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ОглавлениеFlughafen Düsseldorf, 9. September 2008
Es war soweit: Meine erste Reise nach Thailand. Nach monatelangen Vorbereitungen und Recherchen in Fachliteratur, Filmen und Internet checkte ich am Flughafen Düsseldorf ein.
Ein letztes Telefonat mit meinem zwielichtigen Anwalt wegen des wie ein Damoklesschwert über mir schwebenden Strafverfahrens, einer Verzögerung beim Grenzschutz und wegen des Auffindens von großen Banknoten in meiner alten Führerscheinmappe durch den Flugsicherheitsdienst wartete ich nun endlich auf das Boarding.
Flug LT 1750 Düsseldorf-Bangkok nonstop. Nachdem ich in der letzten Sitzreihe meinen Platz gefunden hatte, atmete ich einmal tief durch. Endlich konnte mein Abenteuer beginnen.
Ich war damals dreiundvierzig, ein arbeitsloser Metallfacharbeiter und DLRG-Rettungsschwimmer, vor allem aber war ich Single, so dass ich nichts zu verlieren hatte.
»Hallo, ich bin Gerrit, auch nach Bangkok unterwegs?« Ich schaute zu meinem Sitznachbarn, der mich aus meinen Gedanken gerissen hatte. Er war ein attraktiver Mann von Anfang fünfzig, schlank, silbergraues, halblanges Haar und sehr gut gekleidet. Im Laufe unserer Unterhaltung stellte sich heraus, dass er Häuser in Holland, Griechenland und zwei in Thailand besaß. Seit über zwanzig Jahren reiste er regelmäßig nach Thailand. »Vorwiegend wegen der schönen exotischen Frauen dort«, wie er augenzwinkernd bemerkte. »Vom Wesen her und den …«, er räusperte sich, »… weiblichen Fähigkeiten allerhöchste Qualitätsstufe.«
Er erklärte, dass dies der Grund sei, warum in den vergangenen Jahren fast nur Männer in diesen Teil der Welt reisten.
Währenddessen war das Flugzeug zur Startbahn gerollt, der Pilot wartete auf die Starterlaubnis, dann hörte man, wie die Triebwerke auf volle Schubleistung hochfuhren. Kurz danach schossen wir raketengleich in den trüben Septemberhimmel, an dem die Dämmerung die letzten Strahlen der untergehenden Sonne verschluckte. Unter uns wurde das herbstlich graue Rheinland immer kleiner und verschwand schließlich gänzlich, als wir die Wolkendecke durchstießen. Es schien mir damals wie ein Vorzeichen dafür, dass mein altes Leben von nun an vielleicht auch verschwinden, immer kleiner und unbedeutender werden würde in meiner Biografie. Damals konnte ich noch nicht ahnen, welche Abenteuer auf mich warteten.
Auf diesem überlangen Nachtflug schliefen Gerrit und ich so gut wie gar nicht, sondern unterhielten uns über dies und das, vorwiegend natürlich über unser Reiseziel Thailand und unserem Hauptreiseziel: Die attraktiven thailändischen Frauen.
Von ihm als erfahrenem Thailand-Urlauber konnte ich erheblich für mein eigenes Vorhaben profitieren und hatte auch schon mit anderen darüber gesprochen, die mir ähnliches berichteten. Natürlich ist eine gewisse Skepsis immer angebracht, zumal gerade Männer dazu neigen, derartige Erlebnisse mit allerlei Adjektiven und Attributen auszuschmücken.
Gerrit, der neben seiner Muttersprache Holländisch auch Englisch, Thai und erfreulicherweise auch sehr gut Deutsch sprach, erzählte mir viel über die spezifischen Besonderheiten und Lebensweise in Thailand, was sich später als sehr nützlich für mich erweisen sollte. Er brachte mir sogar ein paar thailändische Wörter und Redewendungen bei, die ich mir, so gut es ging, in phonetischer Umschrift notierte.
Die Nacht war im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge vergangen und wir landeten pünktlich auf dem nagelneu gebauten Flughafen Suvarnabhumi.
Die Architektur des riesigen Gebäudekomplexes war sehr beeindruckend, von der tropischen Vegetation war von hier aus jedoch nicht so viel zu sehen. Wir legten ungefähr einen Kilometer auf den Laufbändern zurück, dann tauschten wir unser Geld in die Landeswährung Baht um. Gerrit ging auf den Ausgang mit der Beschriftung Diplomaten zu. »Hey, wir sind doch gar keine Diplomaten«, meinte ich, doch Gerrit wischte meinen Einwand einfach beiseite: »Ich kenne mich hier aus«, meinte er. Er hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, da stürmten von allen Seiten uniformierte Sicherheitsbeamte auf uns zu, die uns eindeutig klarmachten, dass wir uns gefälligst, wie alle anderen auch, an die gewöhnlichen Schalter begeben sollten.
Die Einreise verlief problemlos, es wurde kaum ein Wort gesprochen, sondern lediglich der Aufenthaltstitel festgestellt und ein Visum mit Stempel in den Reisepass eingefügt. Ein Foto wurde aufgenommen und danach bekamen wir die Aufforderung weiter bis zu den Gepäckbändern zu gehen. »Das war alles?«, fragte ich Gerrit. Er erklärte mir, dass in Thailand bei EU-Bürgern, anders als zum Beispiel in den USA oder Kanada, keine Fragen gestellt werden nach dem Grund des Aufenthaltes, Vorstrafen, familiärer Situation oder ähnlichem. »Die Einreise von Ausländern bedeuten Einnahmen für Thailand«, fuhr Gerrit fort, »alles gut durchdacht und gewollt, daher auch die problemlose Einreise. Das haben die in Nordkorea noch nicht verstanden, aber egal, wir sind ja nun hier.«
Gerrit musste seinen Anschlussflug nach Chang Mai bekommen. Somit war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen.
Als ich mit Gerrit weiterging, bemerkten wir in dem ganzen Trubel einen thailändisch aussehenden Mann mittleren Alters.
Er war, wie die meisten Einheimischen, eher klein und naturbraun von der Hautfarbe und schrie ohne Unterlass: »Pattaya 1000 Baht.« Er schien mich zu verfolgen, legte auf der Treppe einen Sprint hin, wobei er fortwährend sein Angebot wiederholte. Ich wusste, dass zu diesem Zeitpunkt keine öffentlichen Taxis auf dem Flughafengelände zugelassen waren, sondern lediglich ein Limousinen-Service, der jedoch doppelt so teuer war und am Ausgang von attraktiven thailändischen Hostessen in Uniform angeboten wurde. Die einheimischen Taxifahrer ignorierten das Verbot jedoch, parkten ihre Fahrzeuge in den umliegenden Parkhäusern und sprachen die Fluggäste direkt in der Ankunftshalle an. Doch auch Privatleute boten hier ihren Fahrservice an, günstige Taxifahrten innerhalb ganz Thailands. Leider waren die Preise dabei gelinde gesagt erhöht, was nicht immer von Anfang an gesagt wurde, sondern zumeist erst später. Dies zum Teil mit Drohungen und anderen Erpressungsversuchen verbunden. Ich bat Gerrit dem Fahrer zu sagen, dass ich lediglich 1000 Baht bei der Ankunft in Pattaya zahlen würde. »Meinst du, ich kann dem trauen?«, fügte ich noch an.
Gerrit führte ein kurzes Gespräch in Thai mit ihm und meinte dann: »Alles okay!«
Zum Abschied gab Gerrit mir seine Visitenkarte und wir vereinbarten, in Kontakt zu bleiben. Der aufdringliche Taxifahrer, der sich als Mr. Nalit vorstellte, nahm meinen Koffer und wir eilten hunderte von Metern durch Parkhäuser, nahmen Aufzüge und eilten über die überfüllten Straßen, bis wir endlich sein Taxi erreicht hatten. Unterwegs hielt er hier und da ein Schwätzchen mit anderen Taxifahrern, die auf mich den Eindruck machten, erfahren in ihrem Gewerbe, aber auch in kriminellen Machenschaften zu sein. Es war nur so ein Gefühl, ich hätte gar nicht sagen können warum, aber auf mein Bauchgefühl hatte ich mich bislang immer verlassen können. Es wirkte auf mich erschreckend und bedrohlich, zumal ich ja das erste Mal hier und auch der Sprache nicht mächtig war. Als Mr. Nalit mein Gepäck in den Kofferraum laden wollte, wiederholte ich auf Englisch nochmals unsere Preisabsprache: »1000 Baht, okay?«
»1200 Baht«, widersprach Mr. Nalit.
Außer mir vor Wut und völlig übermüdet nach der halben Weltreise sagte ich ihm, dass es bei 1000 bliebe, da dies die Absprache war.
»1100 Baht«, meinte Mr. Nalit.
Kurz vor einem Ausraster, den ich gerade noch zurückhalten konnte, da die anderen Taxifahrer uns beobachteten und ich keine Lust auf einen Kampf auf Leben und Tod hatte, was in diesem Teil der Welt tagtäglich in solchen Situationen durchaus üblich ist, sagte ich: »1000 Baht.« Als Mr. Nalit immer noch auf seinem Preis beharrte, griff ich meinen Koffer und entfernte mich. Mr. Nalit stand plötzlich in militärisch gerader Haltung vor mir: »Sir, 1000 Baht!«
Er hatte fast zu hoch gepokert. Lediglich der Gedanke an den langen Weg zurück durch die Parkhäuser hielt mich davon ab, mir ein anderes Fahrzeug zu suchen. Immer noch wütend, ließ ich ihn meinen Koffer einladen, notierte mir jedoch das Autokennzeichen sowie das Fahreridentifikationskennzeichen im Fahrzeuginneren. All dies passierte bei Temperaturen, die man bei uns in Biosaunen vorfindet. Der Streitwert betrug umgerechnet lediglich 2,50 bis 5,- Euro, und das bei einer Taxifahrt von über 130 Kilometern.
Die Fahrt verlief dann jedoch sicher und zügig auf der neuen dreispurigen Autobahn. Links und rechts zogen die landestypischen Hügel in Drachenschuppen-Form an mir vorbei und einige Tempel, ansonsten waren die Gebäude nicht viel anderes als bei uns. Mr. Nalit schien froh, mich als Fahrgast nicht verloren zu haben und wurde dann sogar ein wenig freundlicher. Er erzählte von sich und zeigte mir sogar ein Foto von seiner sechsjährigen hübschen Tochter. Schnell merkte ich, dass er auslotete, wie er mich als Fremden bestmöglich übervorteilen konnte und fragte mich in gebrochenem Englisch: »Sie sind das erste Mal in Thailand?«
Obwohl ich wusste, dass man dies besser nicht zugeben sollte, bejahte ich, da ich meinte, Mr. Nalit hätte zumindest ansatzweise begriffen, was für eine Sorte Tourist ich war.
Er lobte meine Hartnäckigkeit beim Verhandeln und kam auf meine Sicherheitsvorkehrungen zu sprechen. Er zeigte auf die dschungelartigen Wälder, an denen wir vorbeifuhren und erzählte, was dort zu finden sei und was alles passierte. Nachdem er mich nun bereits an der zweiten Mautstelle aufforderte, die Maut von 30 Baht zu bezahlen, erwiderte ich, er solle sie selber zahlen. Danach versuchte er mich hartnäckig zur Buchung eines anderen Hotels in Pattaya zu überreden, da dieses viel besser wäre. Mir war klar, dass er dafür bestimmt eine Provision kassiert hätte. Ich wies ihn dann, ebenso hartnäckig wie er selber, darauf hin, dass ich bereits in Deutschland ein Hotel gebucht und bereits im voraus bezahlt hätte, »immerhin kann ich ja nur in einem wohnen«, fügte ich noch an.