nach dieser griff.

„Ist das so?“, fragte Lexi sofort misstrauisch und sah zu Prince herüber.

Er winkte leicht ab und lachte ein wenig.

„Mila übertreibt“, sagte Prince und Lexi hob augenblicklich die Augenbrauen, während sie zwischen beiden hin und her sah.

Sie wirkten vertraut miteinander und Lexi war das Detail nicht entgangen, dass er sie bei einem Spitznamen genannt hatte.

Emilia drehte sich zu Lexi, legte eine Hand an ihre Lippen, als würde sie ihre Lippenbewegungen vor Prince verbergen wollen und neigte sich leicht zu ihr. In einem flüsternden Tonfall wandte sie sich verschwörerisch an Lexi.

„Nein, das tue ich nicht.“

Prince sog Emilia an ihrem Ärmel zurück, sodass sie von Lexi wegtrat und strafte Emilia mit einem gespielt mahnenden Blick. Leicht schüttelte er grinsend den Kopf, ehe er wieder zu Alexis sah.

„Du wirst in der nächsten Szene gemeinsam mit Mila zu sehen sein. Ich habe mir überlegt, dass ihr zusammen sicherlich gut ankommen würdet.“

Emilia nickte und lächelte erneut freudig zu Lexi herüber.

„Ich bin sicher, wir werden viel Spaß zusammen haben.“

A song of Catastrophe

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