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Summa theologiae (Ausschnitt)

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1. Es ist gewiss und zwar bereits in der Erfahrung der Sinne begründet, dass manches in der Welt der Bewegung unterliegt. Was aber auch immer in Bewegung ist, das wird von etwas anderem in Bewegung gesetzt. […] So also ist es unumgänglich notwendig, dass, was auch immer in Bewegung ist, von anderem bewegt werde. Wenn nun aber dasjenige, was in Bewegung setzt, wieder selbst in Bewegung ist, so muss auch dieses wieder von einem anderen den Anstoß zur Bewegung erhalten. Es kann jedoch keineswegs in den bewegenden Kräften eine Reihe ohne Ende angenommen werden, da es in diesem Falle tatsächlich keine zuerst bewegende Kraft geben würde, somit aber auch keine der folgenden bewegen könnte, insofern keine derselben bewegt, wenn sie nicht selber von der vorhergehenden den Anstoß erhalten hat, gleichwie der Stock nicht bewegt, wenn er nicht von der Hand in Bewegung gesetzt wird. Notwendigerweise also muss folgerichtig eine erstbewegende Kraft angenommen werden, die selber völlig unbeweglich ist und sonach keiner andern bewegenden Kraft bedarf; diese aber ist nach dem Geständnisse aller Gott.

2. Der zweite Weg, auf welchem zur Anerkennung des Daseins Gottes gelangt wird, beruht auf dem Begriffe der bewirkenden Ursache. Wir finden nämlich in den uns umgebenden sinnlich wahrnehmbaren Dingen eine geordnete Folge von bewirkenden Ursachen. Es kann nun jedenfalls nicht gesagt werden, dass etwas sich selber hervorbringe, da es einfach unmöglich ist, dass etwas früher sei als es ist. Gleicherweise ist es aber unmöglich, dass die Folge von bewirkenden Ursachen ununterbrochen ohne Ende sei, da in allen solchen bewirkenden Ursachen, die unter sich einen geordneten Zusammenhang haben, in denen also das eine die Ursache des anderen ist, das erste die Mittelursache hervorbringt und diese die letzte Wirkung zur Folge hat, mag nun eine einzige Mittelursache oder eine Mehrzahl angenommen werden. Wird nun die Ursache entfernt, so muss auch die Wirkung entfernt bleiben; gibt es also kein Erstes, so fällt auch die Mittelursache weg und folgerichtig zugleich die letzte Wirkung. Da aber bei einer endlosen Reihe von bewirkenden Ursachen keine erste bewirkende Ursache vorhanden sein kann, so kann es auch keine Mittelursache und dem gemäß keine Schlusswirkung geben, was offenbar den Tatsachen widerspricht. Es existiert daher notwendig eine erste bewirkende Ursache, welche eben alle Gott nennen.

3. Der dritte Weg zur Anerkennung der Notwendigkeit des Daseins Gottes geht aus vom Möglichen und Notwendigen. Wir finden nämlich in den Dingen manches, was sein oder auch nicht sein kann; zeigt doch die Tatsache des Entstehens oder Vergehens, dem viele Dinge unterworfen sind, dass eine Möglichkeit vorhanden ist, zu sein und zugleich die Möglichkeit, nicht zu sein. Es ist aber unmöglich, dass, was so beschaffen ist, immer sei; weil, was in seiner Natur die innere Möglichkeit besitzt, nicht zu sein, zuweilen auch tatsächlich nicht ist. Wenn nun aber schlechthin alles die Möglichkeit hat, nicht zu sein, so war auch einmal nichts. Ist dies jedoch der Fall, so würde auch jetzt noch nichts sein, sondern es muss etwas sein, was mit Notwendigkeit existiert. Alles Derartige hat nun die Ursache seiner Notwendigkeit entweder von außen oder nicht. Da aber auch hier keine Reihe ohne Ende angenommen werden kann, ebenso wenig wie rücksichtlich der wirkenden Ursachen, so muss ein Sein existieren, das ganz und gar aus einem eigenen Inneren heraus notwendig ist und diese Notwendigkeit keinem äußeren Grunde verdankt, vielmehr sie in allem, was notwendig ist, verursacht; dieses Sein aber nennen alle Gott.

4. Der vierte Weg, um zur sicheren Kenntnis des Daseins Gottes zu gelangen, geht von der Tatsache aus, dass in den Geschöpfen sich verschiedene Abstufungen des Seinsgrades vorfinden. Es wird nämlich ohne Zweifel in den Dingen ein höherer und ein niedrigerer Grad von Güte, von Wahrheit und von Seinswert gefunden. Eine solche Verschiedenheit kann aber nur insoweit als möglich angenommen werden, inwieweit ein derartiger Grad mehr oder minder absteht von dem, was den entsprechenden Vorzug im unbedingt höchsten Grade besitzt: wie z.B. etwas im selben Grade warm ist, also dem unbedingt und notwendig am meisten Warmen nahe steht. Es gibt also ein im höchsten Grade Wahres, ein ausschließlich höchstes Gut, ein schlechthin Ewiges; folgerichtig auch ein Sein, welches auf der ohne Zweifel höchsten Stufe steht. Denn was im höchsten Grade wahr ist, das ist auch im höchsten Grade Sein. Nun ist aber, was irgend eine Eigenschaft im höchsten Grade besitzt, die Ursache dieser selben Eigenschaft, insoweit sie sich in anderen Dingen vorfindet, wie z.B. das Feuer, das am meisten und unabhängig von allem warm ist, die Ursache der Wärme in allen übrigen Geschöpfen bildet. Also existiert ein höchstes Sein, das da wirkende Ursache des Seins und des Wahren und des Guten, mit einem Worte aller Vollkommenheiten ist, die sich irgendwie oder irgendwo vorfinden.

5. Der fünfte Beweis für das Dasein Gottes geht von der Leitung der Dinge aus. Wir sehen nämlich, dass so manche Wesen, die der erkennenden Vernunft entbehren, wie z.B. alles Körperliche in der Natur, bei ihrer Tätigkeit einen Endzweck verfolgen; dies erhellt daraus, dass sie immer oder doch in den weitaus meisten Fällen auf ein und dieselbe Weise tätig sind, damit sie erlangen, was für sie vollkommen ist. Sonach werden dieselben nicht vom Zufall getrieben, sondern durch eine bestimmte Absicht bis zur Erreichung des Zweckes geleitet. Mit Absicht aber bis zu einem bestimmten Zwecke leiten, kann nur ein mit Wille und Einsicht begabtes Wesen, gleichwie die bestimmte Richtung des Pfeiles den Schützen verrät. Also gibt es ein vernünftiges Sein, welches alle natürlichen Dinge, und zwar insoweit dieselben eben eine Natur haben, zum Zwecke geleitet; und dieses Sein nennen wir Gott.

Text: Thomas von Aquin: Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa, deutsch wiedergegeben von Ceslaus Maria Schneider, Regensburg 1886, 108–110.

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