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ОглавлениеTeil I Veräußerungsverträge › § 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags
§ 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags
Inhaltsverzeichnis
III. Gegenstand
IV. Kaufvertrag und Übereignung
Praxiskauf-Fall 1:
Rechtsanwalt Dr. X will sich zur Ruhe setzen; er verkauft deshalb seine Praxis an den jungen Assessor Y für € 100 000,–. Welche Rechte hat Y, wenn sich Dr. X die Sache kurz nach Übergabe der Praxis an ihn noch einmal anders überlegt und in einem Nachbarhaus wieder eine eigene Praxis eröffnet? Lösung Rn 14, § 2 Rn 12
Literatur:
Begr. z. RegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG), BT-Dr. 14 (2001)/6040; Beckmann, Kauf, in: Eckpfeiler des Zivilrechts, 2014/2015, Kap. N (S. 909 ff); Eckert/Maifeld/Mattiessen, Hdb des Kaufrechts, 2. Aufl. (2014); B. Grunewald, Kaufrecht, 2006; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl. (2013), § 2 (S. 135 ff); Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl. (2009).
Teil I Veräußerungsverträge › § 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags › I. Überblick
I. Überblick
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Als Besonderes Schuldrecht bezeichnet man üblicherweise die in dem achten Abschnitt des zweiten Buchs des BGB geregelten „einzelnen Schuldverhältnisse“, die grundsätzlich auf Vertrag oder auf Gesetz (s. § 311 Abs. 1), in Ausnahmefällen auch auf einseitigen Erklärungen einer Partei beruhen können (s. insbesondere die §§ 657 und 661a).
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Die gesetzliche Regelung beginnt in den §§ 433 bis 808 mit verschiedenen vertraglichen Schuldverhältnissen. Die wichtigsten hier erfassten Vertragstypen sind die Veräußerungsverträge, die Gebrauchsüberlassungsverträge, Verträge über die Tätigkeit einer Person, sichernde und bestärkende Verträge sowie Gesellschaftsverträge. Innerhalb dieser Vertragstypen wird sodann meistens danach unterschieden, ob es sich um einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrag handelt. Folgerichtig trennt das BGB bei den uns hier zunächst interessierenden Veräußerungsverträgen gleichfalls zwischen Kauf und Tausch auf der einen Seite und Schenkung auf der anderen Seite.
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Veräußerungsverträge unterscheiden sich dadurch von anderen Verträgen, dass sie auf die endgültige (dauernde) Übertragung eines Gegenstandes von einer Person auf eine andere gerichtet sind. Grundtypus ist der Kauf. Die Veräußerungsverträge müssen vor allem von den Gebrauchsüberlassungsverträgen unterschieden werden, die wie die Miete oder die Pacht lediglich die vorübergehende Überlassung eines Gegenstandes von einer Person an eine andere zum Gegenstand haben (vgl die §§ 433 und 535, 581).
Teil I Veräußerungsverträge › § 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags › II. Geschichte
II. Geschichte
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Der Kaufvertrag bildet die Grundform, in der sich in einer entwickelten Volkswirtschaft der Warenaustausch gegen Geld vollzieht. Er überragt deshalb an praktischer Bedeutung alle anderen Verträge so sehr, dass die Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB zur Rechtsgeschäftslehre und die des so genannten Allgemeinen Teils des Schuldrechts, insbesondere zu den Leistungsstörungen, in langer Tradition im Wesentlichen an seinem Beispiel entwickelt worden sind.
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Die Vorschriften des BGB über den Kaufvertrag haben vor allem durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) von 2001 eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Ausgelöst wurde diese Reform durch verschiedene Richtlinien der Europäischen Union, an die das deutsche Recht bis zum Ende des Jahres 2001 anzupassen war. Die wichtigste war die sogenannte Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie von 1999, mit der bezweckt wurde, das Recht des Verbrauchsgüterkaufs in der Europäischen Union zu vereinheitlichen, um den Verbrauchern im europäischen Binnenmarkt überall denselben Rechtsschutz zu gewähren. Dieses Ziel wurde indessen wegen der unterschiedlichen Umsetzung der genannten Richtlinie in den Mitgliedstaaten letztlich nicht erreicht.
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Die gesetzliche Regelung des Kaufvertrages ergibt sich in erster Linie aus den §§ 433–479. Diese Vorschriften sind in drei Untertitel aufgeteilt. Der erste Untertitel enthält die allgemeinen Vorschriften für den Kauf von Sachen, Rechten und sonstigen Gegenständen (§§ 433–453), während in dem zweiten Untertitel besondere Erscheinungsformen des Kaufs wie z. B. der Wiederkauf geregelt sind (§§ 454–473). Der dritte Untertitel enthält schließlich die besonderen Vorschriften für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474–479). Die geltende Fassung der genannten Vorschriften beruht auf dem Gesetz vom 20.9.2013 (BGBl. I, 3642) zur Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie von 2011 sowie auf dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts vom 28.4.2013 (BGBl I, S. 969). Ergänzende Vorschriften finden sich vor allem noch im HGB für den Handelskauf (§§ 373–382 HGB) sowie für internationale Kaufverträge in dem UN-Kaufrecht (s. u. § 6 Rn 44 ff).
Teil I Veräußerungsverträge › § 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags › III. Gegenstand
III. Gegenstand
1. Sachen, Rechte und sonstige Gegenstände
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Nach § 433 Abs. 1 S. 1 wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen. § 453 Abs. 1 fügt hinzu, dass die Vorschriften über den Kauf von Sachen (§§ 433 ff) auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung finden. Kaufverträge können sich folglich auf sämtliche Gegenstände beziehen, die im wirtschaftlichen Verkehr überhaupt gehandelt werden. Beispiele sind neben Sachen insbesondere dingliche Rechte und Forderungen, gewerbliche Schutzrechte, ferner Sach- und Rechtsgesamtheiten wie Unternehmen und freiberufliche Praxen (u. § 2 Rn 12), weiter Elektrizität und Fernwärme, ungeschützte Erfindungen, technisches Know-how, Werbeideen, bloße Chancen und Gewinnmöglichkeiten (Rn 12) sowie etwa noch Standardsoftware, während Verträge über die Erstellung auf die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnittener Individualsoftware üblicherweise als Werkverträge eingestuft werden[1].
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In vielen der genannten Fälle (Rn 7) passt freilich die in erster Linie auf den Sachkauf zugeschnittene gesetzliche Regelung der §§ 433 ff, wenn überhaupt, so nur mit erheblichen Modifikationen. Es liegt z. B. auf der Hand, dass für den Verkauf von Energie oder von bloßen Werbeideen andere Regeln als etwa für einen Autokauf gelten müssen. Die unvermeidliche Folge ist, dass sich im Laufe der Zeit im Verkehr für zahlreiche Typen von Kaufverträgen spezielle Regeln in Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entwickelt haben, auf die hier nur hingewiesen werden kann.
2. Künftige Sachen
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Gegenstand eines Kaufvertrags können auch künftige Sachen sein. Vor allem drei Fallgestaltungen hat man hier zu unterscheiden: Ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der fragliche Gegenstand in absehbarer Zeit entstehen wird, handelt es sich z. B. um ein Exemplar aus der laufenden Produktion des Verkäufers, so liegt ein normaler Kaufvertrag vor, bei dem lediglich die Fälligkeit der beiderseitigen Leistungspflichten hinausgeschoben ist. Anders verhält es sich dagegen, wenn mit der Entstehung der Sache nicht mit Sicherheit gerechnet werden kann wie etwa bei einem Vertrag über die zukünftige Ernte auf dem Halm oder über das nächste Fohlen einer Stute. In diesem Fall wird der Vertrag idR aufschiebend bedingt sein, sodass er erst mit Entstehung der Sache wirksam wird (sog. emptio rei speratae).
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Wieder anders steht es, wenn schon jetzt sofort und unbedingt die bloße Chance der zukünftigen Entstehung der Sache veräußert wird (sog. Hoffnungskauf oder emptio spei). Ein Beispiel ist der Kauf eines Loses vor dessen Ziehung. Ein derartiger Vertrag ist wirksam, selbst wenn die Sache später nicht entsteht, wenn sich etwa das Los in der späteren Ziehung als Niete erweist. Ist von vornherein sicher, dass die Sache nicht mehr entstehen wird, ist z. B. im Augenblick des Verkaufs das Los bereits gespielt worden und dabei ausgefallen, so ändert dies, sofern es sich nicht bei dem Vertrag in Wirklichkeit um einen Spielvertrag handelt (§ 762), nichts an der Wirksamkeit des Vertrages (§ 311a Abs. 1), sodass der Verkäufer gegebenenfalls nach § 311a Abs. 2 haftet.
Teil I Veräußerungsverträge › § 1 Wesen und Gegenstand des Kaufvertrags › IV. Kaufvertrag und Übereignung
IV. Kaufvertrag und Übereignung
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Der Kaufvertrag begründet, wie aus § 433 Abs. 1 S. 1 zu entnehmen ist, lediglich die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des verkauften Gegenstandes, sodass durch den bloßen Abschluss des Kaufvertrages allein das Eigentum an der verkauften Sache noch nicht auf den Käufer übergeht; hierzu bedarf es vielmehr nach den §§ 925 und 929 noch eines weiteren, von dem Kaufvertrag zu trennenden dinglichen Vertrages (sogenanntes Trennungsprinzip).[2] Die Folge ist vor allem, dass dieselbe Sache mehrfach verkauft werden kann. Eigentümer wird dann derjenige, an den sie der Verkäufer schließlich übereignet. Der andere Käufer hat das Nachsehen, selbst wenn er die Sache als Erster gekauft hatte. Eine abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn Verkäufer und Zweiterwerber zu seinem Nachteil in sittenwidriger Weise zusammengewirkt haben (§ 826)[3].
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Selbst im Falle des sogenannten Barkaufs, bei dem, äußerlich betrachtet, Kauf und Übereignung zusammenzufallen scheinen, muss man doch nach dem Gesagten (Rn 11) zwischen Kaufvertrag und Übereignung unterscheiden. Das wird z. B. deutlich, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer der verkauften Sache war und der Käufer, etwa weil es sich um eine gestohlene Sache handelte (§ 935 Abs. 1), auch nicht gutgläubig Eigentum an ihr erwerben konnte. Dann ist klar, dass der Verkäufer seiner hier gleichfalls bestehenden Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums (§ 433 Abs. 1 S. 1) nicht nachgekommen ist und dafür dem Käufer einstehen muss (§§ 433 Abs. 1 S. 1, 311a Abs. 2).
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Nach dem BGB ist das Verfügungsgeschäft außerdem in seiner Gültigkeit grundsätzlich von dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis unabhängig (sog. Abstraktionsprinzip). Selbst wenn der Kaufvertrag nichtig ist, kann der Käufer daher aufgrund einer wirksamen Übereignung Eigentum an der verkauften Sache erwerben; die Rückabwicklung richtet sich dann nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1; u. § 16 Rn 6 ff).
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In unserem Fall 1 erwirbt Rechtsanwalt Y die Praxis des Dr. X nach dem Gesagten (o. Rn 11 ff) nicht automatisch mit Abschluss des Kaufvertrages. Die Praxis kann außerdem nicht als Ganzes auf einmal auf ihn übertragen werden; vielmehr müssen die einzelnen Bestandteile gesondert nach den jeweils für sie maßgeblichen Regeln übertragen werden. Der Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag bedarf überdies einer besonderen Vereinbarung mit dem Vermieter (s. § 540). Überhaupt nicht „übertragbar“ ist schließlich die Chance auf Erhaltung der Klientel; die Verpflichtungen des Dr. X als Veräußerer der Praxis beschränken sich insoweit vielmehr darauf, alles zu tun, was erforderlich ist, damit der Erwerber diese Chance selbst wahrnehmen kann[4]. Sozusagen als Kehrseite gehört dazu seine Verpflichtung, alles zu unterlassen, was den Erwerber dabei stören könnte (§§ 241 Abs. 2, 242). Deshalb ergibt sich aus einem Kaufvertrag über eine Praxis idR zugleich ein (zeitlich und räumlich begrenztes) Konkurrenzverbot für den Veräußerer[5]. Bei einem Verstoß des Veräußerers gegen dieses Konkurrenzverbot kann der Erwerber in erster Linie Unterlassung verlangen; weitergehende Rechte können sich von Fall zu Fall aus den §§ 280, 282 und 324 ergeben.