Читать книгу Science Fiction Dreierband 3004 - Drei Romane in einem Band! - W. W. Shols - Страница 13
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ОглавлениеEin Schatten im Dunkel.
Aber so dunkel konnte es nicht sein. Wo Schatten sind, gibt es auch Licht. Es waren graue Flecken. Dann wurde es bunt.
Das Gehirn kam langsam in Bewegung. Es war des Denkens entwöhnt. Der neue Anfang war diffus. Bolton Yates erinnerte sich später, dass er an einem eisernen Geländer gestanden hatte. Mit diesem Geländer begann das zweite Leben.
„Guten Tag, Mr. Yates“, sagte eine Stimme in seiner Nähe.
Er sah einen grauen Himmel, ein schwarzes Tal und einen weißen, spitzen Berg. Danach bunte Blumen, die Blüten von Kakteen.
Yates drehte sich nach dem Fremden um.
„Hallo“, sagte er steif. „Sind Sie mein Arzt?“
„So ist es.“ Der andere nickte. „Ich heiße Mervin.“
„Mervin?“ Yates stand auf und ging ein paar Schritte im Kreis herum, um die blendende Sonne aus dem Blick zu bekommen. Er musterte den Arzt.
„Natürlich, Mervin! So lange kann das ja noch gar nicht her sein. Aber waren Sie nicht ein paar Jahre älter?“
„Sie Spaßvogel, ich war niemals älter als heute. Oder wollten Sie mir das anders vorrechnen?“
Erst jetzt schienen Yates die neuen Maßstäbe klar zu werden.
„Okay, Doc, entschuldigen Sie. Jetzt kommt es doch sehr plötzlich für mich. Ich bin nicht gestern schlafen gegangen, es ist schon etwas länger her. Und Sie sind auch nicht Professor Mervin, trotz der Ähnlichkeit.“
„Dann müssten Sie mich einen Lügner nennen. Ich bin Professor Mervin, und es sind achtzig Jahre vergangen, seit mein Großvater Sie eingeschläfert hat.“
„Mein Gott ...“ Mehr brachte Yates nicht heraus.
Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Bolton ging bis an das Geländer. Dahinter fiel der Hang steil ab. Hinter dem nebligen Tal erhob sich der weiße Berg. Ganz plötzlich drehte Yates sich um.
„Wo bin ich her?“, wollte er wissen.
„Wir sind in den Anden. Dieses Sanatorium wurde eigens für Sie errichtet, Mr. Yates. Für Sie und die anderen, die nach Ihnen zur Hibernation kamen. Wie fühlen Sie sich, Mr. Yates?“
„Ich fühle mich gut, Doktor. Wie es um meine Gesundheit bestellt ist, werden Sie objektiv besser wissen. Bestimmt haben Sie mich schon einige Male auf den Kopf gestellt, bevor ich wieder zu Bewusstsein kam. Ich bin schließlich nicht im Bett erwacht, sondern gepflegt gekleidet hier auf einer Terrasse in den Bergen. Also, jetzt sagen Sie, wie es um mich steht.“
„Die ersten Eindrücke sind absolut zufriedenstellend. Für den Augenblick brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“
„Was heißt, für den Augenblick?“
„Das heißt, nach achtzig Jahren hat der hibernierte Körper einiges nachzuholen. Ich denke jetzt zunächst an ein vernünftiges Essen für Sie. Haben Sie Hunger?“
„Ich denke, ja. Gibt es eine Speisekarte?“
„Nein, die gibt es nicht. Aber lassen Sie sich etwas einfallen. Was möchten Sie?“
„Ein Filet-Steak, wenn’s geht. Ich meine, falls mir eine solche Kost bekommt. Oder müssen Sie erst mit Milchbrei beginnen? Als Gewöhnungskur sozusagen.“
„Die haben Sie hinter sich. Wir sind heute so weit, dass wir Auftauer noch im Tiefschlaf vorbereiten. Einem Steak steht nichts im Wege.“
Mervin machte eine Handbewegung. Wenige Sekunden später kam ein dritter Mensch aus dem flachen, weißen Gebäude.
„Sie wünschen, Doktor?“, fragte der Mann mit knapper Verbeugung.
„Unser Gast wünscht etwas, nicht ich. - Reden Sie, Yates! Er wartet auf Ihre Befehle.“
„Ein Steak wollte ich, wenn es Ihnen recht ist, Mister ... Medium, möglichst. Und wenn es sich machen lässt, vorher eine Suppe.“
„Was für eine Suppe?“
„Was Sie haben. Ich bitte Sie, machen Sie keine zu großen Umstände.“
„Wir verfügen über zweiunddreißig verschiedene Suppen, Sir. Bitte, formulieren Sie Ihre Wünsche genauer.“
„Okay, wie ist es mit einer Wan-Tan-Suppe?“
„Eine Wan-Tan-Suppe, Mr. Yates. Ich beeile mich.“
Der Kellner machte kehrt und verschwand mit einer Eleganz, als liefe er auf Rädern. Yates schickte ihm ein etwas verstörtes Grinsen nach, kam dann aber sehr schnell wieder zu seinen eigenen Problemen.
„Sie sind also ein Mervin, Doktor. Das hört sich an, als ob Ihre Sippe achtzig Jahre lang für mich die Leibgarde gespielt hätte.“
„In etwa ist es so. Abgesehen von dem letzten großen Krieg vor dreißig Jahren, als man Sie der Obhut des Generalstabs übergab. Es hat über zwei Jahre gedauert, bis wir Sie in Washington wiederfanden. Kurz darauf hat mein Vater dieses Sanatorium in Peru errichtet.“
„Von diesem Krieg werden Sie mir erzählen müssen. Doch zuerst zu Ihnen. Sie sind offenbar der Enkel jenes Professors Mervin, dem ich mich damals anvertraute.“
Der Arzt nickte. „Wir Mervins sind eine Dynastie. Mein Vater hatte es nicht leicht bei seinem Vater, von mir gar nicht zu reden. Meine ganze Ausbildung war auf Sie und die über dreißig anderen Schläfer ausgerichtet, die wir inzwischen betreuen.“
„Dreißig? Sind das viel oder wenig?“
„Für unser Haus sind es viel. Für die Menschheit nicht. Sie können sich denken, dass der Gefrierschlaf inzwischen grassiert wie eine Frühjahrsmode. Es gibt hundert andere Institute auf der Erde, die sich mit dieser Aufgabe befassen.“
„Demnach hat die Menschheit inzwischen Erfahrungen gesammelt. Ich meine, Sie hatten nicht allzu große Schwierigkeiten mit mir.“
„Es hat Leute gegeben, die sich für einen kürzeren Tiefschlaf entschieden hatten. Am Anfang sind uns zwei gestorben, weil die Praxis der Reaktivierung noch nicht so ausgereift war. Doch das ist heute kein Problem mehr.“
Inzwischen brachte der Kellner das Essen.
Yates prüfte den Duft der Wan-Tan-Suppe und äußerte ein kurzes Lob, wurde aber gleich wieder kritisch, als der etwas eckige Mann sein Wohlwollen unbeachtet ließ und schweigend im Haus verschwand.
„Kann man mit dem eigentlich warm werden?“, fragte er.
„Wie wollen Sie das wohl anstellen - mit einem Roboter?“
„Mit einem was?“
Yates ließ den Löffel sinken. Mervin grinste. „Wenn Sie nach achtzig Jahren Tiefschlaf nicht auf Überraschungen vorbereitet sind, werden Sie es in unserer Welt schwer haben, Yates. Für uns sind Sie ein ziemlich altmodischer Mensch.“
„Wem sagen Sie das? Genauso fühle ich mich, Doktor. Und wenn ich auch nur ganz nebenbei an meine Zukunft denke, sehe ich nichts als Probleme. Die Kosten für meine Hibernation hat damals Ihr Großvater übernommen. Er hatte ausreichende Mittel aus Stiftungen zur Verfügung, denn privat hätte ich mir den Spaß niemals leisten können. Aber wie geht es weiter? Wenn ich damals ein paar tausend Dollar auf die Bank gebracht hätte, könnte ich jetzt mit den Zinsen wahrscheinlich etwas anfangen.“
„Mit Sicherheit nicht, Yates. Die schleichende Inflation war schneller als jeder Zinssatz. Außerdem gibt es nach dem großen Krieg eine einheitliche Terra-Währung. Machen Sie sich keine Sorgen! Sie müssen nur das richtige Honorar verlangen, wenn Sie Ihre Interviews geben und Ihre Story an die Presse verkaufen.“
„Hm, glauben Sie, da steckt etwas drin? Und wie - überhaupt - komme ich zu einem solchen Interview?“
„Die Presse und die TV-Gesellschaften warten seit Wochen auf Sie. Schließlich ist der Termin Ihrer Reaktivierung lange bekannt. Wir werden morgen nach New York fliegen müssen, wo die Eastern-TV eine ganz große Show vorbereitet hat. Und hier, wie gesagt, müssen Sie ganz kategorisch die Hand aufhalten, bevor Sie ein Wort über ein anderes Thema verschwenden.“ „Danke, Doktor, ich sehe schon, ich habe einen guten Vormund in Ihnen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, welche Sensation ich noch sein soll, wenn ich längst nicht mehr der erste Mensch bin, der aus der kalten Vergangenheit in diese Gegenwart tritt. Da waren doch schon genug vor mir.“
„Die paar Kurzschläfer sind inzwischen uninteressant, Mr. Yates. Sie waren überhaupt der erste Mensch, der hiberniert wurde. Freilich haben wir hier einen ganz großen Optimisten in der Behandlung, der sich von vornherein auf zweihundert Jahre festgelegt hat, aber wer will auf den heute warten? Nein, nein, Sie waren der Erste, und Sie haben achtzig Jahre durchgehalten. Damit sind Sie die Sensation dieses Jahrzehnts. Und, ich sage es noch einmal, seien Sie sich dieser Sonderrolle bewusst. Schlachten Sie sie finanziell aus! Dann haben Sie für die Zukunft keine Sorgen. Allerdings ...“
„Sie müssen mir noch eines verraten, Doktor.“ Hiermit war Yates dem Arzt ins Wort gefallen, bevor der noch zu Ende gesprochen hatte. „Aber, bitte, ich habe Sie nicht ausreden lassen.“
„Schon gut, ich kann mich später äußern. Was soll ich Ihnen verraten?“
Bolton Yates war aufgestanden und wieder an die Brüstung getreten, wo die gigantische Kette der Anden vor ihm lag, wo in der Ferne die weiße Spitze des Berges leuchtete.“
„Kennen Sie Harry Mint, Doktor?“, fragte er langsam und mit einem Schuldgefühl in der Stimme, das er sich selbst nicht erklären konnte.
Mervin war ihm gefolgt, hatte sich neben ihn gestellt und blickte ebenfalls zur fernen Spitze des weißen Berges. Er sprach wie in das Nichts hinein. „Ja, ich kenne den Namen Mint. Und natürlich ist dieser Mann tot nach achtzig Jahren. Sie wussten das von vornherein, Yates.“
„Das klingt sehr störrisch, Doktor. Und da Sie den Namen kennen, wissen Sie auch, dass er für mich eine Bedeutung hat. Ich nehme an, Ihr Großvater hat in seinen Aufzeichnungen etwas darüber hinterlassen.“
„So ist es, Yates. Wie sonst sollte ich einen unbedeutenden Namen aus dem vorigen Jahrhundert kennen?“
„Unbedeutend, sagen Sie? Mein Gott, als wir uns trennten, waren wir beide unbedeutend. Ich bin es ab morgen nicht mehr, wenn wir nach New York geflogen sind. Aber Harry war ein Mensch mit tausend versteckten Anlagen, mit Geist, mit Aktivität, mit Fantasie. Und Sie sagen, er ist unbedeutend geblieben? Das kann einfach nicht wahr sein! - In diesen toten achtzig Jahren muss er doch irgendetwas von Bedeutung hinterlassen haben, oder?“
Mervin griff in seine Tasche und bewies damit, wie gut er auch auf dieses Thema vorbereitet war.
„Wir haben diese Dinge in unserem Archiv, Mr. Yates. Mein Großvater war ein sehr korrekter Mann - und ein weitblickender Mann. Eine Hibernation zielt nicht nur in die Zukunft. Sie muss auch in der Vergangenheit ihre Wurzeln haben, aus der sie kommt. Das ist ein ziemlich triviales Gesetz in unserem Metier, aber notwendig. Bitte, wollen Sie das hier lesen?“
Mervin reichte Yates einen alten Text auf einer neuen Fotokopie.
Es war der Bericht über den Tod eines Mannes, der einem heranrasenden Auto nicht mehr hatte ausweichen können. Bolton Yates las lange in der Fotokopie, dann machte er einen Ball daraus und warf ihn über das Geländer in den Abgrund.
„Das ist scheußlich, Mervin! Wenn es ein Schicksal gibt, hat es noch nie so gemein sein können. Ich lege mich todkrank schlafen, um ein neues Leben zu gewinnen, und er geht über die Straße und ist tot. Er hatte nie die Chance, etwas zu werden. Keinen Schlaf, keinen Trick. Dieser Narr läuft einfach vor ein Auto. - Sagen Sie, Professor, gibt es heute noch Autos?“
„Was halten Sie davon, Mr. Yates, wenn wir uns jetzt einen Wein kommen lassen? Was bevorzugen Sie? Oder trinken Sie vielleicht lieber etwas anderes?“
„Steht das nicht im Nachlass Ihres Großvaters? Ich habe Bier, Gin und Whisky getrunken, wenn Sie wissen, was ich damit meine. Einen anderen Durst kenne ich nicht. Ich bin noch zu jung in Ihrem Zeitalter.“
Mervin winkte dem Robotkellner und bestellte einen einheimischen Andenwein.
„Ich hoffe, Mr. Yates, er wird Ihnen schmecken.“
Yates war störrisch geworden.
„Ich habe von Bier, Gin und Whisky gesprochen, aber nicht von Wein. Weshalb soll ich jetzt ausgerechnet einen Wein trinken?“
„Entschuldigung, das war mein Fehler. - Robby, bring Bier und Whisky!“
Robby brachte das Verlangte. Die beiden Männer tranken gemeinsam, und Bolton Yates wurde gelöster. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die weiße Bergspitze wurde rot und violett. Es war ein Paradies, in dem sie saßen. Dem Gespräch nach hätten Sie Freunde werden können.
Irgendwann fiel Bolton Yates auf, dass sie einen Teil ihres Gespräches noch nicht aufgearbeitet hatten. Das war ein „Allerdings“ vonseiten des Professors.
„Morgen fliegen wir nach New York“, sagte Yates. „Sie haben mir klargemacht, wie ich schnell an gutes Geld herankommen kann. Aber da war noch ein Vorbehalt. Kann mir noch irgendetwas passieren?“
„Sehr viel, Yates: Sie haben Krebs.“
„Moment! - Ich hatte ihn. Diese Krankheit ...“
„Diese Krankheit ist noch immer unheilbar, Yates. Für Ihr fortgeschrittenes Stadium gibt es auch heute noch kein Mittel.“
Bolton Yates ging wieder an die Balustrade zurück, sah auf den Berg mit der weißen Spitze.
„Was meinen Sie, Doktor? Soll ich nicht lieber aufgeben? Was für einen Sinn hat das alles noch?“
„Es gibt Menschen, die sagen, der einzige Sinn des Lebens ist, es zu genießen. Andere meinen das Gegenteil. Diese Frage kann sich jeder Mensch nur selbst beantworten. Vor allem ein junger Mensch wie Sie.“ Yates lachte verbissen auf. „Wo bin ich noch jung, Professor? Ich bin achtzig Jahre älter als Sie, sehe nur nicht so aus.“
„Eben! Und das ist ausschlaggebend. Ich kann Sie erneut hibernieren. In fünfzig Jahren werden Ihre Chancen ungleich besser stehen ...“ Bolton Yates entschied sich für die Zukunft.