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Kapitel 5

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Vorsichtig und mit einem Seitenblick auf Evelyn betrat Gerhard den Raum. Plötzlich kam ein Mann hinter einem Regal hervor, den Gerhard auf den ersten Blick mit einer Bulldogge verglich. Tränensäcke unter den Augen, der Unterkiefer mit leichtem Überbiss und die Wangen hingen ohne Spannung seitlich der Mundwinkel herunter. Dazu kam noch, dass der Mann nicht gerade groß, sondern eher klein und nicht gerade schlank war. Sein kahler Kopf erinnerte dazu auch noch an eine Bowlingkugel. Der weiße Laborkittel ging beinahe bis zum Boden. Darunter hatte er einen staubfesten Overall mit Mütze, wie ihn die Spurensicherung der Polizei trägt. „Was wollen Sie?“ blaffte er Gerhard an.

„Ich hätte da ein paar Fragen.“

Er wedelte mit der Hand: „Fragen Sie, fragen Sie und dann lassen Sie mich in Ruhe! Ich habe zu arbeiten!“ Gerhard drehte sich um und sah, wie Evelyn die Türe zuzog. Sie zwinkerte ihm noch einmal aufmunternd zu und dann schloss sie die Türe. Er wandte sich wieder dieser Bulldogge zu und sah ihn sich genau an: „Kann dieser Mann ein Mörder sein? Hätte er genügend Kraft und Wut, um jemanden zu ermorden?“

„Was ist jetzt!? Fragen Sie schon!“

Gerhard räusperte sich: „Wo waren Sie gestern Abend um zweiundzwanzig Uhr?“

„Wer sind Sie eigentlich, dass Sie mir solche Fragen stellen?“

„Mein Name ist Feiler, Gerhard Feiler. Ich bin von der Polizei.“

„Polizei? Ihre Kollegen waren doch heute schon mal hier und haben unnütze Fragen gestellt!“

„Das kann schon sein, aber es haben sich neue Fragen ergeben.“

„Zeigen Sie mir mal Ihren Ausweis!“

„Gerne.“ Gerhard zog den Dienstausweis aus seiner Tasche und gab ihn Herrn Hainzer. Dieser nahm ihn und betrachtete ihn von allen Seiten. Ehe er ihn zurückgab, schaute er noch einmal auf das Foto: „Den sollten sie mal erneuern lassen. Das Bild ist ja schon uralt.“

„Ja ich weiß, aber das lohnt nicht mehr, ich gehe ohnehin bald in Pension.“

„In Pension? Wenn ich Sie so ansehe, denke ich, dass es höchste Zeit dafür wird. Sie sind ja auch nicht mehr der Jüngste.“

Gerhard winkte ab: „Das macht der Stress, wissen Sie?“

„Nun stellen Sie mir schon Ihre Fragen. Dann machen Sie, dass Sie weiter kommen!“

„Na gut, wie Sie wollen. Also, wo waren Sie letzte Nacht gegen zweiundzwanzig Uhr?“

„Das haben Sie mich doch schon gefragt!“

„Aber noch keine Antwort von Ihnen bekommen.“ Herr Hainzer kam nahe an Gerhard heran und Gerhard glaubte schon, dass er ihn tatsächlich beißen würde: „Wo werde ich schon gewesen sein? Hier natürlich! Ich reiße mir den Arsch für die Firma auf und wo ist der Dank?“

„Gibt es dafür Zeugen?“

„Wofür? Dafür, dass ich mir den Arsch aufreiße? Da gibt es Zeugen genug! Schauen Sie sich doch mal um! Alles, wirklich alles, was Sie hier sehen, würde es ohne mich nicht geben!“

„Nein, ich meine, ob Sie gestern Abend hier jemand gesehen hat?“

„Das weiß ich doch nicht! Ich rede mit niemandem, während ich arbeite und ich kümmere mich auch nicht darum, ob mich jemand sieht!“

„Könnte es sein, dass Sie der Pförtner gesehen hat? Könnte er das bezeugen?“

„Das weiß ich auch nicht! Soweit ich weiß, macht der Mann um achtzehn Uhr Feierabend und ist dann weg!“

„Wie kommen Sie dann hier heraus, wenn das Tor zu ist?“

„Das brauche ich nicht! Ich wohne hier auf dem Gelände!“

„Gehen Sie denn nie weg? Mit Ihrer Frau beispielsweise?“

„Meine Frau? Ich habe keine Frau! Ich brauche auch keine! Schließlich habe ich meine Arbeit und jetzt gehen Sie, gehen Sie endlich, ich habe zu tun!“, dabei schob er Gerhard zur Türe. Dieser stellte sich aber stur und drehte sich noch einmal um: „Herr Hainzer. Ich habe gehört, dass man Sie hier nicht mehr will? Stimmt das?“

Hainzer blieb stocksteif stehen: „Wer hat das gesagt?“

„Frau Schneider hat mir das gesagt. Sie ist auch der Meinung …“

„Meinung? Diese Frau, dieses Miststück hat keine Meinung! Die hat ihr Hirn nur auf ihrem Konto. Sie ist es doch, die mich loswerden will! Paul hätte dem niemals zugestimmt! Er wusste, was er mir verdankt!“

„Dennoch wollte er Ihnen kündigen?“

„Paul? Paul mir kündigen? Niemals!“

„Wieso sind Sie sich da so sicher?“ Hainzer packte Gerhard am Ärmel und zog ihn mit sich bis hinter den Schreibtisch. Dort drehte er sich um und zeigte auf ein Regal mit etlichen Aktenordnern: „Sehen Sie! Schauen Sie mal rein in diese Ordner! Alles Patente, Patente und Erfindungen von mir. Der Grundstock für diese Firma. Ohne diese würde es die Firma nicht geben!“

„Sind das alles Erfindungen von Ihnen?“

„Nein, nicht nur von mir. Auch von Paul. Paul hat auch seinen Anteil daran.“

„Wie kommt es eigentlich, dass die Firma Paul gehört und nicht Ihnen beiden?“ Hainzer lachte kurz auf: „Das war einmal! Ja, wir hatten diese Firma aufgebaut. Uns beiden gehörte diese Firma.“

„Warum jetzt nicht mehr?“

„Wissen Sie, ich hatte mal Probleme, wirtschaftliche Probleme. Ich hatte mich an der Börse verzockt und eine Menge Schulden gemacht. Paul hat mir damals meine Anteile abgekauft und mich so vor dem Ruin gerettet.“

„Sie sagten, Sie wohnen auf dem Gelände? Wie kam das?“

„Sagte ich doch schon! Meine wirtschaftliche Situation! Paul hat mir ein Haus hier auf das Gelände gestellt und da wohne ich jetzt. Kostenfrei, Sie verstehen?“

„Also eine Art Hausmeisterwohnung?“

Bitterkeit war aus der Stimme zu hören: „Hausmeisterwohnung? Ja, das trifft es wohl. Immer zur Stelle, immer greifbar!“

„Sie standen Paul wohl sehr nahe?“

„Nahe? Ja, das können Sie laut sagen! Aber seit er dieses Weibsbild, diese Ausgeburt der Hölle hatte, waren wir uns nicht immer über alles einig. So wie früher, verstehen Sie?“

„Wie ist eigentlich ihr Verhältnis zu seinen Söhnen?“

„Zu Marinus und Edwin?“

„Ja, vor allem zu Edwin.“

„Ja, Edwin, Paul hatte viel Hoffnung in ihn gesteckt. Aber Edwin hat es ihm nicht gedankt! In keinster Weise. Als dann noch Marinus in die Firma kam, war es ganz aus. Paul hat getan, was er konnte, aber Edwin dachte wohl, er könnte so machen, wie er Lust hat. Wissen Sie, ich war Edwins Pate, ich habe ihm viel und oft geholfen. Aber selbst mir hat er nicht ein einziges Mal dafür gedankt.“

„Und Marinus? Was ist mit ihm?“ Hainzer setzte sich, stützte den Kopf in beide Hände und schien zu überlegen: „Marinus. Ein netter Kerl. Fast zu nett für diese Welt. Ich mag ihn, aber er ist nicht Paul. Er hat zwar eine sehr gute Ausbildung. Aber im praktischen Leben, in der Firma, Sie verstehen? Da versagt er komplett. Er hat nicht die geringste Ahnung davon, was wir eigentlich machen.“

„Trotzdem hat er Prokura?“

„Ja, Paul dachte wohl, dass er ihn so in seine Firma einbauen könnte. Aber da liegen Theorie und Praxis weit auseinander.“

„Was glauben Sie, wer Paul umgebracht hat?“

„Das fragen Sie noch!?“ Hainzer sprang auf: „Das war dieses Weibsstück! Ein anderer kommt dafür gar nicht infrage! Wussten Sie, dass sie einen Ehevertrag hatten? Paul wollte sichergehen, dass sie ihn nicht eines Tages einfach sitzen lässt und er noch dafür bezahlen muss!“

„Wie kommen Sie darauf, dass sie es gewesen sein muss?“

„Sagte ich doch gerade! Das Geld! Sie hatte es von Anfang an auf sein Geld abgesehen! Sehen Sie sich dieses Teufelsweib doch mal an! Zehn Männer könnte sie haben! Zehn Männer an jedem Finger der beiden Hände! Was macht sie? Sie krallt sich einen alten Mann! Einen Mann, der viel Geld hat! Nun hat sie einen anderen und will den alten Mann loswerden! Was liegt da näher?“

„Sagen Sie das nochmal.“

„Was?“

„Dass sie einen anderen hat?“

„Ja, irgend so einen Jungspund. Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, dass sie einen hat.“

„Wusste Paul auch davon?“

„Was glauben Sie? Natürlich wusste Paul davon. Warum sonst hätte er sich mit Evelyn eingelassen?“

„Was hat Paul gesagt, als er davon erfuhr? Haben Sie es ihm gesagt?“

„Er hat geweint, ja er weinte sich bei mir aus. Sie hat es ihm selbst gesagt. Im Streit verstehen Sie? Sie hat ihm an den Kopf geworfen, dass er nur ein impotenter, alter Mann sei, der sie gekauft hätte.“

„Was hat er dazu gesagt?“

„Nicht viel, nur dass er sie umbringen werde, eines Tages werde ich sie umbringen, hat er gesagt.“

„Nun ist sie ihm zuvor gekommen, glauben Sie?“

„Das liegt doch nahe!“

„Könnte es nicht auch ihr Freund gewesen sein?“

„Ja, durchaus! Aber dann hat sie ihn nur als Werkzeug benutzt.“

„Wäre denn nicht auch eine Scheidung eine Option für ihn gewesen?“

„Ja er hatte so etwas angedeutet.“

„Hat er ihr das auch gesagt?“

„Ich glaube schon, nein, ich bin mir sicher, dass er ihr das gesagt hat.“

„Wieso sind Sie sich da so sicher?“

„Weil er es mir gesagt hat.“

„Bevor oder nachdem er damit gedroht hat, sie umzubringen?“

„Das war davor, glaube ich.“ Gerhard sah demonstrativ auf seine Uhr: „Ich muss jetzt los. Vielen Dank für Ihre Informationen. Sie helfen uns sicher weiter.“ Er gab Hainzer seine Hand und wollte schon gehen, als ihn Hainzer festhielt: „Noch eines Herr Feiler. Reden Sie doch noch mit Marinus. Der kann Ihnen sicher mehr sagen.“

„Das werde ich sicher noch tun. Auf Wiedersehen, Herr Hainzer.“

Gerhard wandte sich ab und verließ das Labor. Draußen am Flur erwartete ihn Evelyn: „Nun, was hat er gesagt? Kommst du weiter?“ Er sah sie an: „Ja, ich bin ein ganzes Stück weiter.“ Er ging zurück zur Rezeption. Evelyn folgte ihm bis zum Tresen. „Was hat er gesagt? Was weißt du jetzt?“

„Ich muss das erst verdauen und ordnen. Dann kann ich dir mehr sagen - vielleicht.“

„Was heißt vielleicht?“

„Das heißt, dass ich noch nicht sicher bin, ob du nicht auch etwas damit zu tun hast.“

Sie sah ihn entsetzt an: „Das ist jetzt nicht dein Ernst? Wie kommst du darauf?“

„Wie gesagt, ich muss das Ganze erst ordnen.“ Sie stellte sich vor Gerhard: „Ich will jetzt sofort wissen, was er gesagt hat! Auf der Stelle! Was hat er über mich gesagt?“

„Kann es sein, dass Paul dich heiraten wollte? Hat er dich gefragt?“ Sie wurde blass: „Nicht so direkt, aber vielleicht?“

„Du hattest mir aber vorhin etwas anderes erzählt. Du erinnerst dich?“ Sie sah ihn mit einem verführerischen Augenaufschlag an: „Da waren wir ja noch per Sie?“

„Das ist doch egal, du hast mir etwas anderes erzählt und da wunderst du dich, dass ich dich auch verdächtige?“ Plötzlich hörten sie aus dem Gang, in dem das Büro von Frau Schneider lag: „Evelyn! Verdammt noch mal Evelyn! Wo steckst du?“ Es war aber nicht Frau Schneider, die rief, sondern Marinus Schneider, der soeben um die Ecke kam: „Da steckst du! Warum bist du nicht an deinem Platz? Da kann ich rufen so lange ich will, was?“ Er zeigte auf den Stuhl, der hinter dem Tresen stand: „Da ist dein Platz! Sonst nirgends! Haben wir uns verstanden?“

Sie nickte verschüchtert: „Ja Marinus.“

„Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe?“

Evelyn nickte nur: „Ja ich glaube schon.“ Gerhard schaute Marinus noch einmal an, bevor er ging. Draußen überlegte er: „Warum, lässt sie sich das gefallen? Warum redet sie so mit ihm? Was steckt dahinter? Ich werde einfach nicht schlau aus dem Mädchen. Könnte es vielleicht sein, dass die beiden ..?“ Gerhard schüttelte den Kopf: „Nein, das glaube ich nicht. Das will ich einfach nicht glauben! Vater und Sohn, die gleiche Geliebte? Das wäre aber ein dicker Hund.“

Mord auf der Liebesinsel

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