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Kapitel 4

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Ganz entgegen seiner Gewohnheit fuhr er die Straubinger Straße etwas zu schnell Richtung Stadtausfahrt. Noch bevor er zum zweiten Kreisel kam, überholte ihn ein Streifenwagen und setzte sich vor ihn. Er verringerte seine Geschwindigkeit und bremste so Gerhard aus. Als er stehen blieb, musste auch Gerhard stehen bleiben und zusehen, wie der uniformierte Kollege ausstieg. Er kam auf Gerhard zu, deutete ihm an, dass er das Fenster herunterkurbeln solle, und blieb schließlich neben ihm stehen. Er deutete an seine Mütze und beugte sich zu ihm herunter: „Na Gerhard? Hast du es so eilig? Wo willst du denn hin?“

„Ach Franz, du bist es! Ich muss zum Supermarkt, etwas einkaufen. Ich habe heute etwas vergessen.“

„Zum Supermarkt? Soso. Du willst nicht nach Gaden?“

„Was soll ich in Gaden?“

„Naja vielleicht willst du zufälligerweise zur Firma Schneider?“

„Da hört sich doch alles auf, Franz! Was soll ich bei der Firma?“

„Ein paar Fragen stellen?“

„Welche Fragen?“

„Du hast doch den Toten heute Vormittag gefunden, da liegt es doch nahe, dass du ..“

„Nichts liegt nahe! Wie kommst du überhaupt auf sowas?“

„Pass mal auf, das bleibt aber unter uns: Albert hat mir gesagt, dass ich ein Auge auf dich haben soll, damit du keinen Blödsinn machst.“

„Albert hat das gesagt? Wie kommt er denn auf so etwas?“

„Das musst du am Besten wissen.“ Ungeduldig klopfte Gerhard auf das Lenkrad: „Ich muss jetzt weiter, Sabrina wartet zuhause auf mich!“ Er wartete gar nicht erst ab, bis sein Freund und Nachfolger vom Auto weg trat, und gab Gas. Franz konnte gerade noch zur Seite springen, damit Gerhard ihn nicht überrollte. Er rief ihm noch etwas nach, aber Gerhard war schon zu weit weg, als dass er das noch gehört hätte. Zügig fuhr er weiter über die Brücke, die zur B 16 führte, fuhr dann gleich rechts weg und dann gleich links nach Gaden. Da er wusste, wo die Firma ist, war er innerhalb ein paar Minuten dort. Er fuhr die Straße entlang bis zum Eingangstor, wo ihm die Einfahrt durch eine Schranke verwehrt blieb. Gezwungenermaßen blieb er stehen und wartete. Es dauerte auch nicht lange, bis ein grau uniformierter Mann aus einem Häuschen neben der Schranke kam, der ein schwarzes Bändchen am Revers trug. Gerhard hatte vorhin das Fenster nicht wieder geschlossen und wartete ab, was der Mann denn von ihm wollte. Augenscheinlich war es der Pförtner, der ihn nun fragte: „Wo wollen Sie hin?“

„Zur Geschäftsleitung.“

„Haben Sie einen Termin?“

„Nein habe ich nicht, aber es ist wichtig.“

„Sind Sie von der Polizei?“

„Könnte man so sagen, ja.“

„Ihre Kollegen waren heute schon mal da, was wollen Sie noch?“

„Wir hätten da nur noch ein paar Fragen.“

„Darf ich Ihren Ausweis sehen?“

„Aber selbstverständlich.“ Gerhard zog seinen alten Dienstausweis hervor und gab ihn dem Pförtner. Dieser besah ihn sich von allen Seiten und nickte: „Gut, warten Sie einen Moment.“ Während Gerhard wartete, ging ihm so einiges durch den Kopf: „Gut, dass ich den Ausweis habe. Normalerweise dürfte ich das gar nicht. Aber ich war damals schlau genug, mir einen Neuen ausstellen zu lassen. Ich hatte behauptet, meinen Ausweis verloren zu haben und bekam problemlos einen Neuen.“

Plötzlich ging die Schranke hoch und der Pförtner winkte ihn durch. Gerhard öffnete das Beifahrerfenster: „Wo muss ich hin? Wo ist die Geschäftsleitung?“

„Fahren Sie vorne gleich rechts, dann die Straße hinunter. Es ist das letzte Gebäude links.“

„Danke!“ Gerhard fuhr, wie ihm gesagt wurde, und blieb vor dem Gebäude stehen. Es war nicht besonders groß und unterschied sich kaum von den anderen, an denen er soeben vorbeigekommen war. Er stieg aus und betrat das Bürogebäude. Drinnen saß an einem Tresen eine auffallend junge, hübsche Frau, mit einer schwarzen Armbinde, die ihn anhielt: „Wo wollen Sie hin?“

„Zur Geschäftsleitung.“

„Das geht jetzt nicht, Frau Schneider hat noch Besuch. Bitte warten Sie.“, dabei zeigte sie auf ein paar Sessel, die in der kleinen Halle standen. Gerhard durchzuckte es wie ein Blitz: „Frau Schneider? Habe ich richtig gehört? Frau Schneider ist jetzt der Chef hier?“

„Die Chefin!“, lächelte die Dame. Gerhard setzte sich und überlegte: „Das ist ja eigentlich logisch, dass seine Frau jetzt den Laden übernimmt. Ich dachte eigentlich, dass der Sohn …“

Plötzlich hörte er aus dem Flur, der hinter einer Ecke des Tresens begann, einen lauten Streit. Eine männliche und eine weibliche Stimme stritten sich heftig. Gerhard konnte aber nichts verstehen, so sehr er sich auch anstrengte. Danach hörte er eine Türe, die heftig zugeschlagen wurde. Eine weibliche Stimme unterbrach ihn: „Kommen Sie jetzt bitte? Frau Schneider hat jetzt Zeit für Sie.“ Gerhard erhob sich und folgte der jungen Dame. Er konnte es nicht lassen, ihre Figur von hinten zu begutachten: „Die sieht aber gut aus. Die würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen. Hautenge Jeans, eine leichte Bluse, naja vielleicht zu leicht? Der Paul hatte schon immer einen guten Geschmack.“ Die junge Frau blieb stehen, drehte sich um und lächelte ihn wieder an, dabei blitzten ihre schneeweißen Zähne. Sie öffnete eine Türe und deutete ihm an, hineinzugehen: „Bitte, Frau Schneider erwartet Sie.“ Gerhard betrat das Zimmer und sah sich kurz um: „Tolle Einrichtung. Zweckmäßig, aber gut.“ An den Wänden standen nussbaumfarbige Schränke, „Wahrscheinlich echtes Holz?“ , dachte er. An der rechten Seite große Fenster und in einer Ecke ein riesiger Philodendron, der schon an der Decke aufgehängt war, damit er nicht umfallen konnte. Geradeaus eine braune Sitzecke und rechts davon ein riesiger eichefarbiger Schreibtisch, hinter dem sich nun eine sehr attraktive, junge Frau in schwarzem Kostüm erhob: „Herr Feiler, nehme ich an? Von der Polizei?“

„Ja, ich hätte da noch ein paar Fragen.“

„Aber ihre Kollegen waren doch schon da und haben mich befragt?“

„Das ist schon richtig, aber es haben sich neue Gesichtspunkte ergeben und da muss ich noch einmal nachfragen.“ Sie sah ihn verwundert an: „Neue Gesichtspunkte? Welche denn?“

„Nun ja,“ Gerhard schien verlegen „wir haben gehört, dass Sie noch einen .., wie soll ich sagen?“

„Stiefsohn?“

„Ja, einen Stiefsohn haben.“ Sie lachte kurz auf: „Aber das habe ich doch bereits Ihren Kollegen erklärt.“ Gerhard tat erstaunt: „Wie? Davon hat man mir gar nichts gesagt?“

„In Ihrer Behörde scheint es auch überall drunter und drüber zu gehen. Habe ich recht?“

Gerhard lächelte sie an: „Ja, die Behörden, Sie haben recht, selbst bei uns ist nicht immer alles so, wie es sein sollte.“

Sie zeigte auf die Sitzgruppe: „Setzen Sie sich doch.“

„Danke.“ Gerhard nahm Platz und sah auf die Türe, die sich nun öffnete. Herein kam wieder dieses bezaubernde Wesen von der Eingangstüre. Sie hatte ein Tablett in den Händen, auf denen zwei Tassen und ein Kännchen mit Kaffee standen. Diese stellte sie nun vor Gerhard auf den Tisch. Frau Schneider nahm eine Tasse und stellte sie vor Gerhard hin. Dann nahm sie das Kännchen, schaute kurz zu dem Mädchen und nickte: „Danke, Frau Zimmermann. Das wäre es dann.“ Das Mädchen drehte sich um und Gerhard hätte sich beinahe erwartet, dass sie einen Hofknicks machte, aber nichts dergleichen geschah. Frau Schneider sah ihn an: „Ich darf doch?“ Als Gerhard nickte, schenkte sie ihm ein: „Ein Stück Zucker oder zwei?“

„Zwei bitte.“

„Milch?“

„Nein, danke.“ Sie schenkte auch sich selbst Kaffee ein und lehnte sich in dem großen Sessel, in dem sie nun saß, zurück. Sie verschränkte die Finger beider Hände und sah Gerard erwartungsvoll an: „Nun? Fragen Sie. Was wollen Sie noch wissen?“ Gerhard vermied es, sich ebenfalls zurückzulehnen, obwohl er es gerne getan hätte. Stattdessen beugte er sich leicht nach vorne und sah die Frau an: „Frau Schneider. Mich würde zunächst interessieren, warum Sie die Geschäftsleitung übernommen haben und nicht Marinus?“ Sie sah ihn unverwandt an: „Das hatten mein Mann und ich vorher so besprochen.“

„Wie vorher?“

„Naja, dass im Falle seines …“, sie stockte.

„Seines Todes?“, half ihr Gerhard.

Ihr stiegen Tränen in die Augen, die sie mit dem Fingerrücken wegwischte: „Ja im Falle seines Todes sollte ich die Firma leiten.“

„Warum nicht Marinus?“ Sie lächelte: „Wissen Sie, Marinus ist ein sehr netter Kerl. Zu nett für das Geschäft, sie verstehen?“

„Nein, leider nicht. Er hatte doch Prokura oder nicht?“

„Ja schon, aber das nützt wenig in den Verhandlungsgesprächen mit Kunden.“

„Und da war Ihr Mann der Meinung, dass Sie ..?“

„Ja, er war der Meinung, dass ich bessere Voraussetzungen hätte, um mit den Kunden …“

„Weil Sie eine Frau sind?“

Sie nickte: „Unter anderem, ja.“ Gerhard überlegte: „Sie sieht fantastisch aus. Dieses Schwarz steht ihr sehr gut. Dazu die langen, blonden Haare, diese Augen! Selten habe ich so schöne Augen gesehen. Soll ich ihr das sagen? Nein, besser nicht. Schließlich bin ich ja quasi in offizieller Mission hier und das käme wohl nicht sehr gut an.“ Sie schien seine Gedanken zu erraten: „Dieses Kleid, das hat mir Paul noch gekauft. Er meinte, es stünde mir gut. Nie hätte ich damals gedacht, dass ich es so bald anziehen müsste.“, sagte sie. Dabei stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie tat ihm leid, sehr leid. Beinahe wäre er aufgestanden, um sie in die Arme zu nehmen und zu trösten, aber dies wäre wohl auch nicht gerade gut angekommen. Er lenkte ab: „Dieser Streit vorhin, war das Marinus, mit dem Sie eine Auseinandersetzung hatten?“

„Ja, das war Marinus.“

„Worum ging es bei diesem Streit, wenn ich fragen darf?“

„Ist das wichtig für Sie?“

Gerhard nickte: „Ich denke schon, dass es wichtig ist.“ Sie überlegte kurz: „Na gut, es ist besser, wenn Sie es von mir erfahren. Der Streit mit ihm ging um die Leitung der Firma. Er ist der Meinung, dass diese bei ihm besser aufgehoben wäre, als bei mir.“

„War das nicht vorher so abgesprochen? Sie hatten doch vorhin so etwas erwähnt?“

„Ja, das ist schon richtig, aber Marinus und mein Mann hatten schon damals eine heftige Auseinandersetzung deswegen. Schließlich hat sich mein Mann dann doch durchgesetzt.“

„Hatte Marinus eine Begründung dafür?“

„Wofür?“

„Na, dass er jetzt die Vereinbarung nicht gelten lässt? Ist es das Geld?“ Sie lachte kurz auf: „Das Geld? Wo denken Sie hin? Marinus und ich teilen uns die Gewinne. Er erhält die gleiche Summe wie ich.“

„Was ist dann der Grund dafür?“

„Der Name und die Macht! Er ist der Meinung, dass nur er als gebürtiger Herr Schneider das Recht habe, die Firma weiter zu führen.“

„Gibt es denn ein Testament?“

„Ja, aber ich weiß leider nicht, was drin steht.“

„Könnte es sein, dass Ihr Mann vielleicht doch ..?“

„Marinus als Erbe eingesetzt hat?“

„Vielleicht?“ Wieder lachte sie kurz auf. Gerhard fiel auf, dass sie ein Helles, ein perlendes, beinahe ein ansteckendes Lachen hatte. „Das glaube ich nicht! Das hätte Paul mir gesagt.“

„Was ist mit dem zweiten Sohn? Warum ist er nicht hier?“

„Edwin? Nein, der kommt gar nicht infrage! Der bekommt sicher seinen Pflichtteil und das war es dann schon. Er hat der Firma genug geschadet.“

„Geschadet? Wie meinen Sie das?“

Sie beugte sich leicht vor. „Er hat den Namen der Firma in den Dreck gezogen. Er hat alles getan, um den guten Ruf, den mein Mann hatte, zu ruinieren“, erklärte sie.

„Wie soll ich das verstehen?“

„Sehen Sie, er bekam jeden Monat Geld auf sein Konto, eine Art Apanage. Die hat er genutzt, um die wildesten Partys zu feiern, richtige Saufgelage. Er hat nichts ausgelassen, um mit dem Namen der Firma in Zusammenhang gebracht zu werden. Er ist ein Säufer, ein Verlierer, einer, dem man nicht mal seinen Hund zum Gassigehen anvertrauen würde. Als er dann noch wegen Drogenmissbrauchs vor Gericht stand, war es aus. Paul hat ihm die Zuwendungen gestrichen.“

„Und dann?“

„Ja dann hat er Paul geschworen, dass er dies noch bereuen werde. Er hat ihn beschimpft, bedroht und einmal hätten sie sich beinahe geprügelt.“

„Wo ist dieser Edwin heute?“

„Soweit ich weiß, ist er auf dem Weg nach München. Er war, wie er sagte, ein paar Tage in London. Wegen irgendwelcher Geschäfte.“

„Was könnten das für Geschäfte sein?“ Sie zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Vielleicht Drogengeschäfte oder so etwas. Nichts, was man als legales oder ehrliches Geschäft bezeichnen könnte. Auf jeden Fall wieder etwas, das der Firma schadet.“

„Sind Sie sicher, dass er in London war?“

„Was heißt sicher? Er hat gesagt, dass er in London ist. Wo er wirklich war, kann ich natürlich nicht sagen.“

„Frau Schneider, mich beschäftigt nun etwas ganz anderes: Warum sind Sie heute hier? Ich meine, Ihr Mann ist doch heute ums …“

„Sie meinen, ich sollte nicht hier sein, weil mein Mann umgebracht wurde?“

„Naja, das liegt doch eigentlich nahe, oder?“

„Ja schon, aber mein Mann hatte so viel Arbeit zu erledigen, das ist jetzt alles liegen geblieben und irgendwer muss das doch jetzt machen oder?“

„Könnte das nicht Marinus erledigen?“

„Marinus? Nein, auf keinen Fall. Er hat zwar Prokura und ist deshalb zeichnungsberechtigt, aber da sind Entscheidungen zu treffen, die nur ich treffen kann.“

„Welche Entscheidungen sind das zum Beispiel?“

„Nun, mein Mann hat sich entschieden, einen unserer leitenden Mitarbeiter zu entlassen. Es muss sein, verstehen Sie? Die Kosten, der Mann wird uns einfach zu teuer.“

„Und nun müssen Sie ihn entlassen? Weiß er denn schon davon?“

„Ja mein Mann hat es ihm schon lange angekündigt.“

„Und wie hat er darauf reagiert?“

„Wissen Sie, bei uns ist es wie bei allen großen Firmen, wenn jemand gehen muss, dann bekommt er eine Abfindung. Einen goldenen Handschlag, Sie verstehen?“

„Ja ich verstehe, aber wie hat er reagiert? War er böse? War er wütend? Hätte er einen Grund gehabt Ihren Mann …?“

„Umzubringen? Nein auf keinen Fall! Es ist nur – er wollte ..“

„Er wollte mehr als einen goldenen Handschlag?“

Sie nickte: „Ja, er wollte, wenn ich es so vergleichen darf, einen diamantenen Handschlag.“

„Also mehr als vereinbart war?“

„Ja, er wollte mehr, viel mehr und er drohte sogar mit einer Klage.“

„Mit welcher Begründung?“

„Er meinte, dass er viel für die Firma getan hätte, neue Patente, neue Erfindungen, von denen mein Mann profitieren würde.“

„Und, ist das so?“

Wieder nickte sie: „Zugegebenermaßen ja. Aber es stand in seinem Arbeitsvertrag, dass alle Erfindungen und Patente auf die Firma laufen würden und er keinerlei Ansprüche erheben könnte.“

„Noch eine letzte Frage: Was produzieren Sie eigentlich?“

„Wir, das heißt unsere Firma produziert Elektronikbauteile für die Autoindustrie. Kleinteile sozusagen, die aber in keinem der neuen Fahrzeuge fehlen dürfen.“

„Wollte Ihnen diese Erfindungen schon mal jemand abkaufen?“

„Davon können Sie ausgehen! Vor allem die Autoindustrie hat uns regelrecht belagert. Sie wollten unbedingt die Pläne und die Patente haben. Es wurde uns eine Menge Geld dafür geboten.“

„Warum hat ihr Mann nicht verkauft?“

„Verkaufen? Das wäre unser Ruin gewesen und außerdem, die Mitarbeiter, unsere langjährigen Mitarbeiter. Die wären sozusagen von heute auf Morgen auf der Straße gestanden. Das hätte mein Mann nie getan.“

„Wie ist es mit der Konkurrenz? Hat da jemand angefragt?“

„Unsere Mitbewerber? Ja, jede Menge! Sie glauben gar nicht, was da für Anfragen gekommen sind. Einer war sogar dabei, der gedroht hat, unsere Produkte zu kopieren.“

„Und? Hat er?“

„Nein, das geht gar nicht, denn wir haben ein spezielles Sicherheitssystem, das es unmöglich macht, unsere Produkte zu kopieren.“

„Wie funktioniert das?“

Sie lachte ihn an: „Glauben Sie im Ernst, dass ich Ihnen das verrate? Dann könnte ich gleich zusperren.“

Die Türe ging auf und Frau Zimmermann kam herein. Frau Schneider fuhr sie sofort an: „Können Sie nicht anklopfen!? Hat Ihnen das mein Mann nicht gelernt!?“

„Doch, schon, aber …“

„Was aber? Was wollen Sie eigentlich hier!?“ Frau Schneider reichte ihr einen Stapel Akten: „Marinus, entschuldigen Sie, Herr Schneider hat mir das für Sie gegeben.“

„Marinus? Warum bringt er mir die nicht selbst?“ Verschüchtert sah sie Frau Zimmermann an: „Er meinte ..,“.

„Was meinte er!?“

„Nun er meinte, dass er Ihnen heute nicht mehr …“

„Nicht mehr was?!“

„Nun, nicht mehr über den Weg laufen wolle.“

„Das hat er gesagt?“

„Ja, so oder so ähnlich.“

„Da hört sich doch alles auf!“ Sie sprang auf, schaute zu Gerhard und entschuldigte sich: „Sie verzeihen? Ich muss das sofort abklären.“

Auch Gerhard stand auf: „Ich wollte sowieso gerade gehen.“ Er reichte ihr die Hand: „Auf Wiedersehen Frau Schneider.“

„Auf Wiedersehen.“ Sie verließ das Büro und Gerhard folgte ihr. Er sah, wie sie die nächste Türe aufriss und das Zimmer betrat. Durch die Türe hörte er: „Was soll das? Warum gehst du mir aus dem Weg? Warum kannst du mir die Akten nicht selbst bringen?“ Er hörte eine leise Antwort, die aber augenscheinlich die Wut Frau Schneiders nicht bremsen konnte: „Du bringst mir das in Zukunft wieder selbst! Vergiss nicht, dass ich hier die Chefin bin und du nur Angestellter! Deine Kündigung ist schneller geschrieben, als du denkst!“ Eilig ging Gerhard weiter, denn er wollte nicht unbedingt als Lauscher an der Wand dastehen. Vorne an der Rezeption stand Frau Zimmermann mit ernster Miene. Gerhard ging auf sie zu: „Dicke Luft da drinnen, wie?“

Sie nickte: „Das kann man wohl sagen. Paul hätte das sicher nicht gewollt.“

„Paul? Sie nannten Ihren Chef Paul?“

„Ja, aber nur, wenn wir alleine waren.“

„Soll das heißen, dass Paul und Sie ..?“

Sie nickte: „Ja, aber sagen Sie es bitte nicht weiter. Ich wäre meinen Job hier sofort los.“

„Keine Angst, das bleibt unser Geheimnis.“

„Danke.“

„Könnten Sie mir noch etwas verraten?“

„Was denn? Ich weiß doch kaum etwas.“

„Das wissen Sie sicher. Wie lange sind Sie schon hier?“

Sie überlegte kurz: „Also als Sekretärin, etwa zwei Jahre. Ja, das war, als Paul und Frau Schneider, ich meine Sandra, geheiratet haben. Da wurde ich hier eingestellt.“

„Frau Schneider hatte also Ihren Job, bis sie …“

„Ja, sie war sozusagen meine Vorgängerin.“

„So, wie ich das sehe, auch in anderer Beziehung?“

„Ja, aber wir haben nie darüber geredet, dass er mich …“

„Heiraten würde?“

„Ja, ich hätte dem auch nicht zugestimmt. Ich wollte nicht so sein wie Sandra.“

„Aber Sie wären doch versorgt gewesen, genauso wie Frau Schneider jetzt?“

„Ja schon, aber ich bin auch jetzt gut versorgt.“

„Soll das heißen, dass Paul sie in seinem Testament bedacht hat?“

„Ja, er hat es zumindest so gesagt.“

„Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen jetzt zu nahe trete. Aber ich hatte den Eindruck, dass Sie und Marinus ..?“

„Sie meinen, weil ich vorhin von ihm mit seinem Vornamen gesprochen hatte?“

„Ja, das ist doch ungewöhnlich.“

„Hier nicht. Marinus ist genauso angestellt wie ich und wir reden uns untereinander immer mit Du an. Das hat Paul so gewollt.“

„Dann waren Sie auch mit Frau Schneider per Du?“

„Ja, aber das hat sich schnell geändert, als sie geheiratet haben.“

„Da wollte auch sie nicht mehr mit Du angeredet werden?“

„Ja, sie hat es sich strengstens verbeten.“

„Dann sind Sie doch länger in der Firma? Sie waren schon da, als Frau Schneider noch diese Position hatte?“

„Ja, aber ich war in der Fertigung. Nur durch meine Ausbildung als Hotelfachfrau habe ich diesen Job hier bekommen.“

„Sind Sie sich eigentlich sicher, dass Frau Schneider nichts davon mitbekommen hat, dass Sie und Paul .., ich meine, dass Sie ein Verhältnis hatten?“

„Das weiß ich nicht. Selbst wenn, was hätte Sie tun können? Paul und sie hatten einen Ehevertrag, in dem stand, dass sie im Falle einer Trennung keinerlei Abfindung oder Zahlungen bekommen würde.“

„Das heißt, sie wäre mit nichts dagestanden?“

„Ja, so könnte man sagen.“

„Könnten Sie sich vorstellen, dass Frau Schneider ihren Mann …“

„Umgebracht hat? Ja, durchaus!“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Passen Sie auf, das bleibt aber unter uns, versprochen?“

„Versprochen! Großes Indianerehrenwort!“

„Sandra, ich meine Frau Schneider hat in Kelheim eine Eigentumswohnung.“ Verblüfft fragte Gerhard: „Woher wissen Sie das?“

„Ich bin doch hier Mädchen für alles. Ich mache die Buchführung und war die Sekretärin von Paul. Auch bin ich die Sekretärin von Marinus und da habe ich mal einen Brief geöffnet, der an Frau Schneider gerichtet war und zufällig hier gelandet ist. Stellen Sie sich vor, es war eine Rechnung, eine Rechnung über eine Reparatur in einer Wohnung in Kelheim!“

„Wie kommen Sie darauf, dass es eine Eigentumswohnung ist und nicht gemietet?“

„Ein Mieter bekommt doch keine Rechnung über eine Elektroinstallation in seiner Wohnung! Die bekommt doch immer der Besitzer.“

„Da haben Sie auch wieder recht. Was denken Sie, was das bedeutet?“

„Nun, ich denke, dass auch Frau Schneider ihre Gründe hat, warum sie sich eine Eigentumswohnung kauft. Wahrscheinlich steckt ein Mann dahinter.“

„Sie glauben, dass auch Sie sich einen Liebhaber genommen hat?“

„Warum nicht? Wenn sie etwas gemerkt hat, von Paul und mir, dann hätte sie doch allen Grund, sich selbst schadlos zu halten.“

„Kennen Sie eigentlich Edwin Schneider?“

„Edwin? Ja natürlich! Der war ein paar Mal hier und jedes Mal hat es Streit gegeben um Geld!“

„Sie haben das mitbekommen?“

„Natürlich! Sie haben es doch selbst erlebt, was man hört, wenn im Büro gestritten wird.“

„Hat Paul mit Ihnen über Edwin gesprochen?“

„Ja, ich habe ihn einmal auf ihn angesprochen und ich kann Ihnen sagen, er war nicht gerade von Edwin überzeugt.“

„Was heißt das?“

„Eigentlich hätte Edwin die Firma erben und bis dahin hier mitarbeiten sollen. Aber dann ..“

„Dann ..?“

„Dann kam Marinus. Der war, nein, er ist genau das Gegenteil von Edwin. Ruhig, besonnen und vor allem hat er eine gute Ausbildung. Er ist Betriebswirt und weiß genau, worauf es ankommt.“

„Und Edwin? Was hat der gelernt?“

„Bürokaufmann! Zu mehr hat es bei ihm nicht gereicht. Paul war sehr enttäuscht von ihm und er hat es ihm auch gezeigt. Irgendwann kam dann der Bruch und Edwin hat alles getan, um die Firma in Misskredit zu bringen.“

„Was hat er gemacht?“

„Nun, er hat alles dafür getan, um schlechte Presse zu bekommen und bei jeder Gelegenheit dazu beigetragen, dass man weiß, wer er ist. Dadurch sind Paul auch ein paar Aufträge verloren gegangen.“

„Was ist eigentlich mit der früheren Frau Pauls? Was ist aus ihr geworden?“

„Paul hat ihr eine großzügige Abfindung gegeben und sie bekam auch jeden Monat einen dicken Scheck. So weit ich weiß, hat sie sich in Australien eine neue Existenz aufgebaut oder zumindest versucht, sich eine aufzubauen.“

„Was heißt versucht?“

„Paul meinte, wenn er das Geschäft gemacht hätte, wäre es sicher nicht so weit gekommen, dass die Firma pleitegegangen wäre.“

„Was war das für ein Geschäft?“ Sie zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht so genau, aber ich glaube, dass sie sich auch im Elektronikbereich versucht hat. Ein wenig verstand sie ja davon.“

„Anscheinend zu wenig?“

„Ja anscheinend. Paul hat auch gemeint, es könnte durchaus sein, dass Edwin seine Finger im Spiel hatte. Schließlich ist sie ja seine Mutter.“ Gerhard klang es in den Ohren, was Sabrina gesagt hatte: „Ferdi hat mir dann auch noch geschrieben, dass dieser Marinus noch einen Bruder hat, der aber gaaanz weit weg wohnt.“ Er sah Frau Zimmermann an: „Waren Sie eigentlich gestern mit Paul zusammen?“

„Ja, er war bei mir.“

„In Ihrer Wohnung?“

„Ja, die hat auch Paul bezahlt.“

„Bar?“

„Ja, er hat mir jeden Ersten des Monats das Geld für die Miete gegeben.“

„Wie lange war Paul bei Ihnen?“

„Nicht sehr lange. So gegen zweiundzwanzig Uhr hat sein Handy geklingelt und er ist rangegangen. Er hat mit dem anderen Teilnehmer nur ein paar Worte gewechselt und ist dann weg.“

„Hat er etwas davon gesagt, wohin er geht?“

„Nein, nicht direkt. Er meinte nur, dass es wichtig sei und er in einer Stunde zurückkäme.“

„Dann hat ihn wohl sein Mörder angerufen“ , sinnierte Gerhard. „Sagen Sie mal, Frau Zimmermann, wie heißen Sie mit Vornamen?“

„Wozu wollen Sie das wissen?“

„Es interessiert mich einfach.“

„Ja? Einfach so?“

„Ja, einfach so.“

„Na gut, ich heiße Evelyn mit Vornamen. Evelyn Zimmermann.“

„Danke, das freut mich. Ich heiße Gerhard, Gerhard Feiler.“ Er gab ihr die Hand und zwinkerte ihr zu: „Beinahe könnten wir uns jetzt duzen, was meinen Sie?“

„Das geht aber schnell bei Ihnen?“

„Bei dir.“

„Noch sind wir nicht so weit.“

„Wie wäre es, wenn wir mal zusammen Kaffee trinken würden?“ Sie zwinkerte ihm zu: „Bei dir oder bei mir? So sind doch die Klischees oder?“ Gerhard hatte plötzlich ein wohliges Gefühl im Bauch und zwinkerte zurück: „Bei dir, wenn es nicht zu viel verlangt ist?“ Sie lachte hellauf: „Sie sind wohl ein arger Charmeur?“

„Nur wenn mir mein Gegenüber gefällt.“

„Sonst nicht?“

„Eigentlich nur selten.“

„Nun gut, ich will mal nicht so sein. Um fünf bei mir?“

Gerhard fühlte sich plötzlich pudelwohl. So wohl wie schon lange nicht mehr und dieses Gefühl im Bauch, das hatte er zum letzten Mal wann? Ja, das war, als er seine Frau kennenlernte. Vor vielen, vielen Jahren. Vor einer Ewigkeit, so schien es ihm. Aber er wusste auch, dass er sich auf ein gefährliches Pflaster begab. Obwohl er nicht mehr im Dienst war, konnte er sich eine Liebschaft nicht leisten. Schon gar nicht, wenn er daran dachte, dass sie sicher auch erwartete, dass er ihre Miete bezahlt. Außerdem – und das machte ihn ein wenig stutzig, hatte sie gerade ihren Freund verloren. Das war noch nicht mal vierundzwanzig Stunden her. Konnte so etwas von Dauer sein? Im Übrigen konnte sie auch durchaus etwas mit Pauls Tod zu tun haben. „Um fünf? Das geht leider nicht. Da habe ich schon einen Termin.“

„Das macht doch nichts. Dann ein andermal?“

„Ja gerne.“ Gerhard schnaufte innerlich durch: „Das ist gerade noch mal gut gegangen. Wie es weiter geht, wird sich zeigen.“

Sie sah ihn an: „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

Gerhard lächelte: „Für dich.“

„Für mich? Wieso?“

„Naja du hast gerade gesagt, ob du etwas für Sie tun kannst. Ich dachte, wir sind beim Du?“

Sie fasste sich an die Stirn: „Ach ja. Aber wissen Sie …“

„Weißt du?“

„Entschuldige, aber ich bin da nicht so schnell mit dem Du und daher muss ich mich erst daran gewöhnen. Bei Paul …“

„War das anders?“

Sie sah ihn mit einem verträumten Blick an: „Ja bei Paul war das anders. Er war so ein anderer Mensch. So einer ist mir noch nie über den Weg gelaufen. Da funktionierte alles so, als ob wir uns schon ewig kennen würden.“

„Du hast mich gefragt, ob du noch etwas für mich tun kannst?“

„Ja, und, kann ich?“

„Kannst du. Wer ist eigentlich bei euch für die Forschung und Entwicklung zuständig?“

„Das macht bei uns Herr Hainzer, der ist dafür zuständig.“

„Kann ich den mal sprechen?“

„Ja natürlich. Ich bring dich zu ihm.“ Sie ging um den Tresen herum nach links in den langen Gang, der augenscheinlich zu den Produktionshallen führte, an denen er vorhin vorbei gefahren war. Gerhard folgte ihr und bewunderte ihren zarten, zierlichen Körper. Irgendwie war ihm danach, sie sofort zu überholen und ihre Hand zu nehmen. Vor einer Türe blieb Evelyn stehen und öffnete sie. Mit einer Hand zeigte sie in den Raum: „Hier ist das Büro und das Labor von Herrn Hainzer. Geh nur rein, der beißt nicht, auch wenn er manchmal so tut.“ Gerhard ging an ihr vorbei und wie zufällig streifte er dabei ihre Hand, die nach unten hing. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag und auch ihr schien es so zu gehen, denn sie zuckte mit der Hand zurück. Er sah sie an und erkannte in ihren Augen etwas Vertrautes, etwas, das er schon lange nicht mehr so gesehen hatte. Beinahe wäre er stehen geblieben und hätte sie in den Arm genommen, aber von drinnen schallte es heraus: „Wer ist da? Wer stört?“

Evelyn rief über Gerhards Schulter: „Ich bringe dir jemanden von der Polizei. Der hat ein paar Fragen an dich!“ Gerhard sah in den Raum. Außer etlichen Regalen und ganz vorne neben dem Fenster ein großer Schreibtisch, war nichts zu erkennen. Hinter einem der Regale rumpelte es und jemand fluchte.

Mord auf der Liebesinsel

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