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Dem Wahnsinn entgegen



Elinor Stuart, die Botschafterin des Titan in Washington, war schöner denn je, eine junge Frau in der Blüte ihres Lebens mit schwarzgeränderten Augen voll Feuer, Geheimnis und Verheißung, der gesellschaftliche Mittelpunkt Washingtons und eine geschickte Diplomatin.

An diesem Tag fühlte sie sich hochgradig nervös und musterte gereizt den kümmerlichen Besucher, der auf einer Sessellehne hockte, als hätte er Angst, sich hinzusetzen. Er besaß ein farbloses Dutzendgesicht und war so unscheinbar, dass man ihn vergaß, sobald man nicht mehr zu ihm hinblickte. Mehr als ein kleiner Büroangestellter konnte er nicht sein.

Sie musste ihn schnellstens loswerden. Sie hatte Nachrichten erhalten, die noch nicht verarbeitet waren. Wenn sie zutrafen - wenn Giromo und Joe im Krankenhaus lagen, wenn die verschiedenen Organisationen aufgeflogen waren, wenn - nein, das war alles nicht auszudenken. Sie musste sich erst vergewissern. Sie hatte den Kopf voll. Und da saß dieser kümmerliche Bursche und - was sagte er da?

»Ich habe mir gleich gedacht, dass Sie mich hinauswerfen werden«, sagte James Bryock bescheiden. »Es lohnt sich allerdings nicht. Ich bin eine Null. Weniger als eine Null. Ich dachte nur, es würde sie interessieren. Wenn man so viele Morde wie Sie in Auftrag gegeben hat - Ihre sogenannten Wohltätigkeitsorganisationen waren natürlich Terror-Organisationen, die politische Gegner Ihrer Regierung beseitigten - ich wollte sagen ...«

»Was?«, entfuhr es ihr. »Sie wagen es, mir ins Gesicht hinein zu behaupten, dass ...«

»Aber nein«, unterbrach James Bryock hastig. »Es kann natürlich ein Irrtum sein. Es ist nur - ah, diese Liste! Angeblich eine Liste aller Geheimorganisationen, die in den Staaten für Sie arbeiten. Scheußlich, diese Verleumdungen, nicht? Hier ist noch eine. Alle Verbindungsleute mit Namen, Wohnung und Telefon. Ah, noch eine. Ihre engeren persönlichen Freunde, mit denen Sie gelegentlich die Nächte - oh, das ist natürlich Ihre private Intimsphäre, aber immerhin ...«

»Machen Sie mich nicht wahnsinnig!«, fauchte sie ihn an, aber trotz ihrer Erregung klang ihre Stimme blechern, und ihre sonst so leuchtende Haut zeigte plötzlich einen fahlen Ton, als wäre Asche darauf geraten. »Was wollen Sie von mir? Erpressung?«

»Aber nein, Madame«, verteidigte sich

James Bryock mit der ehrlichen Entrüstung eines kleinen Buchhalters. »Ich bin wirklich nur gekommen, um Sie zu warnen. Ich hatte schon immer ein weiches Herz. In meiner Jugend war ich für mein weiches Herz geradezu berühmt. Es ist schon schlimm genug, dass so ein gemeiner Kerl Ihnen alle Organisationen zerstört hat, mit denen Sie sich jahrelang soviel Mühe gegeben haben. Wenn nun auch noch - oh, das kann ich Ihnen wirklich nicht zeigen.«

Er zog eine Fotografie aus der Tasche, markierte Bestürzung und schwatzte weiter.

»Natürlich nur ein Bild, Madame, aber wenn ich mir vorstelle, dass Sie dann wirklich so aussehen - nein, das kann ich Ihnen nicht zeigen. Ein Säure-Attentat oder so etwas, wenn ich richtig verstanden habe. Scheußlich! Eine so schöne Frau wie Sie? Sie können sich nicht einmal mehr dagegen schützen. Ihre Organisationen existieren nicht mehr, und Ihre Freunde sind vielleicht schon Ihre Feinde? Vielleicht spritzt es Ihnen jemand aus der Tasche heraus ins Gesicht? Vielleicht befindet sich die Chemikalie in der Gesichtspackung, die Ihnen die Kosmetikerin aufträgt? Vielleicht wird die Hautcreme ausgetauscht? Oh, da gibt es hundert Möglichkeiten! Und was ist eine Frau noch, wenn sie so aussieht?«

Sie riss ihm das Bild aus der Hand.

Dann schrie sie auf. Es war ein schriller Schrei des blanken Entsetzens. Er hörte nicht auf. Elinor Stuart schrie noch, als Ihre Leute hereingestürzt kamen.

Irgendwer nahm ihr das Bild aus der Hand. Es war eine Porträtaufnahme von ihr, die ein geschickter Maler grässlich übermalt halte.

Als Elinor Stuart wieder zur Besinnung kam, befand sich James Bryock nicht mehr im Hause. Irgendwer hatte ihm ermöglicht, unauffällig zu verschwinden.

Elinor Stuart beruhigte sich wieder. Im Laufe der nächsten Tage gelang es ihr sogar, leidlich glaubhaft zu machen, dass die Organisationen ihrer Landsleute nur wohltätigen Zwecken gedient hatten und von blindwütigen politischen Gegnern zu Unrecht angegriffen worden waren. Sie war ja immerhin eine bezaubernde Frau, die viele Freunde in Washington hatte.

Trotzdem begann an diesem Tage für Elinor Stuart eine Wanderung, die im Sanatorium enden konnte.

Sie war eine intelligente Frau und ließ sich nicht so leicht umwerfen, aber sie konnte jenes grässliche Gesicht auf dem Bild nicht mehr vergessen. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, um es zu sehen, und sie brauchte nur einen leichten Schlaf zu haben, um schweißnass hochzuschrecken. Das entstellte Gesicht arbeitete untergründig in ihr. Eine Tür blieb offen, als hätte jemand seinen Fuß dazwischengeschoben.

Feinde und Attentäter! Es brauchte nicht einmal jemand aus der Botschaft zu sein. Politische und gesellschaftliche Besucher gingen ein und aus. Sie selbst musste ausgehen. Diplomatie lässt sich nicht immer vom Schreibtisch aus betreiben. Hier ein Empfang, dort ein Damentee, hier eine Konferenz, dort ein Theaterbesuch oder ein Ball. Unaufhörlich Menschen, die ganz dicht herankamen, die man begrüßte. Irgendwer konnte der Attentäter sein. Jeder konnte es sein. Und ringsum immer wieder Diener und Unbekannte. Und für tausend Dollar fanden sich tausend Leute, die jemand etwas ins Gesicht schütteten.

Ja, sie war eine intelligente, beherrschte Frau, aber die Unruhe drang immer tiefer in sie hinein und zermürbte sie.

Sie verzichtete auf die Teilnahme an Empfängen und Bällen, an denen sie eigentlich hätte teilnehmen müssen. Sie blieb in der Botschaft.

Sie schützte Krankheit vor. Wer krank ist, braucht auch keine Besuche zu empfangen.

Die geheime Angst gab sich nicht damit zufrieden. Sie ließ die Angestellten der Botschaft nicht mehr an sich heran. Sie mussten auf Abstand bleiben, erst fünf Meter, denn so viel, wie es die Räume erlaubten. Sie hielt das für klug und vorsichtig, ohne zu merken, dass sie bereits ihren Wahn lobte.

Die Dienerschaft wurde auf Distanz gehalten. Die Zofe durfte nicht mehr herankommen. Die gewohnte kosmetische Behandlung fiel aus. Die Frisöse wurde abbestellt. Der Modesalon blieb ohne Aufträge.

Aber reichte das schon aus, um sicher zu sein? Ihre eigenen Leute waren gekauft. Sie sah es an den Gesichtern und den Augen. Wie gebändigte Raubtiere schlichen alle um sie herum. Sie warteten nur darauf, heranspringen zu können.

Sie würde es ihnen zeigen! Sie hielt sie sich mit der Pistole vom Leib. Sie würde schießen, wenn ihr jemand zu nahe kam oder eine verdächtige Bewegung machte.

Sie schoss zweimal. Der erste kam mit einer Schulterwunde weg. Der zweite war tot. Und beides waren harmlose Menschen.

Ha, sie würde es ihnen zeigen!


Held des Weltraums: Mark Tolins Band 1-17 - Die ganze Serie

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