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Der heimliche König



Thomas Allen hatte fünfzig Jahre hinter sich und war ein unauffälliger, mittelgroßer Mann mit freundlichen Augen, der sich wenig von vielen anderen unterschied. Er stand in einem weißen Arbeitsmantel auf der hölzernen Terrasse seines einstöckigen Hauses am Rande von Philadelphia und blinzelte gegen die Sonne, die matt durch den Dunst hindurchkam. In seinem Rücken spürte er die dünne Holzsäule der Terrasse. Vor seinen Füßen begann die kurze Treppe, die zu den Blumenbeeten des Vorgartens hinunterführte. Er senkte den Kopf und blickte zu dem Fremden hinüber, der an seinem Zaun entlangging, als hätte er gern einen Halt in Reichweite. Er musste schon oft in seinem Anzug geschlafen haben. Das Gesicht war jung, aber scharf und mager. Ein Arbeitsloser - einer unter Millionen. Ein Jammer um diese jungen Leute, die schließlich auch einmal auf die Beine kommen wollten.

Vernon Kane bemerkte den Mann auf der Terrasse kaum. Er befand sich unterwegs, weil sich weiter draußen eine kleine Farbenfabrik befand, die Aushilfskräfte für das Labor suchte. Das konnte für den Übergang helfen. Eine richtige Anstellung ließ sich so schnell nicht finden.

Er blieb an dem Schild hängen, das die Gartenpforte zierte. Messtechnisches Laboratorium. Thomas Allen.

Messtechnisches Laboratorium? Dahinter konnte sich verschiedenes verbergen, aber ein messtechnisches Labor war das Paradies für einen Anfänger, der gern dies oder jenes testen wollte. Zwischen Idee und Praxis standen nun einmal zahlreiche Instrumente und Apparaturen, die ein Vermögen kosteten. Nicht einmal das größte Genie aller Zeiten konnte die größte Erfindung aller Zeiten gebären, wenn er nicht über die notwendigsten Messinstrumente verfügte. Das war es ja, was jeden Anfänger zwang, in die Laboratorien der Industrie zu gehen und dort seine Portion Genie für eine kärgliche Gratifikation zu verkaufen.

Jetzt sah er das weiß gestrichene Holzhaus hinter dem Vorgarten und den Mann auf der Terrasse. Der weiße Berufsmantel war so gut wie eine Vorstellung. Der Chef persönlich! Ein kleiner Mann in einem kleinen Betrieb. Das gab es. Man brauchte nicht viel, um zu leben.

Sein Magen krampfte sich zusammen. Er griff nach den Holzlatten und hielt sich lieber fest. Viel wert war sein Körper immer noch nicht. Er hatte ihn zu sehr strapaziert.

Als die schwärzlichen Nebel vor seinen Augen wichen, stand Thomas Allen dicht vor ihm auf der anderen Seite des Zaunes und musterte ihn.

»Sie haben Hunger, nicht wahr?«

Vernon Kane straffte sich. Er blickte in freundliche Augen hinein, aber es war ihm, als müsste er seine Selbstachtung retten.

»Ich habe Sie nicht angebettelt. Ich war nur krank.«

»Dann können wir uns zusammentun. Kommen Sie herein.«

Vernon Kane folgte in das Haus hinein. Er landete auf einem Küchenstuhl, und Thomas Allen schob ihm Brot und Butter, Honig und Wurst unter die Nase. Dagegen kam er nicht auf. Er hatte seit Tagen nichts als trockene Brötchen gegessen - sehr wenig trockene Brötchen! Heißen Kaffee gab es auch.

Thomas Allen ließ ihn allein. Als er zurückkehrte, setzte er sich auf den zweiten Küchenstuhl.

»Bedanken Sie sich nicht«, wehrte er ab, als Vernon Kane nach Worten suchte. »Wenn Sie vor meiner Gartenpforte umgefallen wären, hätte ich mehr Scherereien mit Ihnen gehabt. Ich denke, die Mahlzeit wird Ihnen einige Stunden weiterhelfen. Arbeitslos, nicht?«

Vernon Kane nickte, und Allen fuhr fort:

»Schlechter Boden für Arbeitslose in Philadelphia. Am besten ist man noch dran, wenn man ein Handwerk beherrscht. Ruhige, stetige Arbeit ohne Sorgen. Aber freilich, solange man jung ist, hat man seinen Ehrgeiz. Man hofft, die Welt erobern zu können. Eines Tages aber ist man froh, wenn es zum Essen und Trinken reicht. Die Zeiten der Wunder sind vorbei.«

»Nicht für alle«, murmelte Vernon Kane, um überhaupt nur etwas zu sagen. »Auch heute noch werden Männer als Politiker mächtig, die gestern noch niemand kannte. Auch heute noch findet manches Aschenbrödel seinen Prinzen. Auch heute noch füllen sich leere Taschen mit Millionen. Auch heute noch werden neue Erfindungen gemacht und neue Industrien gegründet. Die Wunder sind immer noch um uns herum. Man muss sie nur greifen können.«

Thomas Allen musterte ihn prüfend.

»Mag sein, aber mit dem Greifen hat es gewöhnlich seinen Haken. Sie haben studiert?«

»Ja. Physiker.«

»Hm, also meine eigene Branche. Aber auch hier ist schon so ziemlich alles abgegrast.«

»Darüber kann man sich streiten. Es gibt immer noch ganze Gebiete mit unbeschränkten Möglichkeiten.«

»Zum Beispiel?«

»Halbleiter zum Beispiel.«

»Hm?«

»Doch«, verteidigte sich Vernon Kane gegen den angedeuteten Zweifel. »In den Halbleitern steckt mehr als ein Thermoelement oder eine Sonnenbatterie. Man darf sich nur nicht mit Defektelektronen und den üblichen pnp-Anordnungen begnügen. Der Weg führt über eine elektronische Kettenreaktion, eine Aufschaukelung, mit der man die in unbeschränkter Menge vorhandenen Raumelektronen in Bewegung bringen kann. Dahinter aber könnte die Gewinnung von technisch verwertbarem Strom ohne Kraftwerke, Turbinen und Generatoren stehen - und noch manche andere Dinge.«

»Pläne!«, quittierte Thomas Allen mit einem Seufzer, während er in die fiebrigen Augen seines Gastes hineinblickte. Er spürte das Kranke und Gewalttätige, aber auch die Intelligenz und Entschlossenheit.

»Das Wunder!«, verteidigte sich Vernon Kane unruhiger. »Es ist wirklich noch greifbar. Wenn ich heute ein Labor mit allen nötigen Einrichtungen hätte, könnte ich in ein paar Jahren vielleicht ein Millionär sein und eine neue Industrie aufbauen.«

»Vielleicht?«, lächelte Thomas Allen nachsichtig.

»Es gibt immer Vielleichts, die uns das Genick brechen. Ich wollte auch einmal ein großer Industrieboss werden. Leider hat es dann doch nur zu einem bescheidenen messtechnischen Labor gereicht. Träume sind herrlich, aber nach einer gewissen Zeit schmecken sie bitter. Übrigens Träume - Sie sollten sich jetzt ein bisschen hinlegen und verdauen. Ich habe drüben eine Couch. In ein paar Stunden werden Sie sich besser fühlen. Vorwärts, bevor Sie mir auf dem Stuhl einschlafen.«

*



SO LERNTEN SICH THOMAS Allen und Vernon Kane kennen, und an diesem Tage begann ihre Freundschaft und ihre Zusammenarbeit.

Ein halbes Jahr später wurden Thomas Allen die ersten in- und ausländischen Patente zugesprochen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Vernon Kane mehr, sondern nur noch einen Roger Emery. Und selbst dieser Roger Emery existierte nicht im Lebensbereich Thomas Allens. Nicht einmal die versierten Patentspione brachten ihn mit Thomas Allen in Verbindung.

Er besaß gute Gründe dafür, unter der Decke zu bleiben. Schon die ersten Patente mussten den Mann alarmieren, der auf der gleichen Linie arbeitete, nämlich Dudley Walsh. Dudley Walsh aber bedeutete Elinor Stuart und ihren Bruder Rapan, der auf dem Titan mächtig geworden war. Er hatte keine Lust, noch einmal die mordenden Handlanger dieser Leute über sich kommen zu lassen.

Er dachte nicht zuletzt an seine Rache. In diesen Jahren, in denen er bis zur Erschöpfung arbeitete, vergaß er keinen Tag lang, was sie ihm angetan hatten: den Tod seines Bruders, den Diebstahl der Arbeitsprotokolle, den Mordversuch an ihm. Und indirekt machte er sie auch dafür verantwortlich, dass er Carole Felby verloren hatte und als einsamer Sonderling abseits vom Leben existieren musste.

Vor der Rache aber musste der Erfolg kommen. Ein armer Mann kann sich nicht rächen.

Kurze Zeit nach Erteilung der ersten Patente wurde die Thermo-Electric-Company (TEC) gegründet und begann mit der Produktion von Halbleiterfabrikaten.

Drei Jahre später galt die TEC als das größte und einträglichste Unternehmen der Branche. Thomas Allen wurde bereits auf hundert Millionen geschätzt.


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