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Probleme der statistischen Dynamik
Оглавление1918 schrieb Schrödinger zwei lange Artikel über die statistische Dynamik, die eine vollständige Analyse der zufälligen Schwankungen der radioaktiven Zerfallsrate, den sogenannten Schweidler’schen Schwankungen, zum Inhalt hatten. Uns ist die Radioaktivität heute so vertraut, dass es uns kaum möglich ist, das Erstaunen und die Rätselhaftigkeit, die sie umgab, als man ihr erstmals gewahr wurde, einzufangen. Der Gedanke, dass ein Atom eines Elements für eine gewisse Zeit existieren kann, dann plötzlich ein Partikel emittiert und sich damit in ein Atom eines anderen Elementes umwandelt, war schon befremdlich genug. Aber die Tatsache, dass sich dieser Prozess nicht über externe Faktoren beeinflussen lässt und darüber hinaus nur den Gesetzen des reinen Zufalls gehorchen soll – dies war umso bemerkenswerter. Das beste Kriterium für die Zufälligkeit des Zerfallsprozesses ist das Auftreten von Schwankungen in der Zerfallsrate, die den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie gehorchen, wenn die Messungen über aufeinander folgende kurze Zeitintervalle durchgeführt werden. In einer Arbeit, die Schrödinger auf einer Sitzung der Akademie am 14. März 1918 vorstellte, ging es um die statistische Analyse solcher Messungen, die auf der Fokker-Planck-Gleichung in ihrer allgemeinen Form basieren. Ausgehend von dieser Gleichung, konnte er die verallgemeinerten Diffusionsgleichungen unter äußerer Krafteinwirkung herleiten – z.B. im Fall elastischer Kräfte, welcher von Smoluchowski behandelt wurde, oder im Fall der Gravitationskräfte, den er und Smoluchowski früher betrachtet hatten. Man kann diese Arbeit als eine Art Schärfen seines theoretischen Handwerkzeugs nach den vergeudeten Jahren im Krieg betrachten. Hier ist wieder sein tiefes Eintauchen in die Themen zu erkennen, die von der älteren Wiener Physikergeneration kultiviert wurden – ein Aufgreifen von Problemen, das von der Reaktion auf lokale, meistens eng beschränkte Interessen geleitet wurde. Man muss seine Fähigkeit, solch elegante Artikel zu schreiben, einfach bewundern – selbst wenn das Thema noch so klassisch oder weniger aufregend war, selbst wenn er nicht genug zu Essen hatte, fror oder von ernsthaften familiären Problemen heimgesucht wurde.
Schrödinges zweiter Artikel zur statistischen Dynamik des radioaktiven Zerfalls, „Wahrscheinlichkeitstheoretische Studien, betreffend Schweidler’sche Schwankungen, besonders die Theorie der Meßanordnung“, wurde der Akademie am 16. Januar 1919 vorgestellt. Diese Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie die längste Publikation ist, die er jemals zu Papier brachte. Sie füllt sechzig Seiten in den Sitzungsberichten.