Читать книгу Abenteuertour Afrika - Walter Odermatt - Страница 10
ОглавлениеKAPITEL 4
Südafrika West
Johannesburg – eine No-Go-Area oder ist es doch einen Besuch wert?
Aus Sicherheitsgründen haben wir unser Wohnmobil auf dem Campingplatz stehen gelassen, der sich in einer sicheren Gegend außerhalb Johannesburg befindet. Calvin, unser Taxifahrer meint: »Ich bringe euch gerne in meine Heimatstadt und zeige euch, wo ich aufgewachsen bin.«
Also fahren wir in die Wiege des Aufstandes, nach Soweto.
Auf dem Weg zum Mandela-Haus erklärt uns Calvin: »Im Kampf gegen die Apartheid spielte dieses riesige Township eine tragende Rolle. Es ist die größte schwarze Millionenstadt in Südafrika. Ich lebe gerne hier und fühle mich wohl.« Auf eine Frage meinerseits meint er: »Nein, Weiße leben hier keine. Ich jedenfalls kenne keinen einzigen Weißen, der hier lebt. Die kommen alle nur mit einem Touristenbus hier rein, machen ein paar Fotos und verschwinden wieder.«
Wir sind nicht viel besser. Nach dem Besuch der Orlando Towers, zwei bunt bemalten ehemaligen Kraftwerkstürmen, und dem kleinem Backsteinhaus, wo Nelson Mandela mit seiner ersten Frau Evelyn und später mit Winnie Mandela lebte, verlassen wir das erstaunlich saubere Township wieder. Die bunt zusammengewürfelten Hüttenverschläge sehen wir nur von der Schnellstraße aus.
Wenn wir schon mal hier sind, machen wir doch gleich das komplette Touristenprogramm: Mit dem roten Doppeldeckerbus lassen wir uns durch die City von JB kutschieren. So fahren wir durch den ehemaligen Minendistrikt, steigen im Viertel Newton kurz für einen Cappuccino aus und besuchen zum Schluss das Apartheid-Museum. Anhand vieler Fotografien und Ausstellungsobjekten wird uns dort auf beeindruckende Weise der Aufstieg und Fall der Rassentrennung gezeigt. Auch sind Filmaufnahmen von Massenprotesten in diversen Großstädten zu sehen. Was die Menschen zu dieser Zeit alles durchgemacht haben, lässt beklommene Gefühle in uns hochsteigen.
Am Abend sind wir bei Thomas und Jessica zum Essen eingeladen. Schon seit Kirgistan haben wir regen Mailkontakt. Thomas ist Deutscher und Jessica eine dunkle Südafrikanerin. Gemeinsam haben sie zwei Kinder und leben im noblen Vorort Sandton. Erst kürzlich hat er sein Geschäft verkauft und möchte wie wir mit einem eigenen Wohnmobil quer durch Afrika fahren. So ist natürlich für Gesprächsstoff gesorgt.
Auf der Suche nach den Drachen in den Drakensbergen
Durch die dicht besiedelte Provinz Gauteng, das Wort bedeutet in der Sotho-Sprache Ort des Goldes, fahren wir entlang gewaltiger Maisfelder Richtung Süden. Langsam weicht die weite Landschaft geschwungenen Hügeln, die von kleinen Rinderherden bevölkert sind. Eukalyptusbäume, die aus Australien eingeführt wurden, säumen die Straßen der höheren Lagen. Einsame, unbesiedelte Höhenregionen sind typisch für die Drakensberge. Hier gibt es die größte Konzentration an Wegen und Trails ganz Südafrikas.
Auf einer Wandertour im Golden Gate Highlands National Park bekommen wir etliche Bergzebras, Antilopen und Springböcke zu Gesicht. Grüne Hänge kontrastieren mit gelben Felsabbrüchen aus Sandstein. In der Ferne ist ein Donnern zu hören und die dunklen Wolken nehmen bedrohlich an Intensität zu.
Kaum sind wir beim Suri angelangt, prasselt ein heftiger Regenschauer mit Blitz und Donner auf das Autodach nieder.
Im nächsten, dem Royal Natal National Park werden wir nach der Wanderung von einem gewaltigen Gewitter heimgesucht. Am Morgen war es noch wolkenlos. Da man in dieser abgelegenen Gegend kaum einem andern Wanderer begegnen wird, muss man aus Sicherheitsgründen am Parkeingang die geplante Route angeben und sich einschreiben. Wir haben uns für den Plowmans Kop entschieden, eine Strecke, die es in sich hat. Mehrere Flüsse müssen durchquert werden und um den 2000 Meter hohen Gipfel zu erklimmen, sind an den neuralgischen Punkten Strickleitern und Eisenketten vorhanden. Die Aussicht auf den 3100 Meter hohen Sentinel und das Amphitheater ist schlicht fantastisch. Dieser Park ist das Wanderparadies schlechthin.
Drei Tage später sind wir erneut am Wandern, doch im Gegensatz zu den vorhergehenden Parks läuft uns dieses Mal das Wasser aus den Schuhen. Wir befinden uns im Cathedral Peak National Park und das Wetter meint es nicht gut mit uns. Seit zwei Tagen regnet es ununterbrochen. Das hat uns aber nicht davon abgehalten, erneut den Rucksack zu packen und loszuziehen.
Speziell nach den sechs Tagen im Krüger National Park, wo man nur fahrend die Gegend erkunden darf, haben wir das extreme Bedürfnis, uns in der freien Natur zu bewegen. Dazu sind die Drakensberge wie keine andere Gegend in Südafrika bestens geeignet.
Lesotho, das Königreich hinter den Wolken
Bevor wir die Fahrt zum Sani-Pass und weiter hinein nach Lesotho unter die Räder nehmen, wird noch zünftig eingekauft. Als wir von unserer Einkaufstour im Städtchen Eastcourt zurückkommen, steht ein älterer Herr vor unserem Suri.
»Schöne Tour habt ihr da gemacht«, meint Rodney und zeigt dabei auf unsere Weltkarte, die schon seit vielen Jahren unser Auto mit der zurückgelegten Strecke ziert. »Ich wohne nicht weit von hier und wenn ihr noch keine Bleibe für die Nacht habt, könnt ihr gerne bei mir übernachten.«
Wenn das kein Vorschlag ist!
Rodney und Myra bewohnen nicht weit entfernt ein hübsches Einfamilienhaus. Unser Vorschlag, dass wir im Auto übernachten, wird energisch abgelehnt. Selbstverständlich steht für uns ein eigenes Zimmer mit Bad zur Verfügung.
Unter anderem erklärt uns Rodney: »Wisst ihr, früher hatte ich ein großes Game Resort. Es brauchte alleine vierzig Kilometer an Zäunen, um diesen Tierpark zu umschließen. Vierundzwanzig Giraffen, Gnus, Zebras und jede Menge Antilopen bevölkerten den Park. Kurz nachdem die neue Regierung ans Ruder gelangt war, zwangen sie mich, ihnen dieses Wildreservat zu einem Spottpreis zu verkaufen. Was konnte ich tun? Ich wurde förmlich enteignet. Ein paar Tiere konnte ich noch verkaufen oder an andere Parks weitergeben, die restlichen wurden kurze Zeit später von Wilderern erschossen. Der einstige Campingplatz ist nur noch eine Ruine, die Zäune wurden gestohlen und das Land verwilderte. Es ist schlicht ein Desaster, was in der Zwischenzeit mit der einst blühenden Anlage geschehen ist. So wie mir ist es vielen Weißen ergangen.«
Am nächsten Tag verlassen wir Rodney und Myra und machen uns auf nach Lesotho. Über eine staubige und extrem steile Naturpiste fahren wir Richtung Sani-Pass. Dieser verbindet die südafrikanische Ostküstenprovinz KwaZulu-Natal mit dem Bergstaat Lesotho.
Auf 2700 Metern trotzt eine kleine Grenzstation dem kalten Wind. Nach dem Abstempeln der Pässe fahren wir durch eine kahle Hochebene auf der kaum ein Busch, geschweige denn ein Baum die Eintönigkeit unterbricht.
Doch dies ist nur der erste Eindruck. Schon bald sind die ersten Hütten zu erkennen – aus Bruchsteinen gemauerte Rundhütten mir Reet gedecktem Dach. Hirten in Wolldecken und Gummistiefeln reiten auf stämmigen Ponys und bewachen ihre Schafherden die, so scheint es, den letzten Grashalm schon längst abgenagt haben.
Das Königreich Lesotho, rundum von Südafrika eingeschlossen, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Viele der gut zwei Millionen Einwohner arbeiten in den Minen Südafrikas, da es hier so gut wie keine andere Verdienstmöglichkeit gibt.
Wir suchen uns irgendwo abseits der Straße einen Stellplatz für die Nacht, doch es dauert nicht lange, bis wir von den Hirten entdeckt werden. »Give me sweets«, werden wir von ihnen angesprochen. Nebst Okay, Yes and No sind das die einzigen englischen Worte, die sie können. Wir geben ihnen zu verstehen, dass sie ohne Gegenleistung nichts von uns bekommen und wir Betteln nicht gut heißen. Also laden sie uns ein, am nächsten Tag ihre Hütte zu besichtigen.
Schon früh am Morgen stehen sie in ihren dunklen Wolldecken und mit tief ins Gesicht gezogenen Mützen, aus denen nur die Augen hervorschauen, vor unserem Suri. Wir nehmen ein paar Gastgeschenke wie Obst, Mehl und Süßigkeiten mit und begeben uns auf den Weg zu ihren Behausungen.
Zusammen sitzen wir in der rußgeschwärzten Hütte, die mangels Holz mit Dung beheizt wird. In einem gusseisernen Topf mitten auf dem aus Lehm gestampften Boden, dampft eine Art von vergorener Milch vor sich hin. »Mehr haben wir nicht, das ist unser Grundnahrungsmittel«, geben sie uns mit Zeichensprache zu verstehen. Geschlafen wird auf einem streng riechenden Schaffell, das zugleich als Sitzgelegenheit dient.
Die drei jugendlichen Hirten sind verantwortlich für zehn Kühe und zwanzig Schafe. Die Kühe werden im Winter in tiefere Regionen getrieben, während die gut isolierten Schafe das ganze Jahr auf den fast 3000 Meter hoch gelegenen Weiden verbleiben. Das ist ein hartes Leben für verwegene Burschen, die tagein und tagaus jedem Wetter trotzen. – Cowboys auf dem Dach des südlichen Afrikas.
In Katse besuchen wir den gleichnamigen Staudamm. Auf einer Tour lassen wir uns erklären, dass dieser Stausee fast die ganze Stadt Johannesburg mit Wasser versorgt. Ein kompliziertes Röhrensystem verbindet verschiedene Stauseen miteinander, die wiederum über Hunderte von Kilometern bis in die größte Stadt Südafrikas reichen.
Eine Woche verbringen wir auf durchschnittlich 2000 Meter Höhe, genießen die Abgeschiedenheit in den Bergen, beobachten die einfache Lebensweise der hier ansässigen Basothos und sind erstaunt, wie sie seit Generationen in ihren strohgedeckten Rundhütten die kalten Winter überstehen. Etwas ist jedoch sehr auffällig. Vor jeder mit Lehm verputzten Rundhütte wurde auf ein Zementfundament ein WC-Häuschen gebaut und mit Wellblech überdacht; ein PVC-Rohr leitet den Geruch aus der Jauchegrube in den Himmel. Manchmal haben die Menschen das Dorf aufgegeben und sind umgezogen. Davon zeugen halbverfallene Rundhütten. Das Strohdach ist schon längst verrottet, aber die allgegenwärtigen WC-Häuschen stehen noch wie Denkmäler mitten in der Landschaft.
Für viele westliche Länder oder NGOs ist Lesotho ein Schwerpunkt in ihren Entwicklungsprojekten. Die allgegenwärtigen WC-Häuschen sind ein Zeitzeuge davon. Außerdem wurde die Bevölkerung großzügig mit Nahrungsmittellieferungen, Kleidern und Geldspenden beschenkt. Das hatte zur Folge, dass sich die Leute an die verschiedenen Spenden gewöhnt haben. Sobald sie einen Weißen erspähen, wird daher gebettelt. »Give me sweets, give me money, I want your watch«, rufen die Kinder im Chor am Straßenrand. Dies ist das Produkt der gut gemeinten, aber in der Wurzel falsch angepackten Hilfeleistung der verschiedenen Organisationen. Sie sähen die Abhängigkeit. Wieso soll der Bauer noch sein Feld bepflanzen, wenn er sowieso gratis Maismehl erhält? Wieso soll die Schneiderin noch Kleider nähen, wenn die Dorfbevölkerung Säcke voller Altkleider zum Nulltarif bekommt? Tausende von Milliarden US-Dollar wurden schon in die Entwicklungshilfe gesteckt und was hat es gebracht? Nichts als eine Abhängigkeit von diesem direkten und indirekten Geldsegen. Entwicklungshilfe ist ein riesiger Industriezweig. Die Profiteure sind mehrheitlich die westlichen Staaten und Afrika ist der Verlierer. Jeder, der lange in Afrika gelebt hat, auch die schwarze Bevölkerung, wird dies bestätigen. Afrika muss versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber zu diesem Thema wurde schon viel geschrieben und wird noch viel geschrieben. Die Interessen sind einfach zu verschieden.
Heute wollen wir Lesotho bei Sehlebathebe verlassen. Die Piste wird immer schlechter, bis sie nur noch aus einem Eselspfad besteht. Schon seit Stunden ist uns kein Fahrzeug mehr entgegengekommen. – Ein schlechtes Omen. In einer Kurve fahre ich über eine Bodenwelle und anschließend in eine vom Wasser ausgewaschene Rinne. Das Vorderrad steht 60 Zentimeter in der Höhe und unser Suri scheint zu kippen. Vorsichtig steigen wir kreidebleich aus dem schwankenden Fahrzeug. Mit Steinen versuchen wir, die Schräglage zu stabilisieren und die Furche mit Erde aufzufüllen. Anschließend fahre ich vorsichtig aus dieser misslichen Situation.
Es ist noch einmal gut gegangen. Nur mit knapper Not konnten wir ein Überschlagen verhindern. Das ist ein Zeichen; wir kehren um. Einen Tag lang fahren wir die gleiche, holprige Strecke zurück und atmen auf, als wir den ersehnten Asphalt erreicht haben.
Wird das Café Foto Albert bald vom Reisevirus geführt?
Wir ziehen weiter Richtung Westen und schon bald erspähen wir unser nächstes Ziel, den Mountain Zebra National Park. Dieses Schutzgebiet hat sich zur Aufgabe gemacht, vom Aussterben bedrohte Bergzebras das Überleben zu sichern. Das Tier hat eine kürzere Mähne als das normale Zebra und ein schmaleres Streifenmuster. Es wurde in der Vergangenheit stark gejagt und fast ausgerottet.
Auf der Rundstrecke können wir genüsslich die Zebras sowie Pferdeantilopen, Strauße und Springböcke beim Grasen und Spielen beobachten. Anschließend waschen wir uns den Staub im nahe gelegenen Swimmingpool von unseren Körpern. Diesen Pool hätten wir gerne mit den hier ansässigen Pavianen geteilt, die aber, als sie uns erblicken, fluchtartig den Pool verlassen und das Weite suchen.
Das Valley of Desolation ist alles andere als trostlos. Auf einer Wanderung hat man eine wunderbare Aussicht auf die bizarren Felsformationen und einen atemberaubenden Blick über die Weite der Karoo, eine Wüstenlandschaft, in der nur wenige Büsche und Sträucher gedeihen.
Eine schöne Stimmung herrscht auch in Graaff Reinet, das wir nach einsamen Straßenkilometern erreichen. Schmucke weiße oder bunt bemalte Häuschen, umgeben von üppigem Grün, veredeln die gepflegten Straßenzüge. Und neben all dem Fast Food und Instantkaffee gibt es wieder ein richtiges Dessert im schönen Café Polka & Bakery. Wir genießen Kaffee und Kuchen, so wie es sich für ein altes Bäckerehepaar gehört. Die Stadt ist wie eine Oase, eine kulinarische Oase in der staubigen Wüste der Karoo.
Prince Albert liegt am südlichen Ende der großen Karoo, direkt an den schroffen Swartberg Mountains. Es sind in erster Linie nicht die schmucken Kap-holländischen und viktorianischen Häuser, die uns in dieses kleine Städtchen ziehen, nein, wir haben uns hier mit einem ausgewanderten Schweizer Ehepaar verabredet. Sabine und Stephan haben vor fünf Jahren die Zelte in der Schweiz abgebrochen und sich am Rande der Wüste eine neue Existenz aufgebaut. Stephan betreibt ein Fotostudio, wogegen sich Sabine ganz dem Aufbau und Betrieb des Restaurants Café Foto Albert widmet. Spontan laden sie uns zu sich nach Hause ein und es wird ein langer und interessanter Abend. Zum Schluss verbleiben wir so, dass wir voraussichtlich Ende des Jahres für vier Wochen ihr Café führen werden. In dieser Zeit wollen sie eine längere Auszeit in der Schweiz einplanen und endlich mal wieder Weihnachten mit ihren Kindern verbringen.
Am nächsten Tag fahren wir über eine schmale unbefestigte Straße über den Swartberg-Pass. Immer wieder haben wir tolle Ausblicke auf die rot in der Abendsonne leuchtenden Sandsteinfelsen. Diese Bergkette trennt die kleine Karoo von der großen im Norden.
Nicht weit entfernt liegt Südafrikas bedeutendste Höhle, die Cango Caves. Die Standard-Führungstour erschließt nur den vordersten Teil der 1,6 Kilometer langen Höhle, daher entscheiden wir uns für den Adventure Trail. Wir denken, allzu schlimm wird es sicher nicht, doch wir irren uns!
Unsere kleine Gruppe startet schon bald zum Dom, einer 100 Meter langen Eingangshalle. Es ist mucksmäuschenstill, als die Höhlenführerin das Ave Maria singt. – Die Akustik ist fantastisch. Der zweite Raum, etwas kleiner, ist voll von kolossalen Stalagmiten und Stalaktiten. Riesige Orgelpfeifen aus Jahrtausende altem Kalk hängen von den Decken.
Doch nun wir es abenteuerlich. Schon beim ersten Hindernis kneifen zwei aus unserer Gruppe; sie trauen sich nicht durch den Kamin des Teufels – eine horizontale enge Röhre von fünf Metern Länge muss durchkrochen werden. Als unsere Führerin sagt: »Erst kürzlich ist eine Touristin neun Stunden hier steckengeblieben«, wird uns allen etwas bange. Behutsam nehmen wir die Aufgabe an und kriechen ohne Halt durch den glitschigen Tunnel. Doch kaum sind wir durch, müssen weitere enge Spalten und niedrige Durchbrüche gemeistert werden. Kopf voran schieben wir uns durch den Schlitz des 30 Zentimeter hohen Briefkastens, der seinem Namen alle Ehren macht. Am Schluss sind wir uns alle einig: Diese Tour hatte es in sich.
Auf der weiteren Strecke zieren unzählige Straußenfarmen die Landschaft. Wir befinden uns in Oudtshoorn, dem Zentrum der südafrikanischen Straußenzucht. Wir verzichten auf eine Besichtigungstour, kaufen uns aber ein Langhals-Steak, das wir am Abend genüsslich auf dem südafrikanischen Braii grillen. – Genüsslich ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck: Das Wetter hat umgeschlagen. Kaum ist die Kohle am Glühen, fängt es an zu regnen. Mit dem Schirm versuche ich, das Straußensteak und die Maiskolben vor dem Regen zu schützen, doch der Schirm ist nicht groß genug, dass auch ich noch Platz darunter hätte. Mit der einen Hand halte ich den Schirm und mit der andern das Bier. Das Ganze hat auch seine Vorteile: Egal wie oft man aus der Dose trink, es ist immer gleichviel drin.
Wer das Meer liebt, findet an den endlosen Sandstränden von Plettenberg Bay sein Paradies, doch diese Gegend hat für uns keine Seele. Endlose Ferienhäuser und B & Bs kleben an den Hängen mit Sicht auf das Meer, doch die meisten haben nur den Blick auf den eigenen Stacheldraht und die hohe Mauer. Es herrscht eine immerwährende Angst vor der ausufernden Kriminalität.
Ein weißes Mercedes-Cabriolet hält neben unserem Suri und die Dame mit der weißen Sonnenbrille fragt in Schweizerdeutsch: »Seid ihr die ganze Strecke von der Schweiz bis hierher gefahren?«
In letzter Zeit passiert uns das öfter. Speziell an der Gardenroute gibt es viele ausgewanderte Europäer oder solche, die ferienhalber mit dem Mietwagen unterwegs sind. Ohne Auto werden wir kaum beachtet, doch halten wir irgendwo mit unserem abenteuerlich aussehenden Fahrzeug, werden wir angesprochen und über die Reise ausgefragt. Der Suri ist eindeutig unser Türöffner.
Der Name der Dame ist Janneke und sie lädt uns zu sich nach Hause ein. Sie haben eine wundervolle Villa auf Thesen Island, direkt an der Lagune. Max, ihr Mann ist ursprünglich aus Uri und als Willkommensgruß flattert die Urner Fahne mit dem Uri-Stier vor ihrem Haus. Die beiden haben fast ihr ganzes Leben in Pretoria verbracht und sind nach der Pensionierung nach Knysna gezogen.
»Wisst ihr«, meint Max, »so wie wir machen es die meisten. Rund um Johannesburg spielt das Big Business, aber um das Leben genießen zu können, ist es der falsche Ort. Die Gardenroute hat eines der besten Klimas der Welt. Hier ist die Kriminalität kleiner, es gibt viele Sportmöglichkeiten und auch das kulturelle Leben kommt nicht zu kurz.«
Liebe Janneke, lieber Max, vielen Dank für eure Gastfreundschaft. Es ist immer wieder interessant, für eine kurze Zeit in das Leben von Auswanderern zu blicken.
Anschließend an Mossel Bay fahren wir zum südlichsten Punkt Afrikas. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir charmante Städtchen wie Witsand und Struisbaay, die ein Easy-living-Ambiente verbreiten, spektakuläre Ausblicke auf den Indischen Ozean und wilde Küstenszenerien inklusive.
Über die Seidenstraße zum südlichsten Punkt Afrikas
Gewiss, es gibt kürzere Routen zum südlichsten Punkt Afrikas, aber keine davon ist abenteuerlicher. Wir befinden uns nach zwei Jahren Fahrzeit am Cape Agulhas, dem Kap der Stürme. Unermüdlich peitschen die Wellen des Indischen und Atlantischen Ozeans auf die steinige Küste. Wir machen ein paar Fotos von der Meishu Maru, des Fischkutters, der ein paar Meter vor der Küste auf Grund gelaufen ist, und lassen unsere Füße von den zwei Ozeanen umspülen.
1488 umschiffte Bartolomeu Diaz das Kap und gab ihm den Namen Agulhas, Nadelkap. Vielleicht wegen den nadelspitzen Felsen, auf denen wir gerade herumturnen.
Am südlichsten Punkt trifft sich der Indische mit dem Atlantischen Ozean.
Struisbaai mit seinen schönen Fischerhäusern, seinem alten Leuchtturm aus dem Jahre 1848, seinen Mantarochen, die allabendlich zur Flut im Hafen ihre Runden drehen und nach Fischfutter Ausschau halten, sowie seinem herrlichen Sandstrand macht uns die Weiterreise schwer. »Morgen geht es weiter!«, sagen wir immer, doch ist der Morgen erst mal angebrochen, verschieben wir die Weiterreise auf den nächsten Tag.
Doch irgendwann geht es tatsächlich weiter zum historischen Städtchen Elim, wo einst 1824 die Brüdergemeinschaft der Herrnhuten ausschließlich für Farbige eine Missionsstation gründeten. Die ganze Siedlung mit ihren reetgedeckten Dächern ist denkmalgeschützt. Nur wer farbig ist, ist in der Kirche willkommen. Weder Schwarz noch Weiß können wirklich dazugehören, selbst wenn sie der Kirche beitreten sollten.
Über die Wal-Metropole Hermanus, wo man zur richtigen Zeit den Southern Right Wale, den südlichen Glattwal, sowie Buckelwale aus nächster Nähe beobachten kann – wir sind leider nicht zur richtigen Zeit in Hermanus –, fahren wir weiter der herrlichen Küste entlang nach Cape Town.
Als Erstes bekommt unser Suri dort ein paar neue Reifen. Nach fast 60.000 Kilometern ist sein Schuhwerk schon ziemlich abgelaufen. Wir sind gespannt, wie sich die neuen Cooper-Reifen bewähren. All die Jahre sind wir mit BF Goodrich unterwegs gewesen, aber schon seit Monaten sind sie im ganzen Land ausverkauft. Keiner kann uns zuverlässig sagen, wann die nächste Lieferung aus den USA eintrifft. Nach Rücksprache mit dem South African Landcruiser Klub haben wir uns schließlich für den Cooper Discoverer S/T entschieden.
Kapstadt ist nach Johannesburg und Durban mit knapp vier Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Südafrikas. Das erklärt auch, warum wir schon seit Längerem auf dem Weg in die Innenstadt im Stau stecken. Irgendwann erreichen wir dennoch die Herzkammer der touristischen City, die Waterfront. Dutzende von Restaurants, Straßenmusiker und unzählige Shops versuchen, den Touristen aus aller Welt das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Wer durch Südafrika reist, kommt an Nelson Mandelas Spuren kaum vorbei. Eine dieser Spuren ist Robben Island, die Gefängnisinsel 20 Kilometer außerhalb Kapstadts. Das Eiland in Sichtweite des Tafelberges ist UNESCO-Welterbe und der bedeutendste Erinnerungsort des Landes. Im Rahmen einer Besichtigungstour haben wir die Möglichkeit, die gerade einmal vier Quadratmeter große Zelle zu besichtigen, in der der berühmte Gefangene 466/64 hausen musste.
Abgeschirmt hinter meterhohen Mauern, Stacheldraht und Wachtürmen liegt dieser Hochsicherheitstrakt, in dem Südafrikas Rassisten einst ihre politischen Gefangenen verschwinden ließen. Eine Matte und ein paar Filzdecken liegen auf dem blanken Betonboden. Der Blecheimer in der Ecke war die Toilette, ein Holzschemel steht unter dem vergitterten Fenster. 27 Jahre verbrachte Nelson Mandela im Gefängnis, 18 Jahre davon hier. In dieser winzigen Zelle liegt der Schlüssel zum Charakter des Friedensnobelpreisträgers. Hier, wo andere nur Rache geschworen hätten, fand er die Kraft zu vergeben. Seitdem nannten ihn alle Madiba, der Versöhner. Mandela hat sich zeit seines Lebens für das Wohl seiner Landsleute eingesetzt.
Plötzlich herrscht auf der Rückfahrt große Aufregung auf dem Boot. Alles schreit und zeigt mit dem Finger aufs Meer. Die Wal-Saison und mit ihr die Paarungszeit ist längst vorbei und trotzdem sichten wir in unmittelbarer Nähe eine Gruppe von Glattwalen. Mit den Fontänen, die sie pusten, und dem Zeigen ihrer eindrucksvollen Schwanzflosse beim Abtauchen bieten diese gewaltigen Meeresbewohner eine spektakuläre Show.
Stellenbosch, das Mekka der Weine
Wir sind unterwegs an der Weinstraße, entlang historischer Herrenhäuser und moderner Weinkeller. Franschhoek, Paarl und Stellenbosch lassen das Herz eines jeden Weinliebhabers höherschlagen. Doch wir sind nicht auf der Suche nach irgendeinem Weingut, nein, unser Ziel ist die Backsberg vinery.
Leser unseres Buches Abenteuertour Seidenstraße mögen sich vielleicht noch erinnern an den Abschnitt über Nepal. Auf dem Campingplatz in Pokahra campten neben uns Jill und Mike Back aus Südafrika. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen und wenn wir einmal in Südafrika sein sollten, müssten wir sie unbedingt besuchen. Sie hätten dort ein Weingut. – Und nun, ein Jahr später, stehen wir vor ihrem gewaltigen Anwesen.
Die Weine von Backsberg sind hier im südlichen Afrika ein Begriff. So ist es kein Wunder, dass wir schon bald mit den Backs im Restaurant sitzen und einen köstlichen Chardonnay vor uns haben. Es gibt viel zu erzählen über unsere gemeinsamen Reisen. Leider mussten sie damals ihre geplante Reise von Nepal über China nach Europa abbrechen. – Das Erdbeben hatte die einzige Zugangsstraße nach Tibet total verschüttet. Alles Warten nützte nichts und ihnen blieb nur die Rückreise, also die Verschiffung zurück nach Südafrika.
Übernachten können wir mitten auf ihrem Weingut zwischen den Reben mit einer herrlichen Aussicht auf das Städtchen Stellenbosch. Sie drücken uns noch eine Flasche Chardonnay Reserva in die Hand, die wir jetzt zum Sonnenuntergang vor unserem Suri gemütlich leeren. So schön kann reisen sein.
Am nächsten Morgen treffen wir uns mit Jill und Mike zum Frühstück. Sie übergeben uns noch die neue Kreditkarte, die Kurt, der Bruder von Ruth, uns geschickt hat. DHL sei Dank: Alles hat geklappt.
Mit dem Versprechen uns wiederzusehen, setzen wir unsere Fahrt fort. Wir haben noch weitere Bekannte, die wir besuchen wollen.
Nördlich von Stellenbosch in Wolseley betreiben Batie und Peter eine Schweine- und Trauben-Farm. Der Toggenburger ist schon in früheren Jahren ausgewandert und hat hier seine südafrikanische Frau Batie kennengelernt. Bei ihnen bekommen wir einen guten Einblick in das Farmerleben: Große Weingüter können ihre Weine selbst vermarkten. Produziert man aber nur die Trauben, bekommt man zur Zeit drei Rand pro Kilo, das sind etwa 20 Rappen bzw. Euro-Cent. Man kann sich ausrechnen, wie viel Profit da noch bleibt. Auch der Preis von Schweinefleisch ist im Keller. Infolge der lang andauernden Trockenzeit konnte viel zu wenig Mais geerntet werden und dieses Futter für die Schweine muss nun aus Mexiko importiert werden, natürlich zu einem viel höheren Preis. Viele Farmer, denen es genauso geht, suchen Alternativen. Peter hat sich entschieden, den Anbau von Kernobst zu forcieren sowie Blaubeeren für den europäischen Markt anzupflanzen.
Am nächsten Tag wandern wir zum Wasserfall, der auf dem Grundstück von Peter liegt. Wer kann schon von sich behaupten, einen eigenen Wasserfall zu besitzen? Trotz der Trockenheit in weiten Teilen des Landes fließt hier immer noch klares Bergwasser den Fluss hinunter.
Am Abend verwöhnt uns Batie mit Käse-Makkaroni, allerlei Grillfleisch und zum Dessert gibt es Nespresso-Kaffee mit Willisauer Kirsch.
Liebe Batie, lieber Peter, vielen Dank für eure Gastfreundschaft und bis später einmal bei uns in der Schweiz. Von einem italienischen Overlander-Pärchen haben wir den Tipp bekommen: »Geht unbedingt nach Paternoster, das war unser Lieblingsplatz in Südafrika.«
Tatsächlich, dieser Ort ist traumhaft. Im nahe gelegenen Cape Columbine National Reserve bleiben wir ein paar Tage. Es gibt zwar keinen Strom auf dem weitläufigen Campingplatz, dafür Natur im Überfluss. Manchmal bildet der kalte Atlantikstrom zwischen den Steinen kleine Pools, in denen man baden kann, und kilometerlange Wanderwege führen an der Küste entlang. Was will man mehr?
In wenigen Tagen läuft unser dreimonatiges Visa aus. Das ist der Grund, dass wir etwas mehr Gas geben und die schöne, wenig bevölkerte Westküste im Eiltempo durchfahren.
Südafrika hat extrem viel zu bieten. Traumhafte Strände, Berge zum Wandern, Flüsse zum Fischen, Seen zum Baden und eines der besten Klimas der Welt, doch – und hier kommt das Ausrufezeichen – eine latente Unsicherheit bezüglich Politik und Kriminalität. Wem es nichts ausmacht sich einzukerkern, der lebt hier gut, doch will man das?