Читать книгу Mord auf der Liebesinsel - Walter Bachmeier - Страница 5

Kapitel 2

Оглавление

Am frühen Vormittag, es war etwa zehn Uhr, spazierte Gerhard Feiler mit dem Jagdhund Vroni, der seiner Nachbarin gehörte und seiner Enkelin Sabrina über die Gillamooswiese. Gerhard war zu der Zeit, als er noch nicht in Pension war, Stadtpolizist in Abensberg. Stets war er gewissenhaft und vorbildlich. Er war etwa einmeterfünfundsiebzig groß, schlank, und hatte, trotz seines Alters, immer noch eine sportliche Figur. Dies kam vermutlich davon, dass er regelmäßig Sport trieb. Er war in der Judoabteilung des TSV Abensberg. Er ging regelmäßig zum Training, denn es war ihm ein großes Anliegen, auch zu zeigen, dass man selbst im Alter noch gut mithalten konnte. Auch die Tatsache, dass die Judoabteilung im internationalen Vergleich ständig an den Spitzenplätzen zu finden ist, machte ihn stolz und es war ihm eine Freude, Mitglied bei diesem Verein zu sein. Seine Enkelin hatte zurzeit Ferien und durfte sich deshalb bei ihrem Großvater aufhalten. Sabrina war ein fröhliches und aufgeschlossenes Mädchen, das ebenso wie ihr Großvater dem Judosport frönte. Sie war jetzt zwölf Jahre alt, schlank, aber trotzdem kräftig, hatte dunkelbraune Haare, fast schwarze Augen und ein fein geschnittenes, ebenmäßiges Gesicht, das stets zu lachen schien. Sabrina lief mit dem Hund an der Leine voraus und Gerhard hatte trotz seiner Fitness Mühe, ihr zu folgen. Irgendwann waren sie aus seinen Augen verschwunden, aber Gerhard wunderte dies nicht weiter.

Plötzlich hört er ein lautes Gebell und einen schrillen Schrei. „Sabrina!“, er lief los in die Richtung, aus der er den Schrei und das noch immer anhaltende Gebell des Hundes hörte. Er rannte den Weg entlang, überquerte die Abens über die kleine Brücke hinüber zur Liebesinsel. Als er an den Parkbänken ankam, blieb ihm beinahe das Herz stehen. Das stand Sabrina vor einem Bündel, das offenbar ein Mensch war, und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Der Hund stand daneben und bellte. Schnell eilte er auf das Mädchen zu, packte es und zog es zur Seite. Das Mädchen schrie immer noch und schien sich nicht beruhigen zu wollen. „Bleib hier stehen und rühr dich nicht vom Fleck.“, sagte er zu ihr. Danach ging er zurück, nahm den Hund bei der Leine, die das Mädchen vorhin fallen hatte, lassen und zog ihn zu Sabrina. „Hier nimm!“, er drückte dem Mädchen die Leine in die Hand. Danach ging er zurück zu dem Bündel, unter dem sich eine große Blutlache auf dem Kopfsteinpflaster gebildet hatte. Er blieb davor stehen und sah es sich an . „Das ist ein Mensch! Das ist tatsächlich ein Mensch! Ob der wohl tot ist?“ Gerhard beschloss, die Polizei anzurufen, das Bündel anzufassen, wagte er nicht. Er griff in seine Hosentasche, in seine Hemdtasche, aber nichts. Er hatte das Handy zuhause liegen gelassen. „Sabrina!“ , fiel ihm ein! „Die muss doch ein Handy dabei haben!“ Er ging zurück zu ihr: „Sabrina! Hast du dein Handy dabei?“ Sabrina hatte alle Hände voll zu tun, den Hund an der Leine festzuhalten, da er immer wieder zu dem Mann zog, der unweit von ihnen auf dem Boden lag. Gerhard nahm ihr die Leine aus der Hand und Sabrina zog ihr Handy aus der Jeanstasche. Sie sah ihren Großvater fragend an: „Wen soll ich anrufen? Die Polizei? Ist der Mann tot? Soll ich einen Arzt rufen?“

„Ruf erst einmal die Notrufnummer an! Da muss zuerst ein Arzt her, ich weiß nicht, was los ist.“

Sabrina drückte die Notruftaste, und als sich jemand meldete, konnte sie nur sagen: „Hier liegt ein Mann! Ich weiß nicht, was mit ihm ist!“ Gerhard dauerte dies zu lange, deshalb nahm er ihr das Handy aus der Hand. Er meldete sich vorschriftsgemäß und gab alles Relevante durch. Die Stimme am anderen Ende bestätigte und meinte nur, dass er dort bleiben solle, wo er jetzt war. Gerhard klappte das Handy wieder zusammen und gab es Sabrina zurück. „Du bleibst jetzt mit Vroni hier! Hast du mich verstanden?“ Sabrina nickte nur kurz. Gerhard begab sich zurück zu diesem Bündel Mensch. Er ging um den Blutfleck herum, besah sich den leblosen Körper und erschrak, als er das Gesicht des Menschen sah. Die Augen erstarrt und weit aufgerissen, lag der Tote auf der Seite.

Gerhard sah den Eisenstab, der augenscheinlich von einer Baustelle stammte, denn es war ein Stück, das aussah wie Baustahl. Etwa zwanzig Zentimeter ragte das Eisen noch aus der Brust und am Rücken sah er ebenfalls noch ein kleines Stück, das scharf und spitz geschliffen schien. „Um Gottes willen!“ , schoss es durch seinen Kopf. „Das ist doch Paul! Paul Schneider!“ Paul Schneider war Inhaber einer der größten Firmen in Abensberg. Zugleich auch ein großer Gönner und Sponsor des TSV. Er hatte dazu beigetragen, dass so mancher Traum des Vereins verwirklicht werden konnte. Nun lag er da, tot, mit einer Eisenstange in der Brust. „Wer war das? Wer hat Paul so gehasst, dass er ihn umbrachte?“

Von Weitem hörte Gerhard das Martinshorn des Notarztfahrzeugs. Er ging zurück zu Sabrina, die immer noch weinte, und legte seinen Arm um ihre Schulter: „Ist ja schon gut, Mädchen. Der Arzt wird gleich hier sein und dann sehen wir weiter.“ Sabrina schmiegte sich an ihn und sah ihn mit verweinten Augen an: „Ist der Mann tot? Ist er wirklich tot? Wer macht denn so was? Was hat der Mann getan?“ Gerhard zuckte hilflos die Schultern: „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Soweit ich weiß, hat der Mann niemandem etwas getan.“

„Kennst du ihn?“

„Ja, ich kenne ihn und ich glaube nicht, dass er dieses Ende verdient hat.“ Inzwischen war der Notarztwagen auf der Gillamooswiese zum Stehen gekommen und die Sanitäter rannten mit einer Bahre zu ihnen hin. Gerhard hörte sie, wie sie über die Brücke liefen und als er sie sah, winkte er ihnen.

Der Notarzt, der die beiden Sanitäter begleitet hatte, kam zu Gerhard: „Was ist los? Was ist passiert?“ Wortlos zeigte Gerhard auf den am Boden liegenden Toten: „Das ist Paul Schneider. Ich glaube, er ist tot.“ Der Arzt ging zu dem leblosen Körper, ungeachtet dessen, dass er dazu in die Blutlache steigen musste. Er untersuchte ihn kurz und nickte Gerhard zu: „Sie haben recht, der Mann ist tot. Wir müssen die Polizei rufen.“ Er stand auf und ging mit den beiden Sanitätern zurück zu ihrem Fahrzeug. Sabrina zupfte Gerhard am Ärmel: „Opa, gehen wir wieder nach Hause? Mir gefällt es hier nicht.“

„Geh du schon mal mit Vroni heim. Ich muss noch etwas hierbleiben, denn die Kollegen werden sicher noch Fragen haben.“

„Kollegen? Opa, du bist doch schon längst nicht mehr bei der Polizei!“

„Weißt du Sabrina, für mich sind das immer noch meine Kollegen, auch wenn ich nicht mehr im Dienst bin.“ Sabrina schüttelte den Kopf: „Das verstehe ich nicht.“

„Musst du auch nicht, ich verstehe es ja selbst manchmal nicht.“ Sabrina nahm die Leine und zog daran: „Komm Vroni, wir gehen heim.“

Gerhard sah den beiden nach, wie sie auf dem Weg zurück zur Wiese gingen. Als sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren, setzte er sich auf eine der Parkbänke und sah zu dem Toten hin: „Das hast du nicht verdient Paul! Das hast du sicher nicht verdient. Ich werde tun, was ich kann, um den Kerl zu fassen, der dir das angetan hat!“, flüsterte er leise vor sich hin. Gerhard saß eine ganze Weile, bis er die Martinshörner der Polizeifahrzeuge hörte. Bald darauf kamen etliche Beamte in Uniform und zwei Männer in Zivil, die Gerhard noch aus seiner Dienstzeit bei der Polizei kannte. Einer von ihnen kam auf Gerhard zu und reichte ihm die Hand: „Servus Gerhard, was ist passiert?“

„Servus Albert, das da ist passiert.“, dabei zeigte er auf den leblos daliegenden Körper. Da der Kollege nicht auf das Gesicht sehen konnte, fragte er: „Wer ist das?“

Albert Gradinger war in der Zeit, als Gerhard noch als Stadtpolizist tätig war, sein direkter Vorgesetzter und hatte es mit der Zeit zum Kripobeamten geschafft. In dieser Funktion war er auch der Vorgesetzte Karls, Gerhards Sohn.

„Das ist Paul, Paul Schneider.“

„Was ist passiert?“, der Kollege schien unbeeindruckt, aber Gerhard sah ihm an, dass es ihn schon etwas getroffen hatte. Er erzählte ihm, was er wusste, bis jemand von der Spurensicherung auf sie zukam: „Wir haben da was. Da sind Fußspuren.“

„Wo? Wo sind Fußspuren?“, Gerhard schien aufgeregt, deshalb bremste ihn Albert aus: „Das geht dich nichts an. Halt dich zurück.“ Der Beamte von der Spurensicherung antwortete trotzdem: „Mitten im Blutfleck sind Fußspuren. Da muss jemand nach der Tat hineingetreten sein.“ Gerhard war erleichtert: „Das? Das war nur der Notarzt, er musste ja zu ihm hin.“ Nun kam auch der Gerichtsmediziner auf sie zu: „Darf ich stören?“ Albert wandte sich ihm zu: „Was hast du für mich? Todesursache, Tatzeit, na du weißt schon.“

„Ja ich weiß, aber du weißt auch …“

„Jaja, ich weiß, Genaues nach der Obduktion. Aber was du jetzt hast, kannst du mir schon verraten?“

„Ja kann ich. Also die Tatwaffe ist ein abgesägtes Stück einer Baustahlstange. Sie wurde, vermutlich um die Tat damit auszuführen, vorne scharf geschliffen.“

„Ja und? Die Todeszeit?“

„Genaues kann ich noch nicht sagen. Aber es dürfte etwa zwölf Stunden her sein. Plusminus einer Stunde.“ Albert sah auf seine Uhr: „Jetzt ist es elf Uhr. Also zwischen zweiundzwanzig und vierundzwanzig Uhr?“

„Ja so in etwa.“ Gerhard hatte aufmerksam zugehört: „Das heißt also, der oder die Täterin müsste ein Alibi für diese Zeit haben?“ Albert fuhr herum und drückte ihm den Zeigefinger an die Brust: „Du hältst dich heraus! Du bist in Pension! Verstanden?“ Gerhard hob abwehrend beide Hände: „Das würde ich mich doch nie trauen, dass ich dir die Arbeit wegnehme!“

„Na dann ist es ja gut.“

„Wenn du nichts weiter von mir willst, dann kann ich ja gehen.“

„Kannst du, und wenn ich noch Fragen habe..“

„Weißt du, wo du mich findest!“, grinste ihn Gerhard an. „Ja, sicher beim Kuchlbauer.“, grinste Albert zurück. Gerhard wandte sich ab und machte sich auf den Weg nach Hause. Als er vorne beim Weißbierstadel ankam, sah er Sabrina auf einer Bank sitzen. Sie machte einen unruhigen Eindruck: „Sabrina! Was machst du hier noch? Ich habe doch gesagt, dass du nach Hause gehen sollst.“ Sie sah ihn an und Gerhard bemerkte, dass sie weinte: „Ach Opa, mir ist nicht gut. Ich möchte nicht alleine nach Hause gehen.“

„Komm her.“ Sie stand auf und Gerhard nahm sie in die Arme. Dabei merkte er, wie das Mädchen zitterte. Er drückte sie ganz fest und strich ihr über die Haare: „Hat dich das so erschreckt? Hast du Angst?“

„Ja Opa, fürchterliche Angst. Was ist, wenn der Mörder uns gesehen hat und in der Nacht zu uns kommt und dich und mich umbringt?“

„Warum sollte er das tun? Er hat uns nicht gesehen, glaub mir, der ist längst über alle Berge.“

„Wirst du ihn fangen und einsperren Opa?“

„Ja, das werde ich. Ich werde den Kerl fangen und einsperren. So lange, dass er nicht mehr herauskommt.“

Sie sah ihn wieder an: „Ganz bestimmt Opa? Du sperrst ihn ganz bestimmt ein?“

„Ganz bestimmt.“ So sicher war Gerhard seiner Sache zwar nicht, aber er schwor sich, zumindest seinen Teil dazu beizutragen, dass der Kerl gefasst werden würde. „So, aber jetzt gehen wir heim.“ Gerhard nahm Sabrina die Hundeleine ab und sie liefen nach Hause.

Mord auf der Liebesinsel

Подняться наверх