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ОглавлениеKAPITEL 5
Namibia Süd
Willkommen im Wüstenstaat
Erfreulich unproblematisch passieren wir den namibischen Zoll und mit ihm den Oranje River, der die natürliche Grenze dieser beiden Staaten bildet. Sofort verändert sich die Landschaft. Namibia ist ein Wüstenstaat, dessen Charme sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Es sind die unglaubliche Weite und die karge Landschaft, die uns faszinieren, haben sie doch etwas Verführerisches wie Beängstigendes zugleich. Wir fühlen uns von der Welt abgeschnitten, fast wie auf einem anderen Planeten. Es ist eine lebensfeindliche aber dennoch tolle Landschaft.
Grünau scheint auf der Karte ein größerer Ort zu sein, doch in Wirklichkeit besteht er aus einer Tankstelle, einem Hotel und wenigen, windschiefen Wellblechhütten. Zum Glück haben wir unsere Fleisch- und Milchprodukte gut vor dem Zöllner versteckt gehalten, denn hier gibt es nichts zu kaufen.
Unser erstes Ziel ist der Fish River Canyon. Er ist eine der größten Schluchten der Welt am Südrand Namibias, nahe der Grenze zu Südafrika. Leider können wir die Trekkingtour zum Talgrund nicht begehen, da sie bis Ende April noch geschlossen ist. In dieser Zeit kann der Fischfluss plötzlich Hochwasser führen und in der Vergangenheit wurde das etlichen Touristen schon zum Verhängnis.
Somit bleibt uns keine andere Wahl, als bei Temperaturen von 43 Grad im Schatten – allerdings gibt es weit und breit keinen Schatten – entlang der Abbruchkante eine Wanderung zu unternehmen. Immer wieder bleiben wir stehen und lassen das einzigartige Panorama auf uns einwirken. An den mächtigen Gesteinsschichten des bis zu 550 Meter tiefen Canyons lassen sich Jahrmillionen Erdgeschichte ablesen. Diese Ebene ging vor Jahrtausenden zu Bruch. Eine Spalte tat sich auf, die dann in Kombination mit starken Schleifarbeiten des Fish Rivers zur heutigen Schlucht führte. Er ist zwar nach dem Grand Canyon der zweitgrößte Canyon der Welt, doch die Dimensionen in Arizona sind schon noch gewaltiger. Toll ist er aber allemal mit seinen Flussschlingen und schroffen Felswänden.
Am nächsten Morgen, nach einer Nacht, die nur auf 33 Grad abkühlte, besuchen wir zum Sonnenaufgang erneut den Haupt-Aussichtspunkt auf den weit unter uns fließenden Fischfluss. Die langsam aufsteigende Sonne zaubert mit ihrem warmen Licht und dem Schattenspiel immer neuen Strukturen in den Fels. Ein starkes Schauspiel, bis die Schlucht immer mehr ausgeleuchtet ist.
Ai-Ais bedeutet in der Nama-Sprache Feuerwasser und so heiß ist es wirklich, als wir unsere Finger in die brodelnde Quelle stecken. Wir befinden uns ein paar Kilometer südlich des Fish River Canyons. Es ist immer noch über 40 Grad heiß und niemand benutzt das schöne Thermalbad auf dem Campingplatz, dessen Wassertemperatur wir auf 45 Grad schätzen. So ist es auch kein Wunder, dass wir heute Nacht von Schnee und Eis träumen.
Auf dem Weg zum Oranje-Fluss tut sich uns eine wunderbare Landschaft auf. Vollkommen einsam rollen wir auf guter Schotterpiste mit vereinzelten Sandpassagen an eigentümlichen Felsgebilden vorbei. Eindrucksvolle Akazien und Köcherbäume ranken sich in den stahlblauen Himmel und rötlicher Fels türmt sich zu imposanten Hügeln auf. Vereinzelt huschen Strauße über den flimmernden Sand.
Irgendwo in dieser arkadischen Landschaft biegen wir links ab und beziehen unser Nachtlager direkt am Oranje-Fluss. Unsere Nachbarn, die Kormorane, lassen nach erfolgreichem Beutezug ihre Flügel an der wärmenden Sonne trocknen und mit dem Beginn der Abenddämmerung fliegen Dutzende von Glühwürmchen an uns vorbei. Eine himmlische Ruhe liegt über dem Land.
Kurz nach Aus heißt es Augen offen halten. Hier sind meist von der Straße aus Wildpferde der Namib-Wüste zu sehen. Tatsächlich! In der Ferne erspähen wir eine kleine Herde dieser perfekt an das trockene Klima angepassten Pferde. Sie trinken in der Trockenzeit nur alle fünf Tage. Damit sie auch längere Dürreperioden überleben, wurde in der Nähe von Aus eine Tränke für sie eingerichtet.
Auf dem Weg nach Lüderitz gibt es keine Zäune mehr, hier wächst nichts. Ein heftiger Wind weht, die Hitze vom Fish River Canyon ist längst vergessen, das Thermometer innerhalb weniger Stunden um etwa 20 Grad gefallen. Brettebener Horizont soweit das Auge reicht, nur hin und wieder ein paar Büsche, die sich gegen den permanent wehenden Wind in den Sand stemmen. Das dringend benötigte Wasser erhalten sie vom Küstennebel.
Schon lange freuen wir uns auf die kühlen Temperaturen der einstigen Keimzelle des ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika. Der einzige Campingplatz liegt auf der stürmischen Halbinsel der Haifischbucht. Kalte Winde lassen unseren Suri schaukeln wie ein Segelboot in rauen Gewässern. Diese Kälte kommt vom Atlantik, der an der Südwestküste Afrikas vom Benguela-Strom geprägt ist. Er führt aus der Antarktis unablässig eiskaltes Wasser heran.
Hier treffen wir auf die zwei Österreicher, Sandra und Rainer, die gemeinsam mit ihrem Landcruiser die afrikanische Westroute hinuntergefahren sind. Die Nacht wird lang und der Weinvorrat verringert sich von Minute zu Minute in fast schon dramatischer Weise.
In Lüderitz begann im August 1883 die deutsche Kolonialgeschichte, die bis heute dieses Land so stark geprägt hat. Hier, in den Dünen der Namib, wurden einige Jahre später die größten Diamantvorkommen der Erde gefunden. Auf dem Weg dorthin werden wir angehalten und der uniformierte Beamte gibt uns klar zu verstehen, dass wir hier keinen Zutritt haben. So wird es leider nichts, durch ein paar Diamantenfunde unser Budget ein wenig aufzubessern.
Der Weg führt uns zurück, vorbei an den verfallenen Häusern der alten Diamantenstadt Kolmanskuppe, die gespenstisch halb im Sand vergraben liegen.
Nach drei Tagen Strandfeeling ruft uns erneut die Wüste. Die kleine kaum befahrene Piste 707 ist gut präpariert und folgt dem Ostrand der Namibwüste nach Norden. Auf den nächsten 300 Kilometer gibt es nur eine Handvoll Farmen, alles wirkt wie ausgestorben. Wir parken unseren Landcruiser in der völligen Einsamkeit der Namib-Wüste und richten uns für die Nacht ein. Jede Minute tauchen mehr Sterne am mondbeleuchteten Himmel auf, als hätte sie jemand angeknipst. Über uns strahlt die Milchstraße; das Sternbild des Orion und das Kreuz des Südens sind regelrecht in den Himmel gemeißelt.
Es ist einfach atemberaubend dazusitzen, inmitten dieser Landschaft, und die Stille auf sich wirken zu lassen, dieses Gefühl, zu zweit ganz alleine auf der Welt zu sein, keine anderen Menschen zu sehen, nicht einmal von Weitem, nicht einmal als winzigen Punkt am Horizont, nichts zu hören als das leise Rascheln des Wüstenwindes der die Sandkörner bewegt … Genau das ist der magische Zauber des Reisens.
Die höchsten Dünen der Welt
Drei Tage später erreichen wir Sossusvlei, eine von Sanddünen umschlossene beige Salz-Ton-Pfanne. Pünktlich um sechs Uhr öffnet das Gate und wir gehören zu den Ersten, die zu den Dünen losbrausen. Bevor die unbarmherzig steigende Sonne jede Bewegung zur Tortur ausarten lässt, wollen wir den Sonnenaufgang von den Dünen aus erleben.
Die letzten Kilometer Sandpiste sind selbst für unseren kampferprobten Suri eine harte Nuss. Er bockt wie ein wildgewordenes Impala in den kniehohen Sandrinnen und hoppelt heftig über Bodenwellen. In unserer Wohnkabine tanzen die Teller und Gläser lautstark einen Rock’ n Roll und wir ziehen eine endlose Staubfahne hinter uns her. Wenn man hier bremst, hat man schon verloren und bleibt stecken. Doch wozu haben wir einen 4x4 mit Untersetzung und Sperrdifferenzial? Als Alternative könnte man auch den parkeigenen Shuttleservice benutzen, doch den hat unser Suri schlicht und einfach abgelehnt.
Als die ersten Sonnenstrahlen das Sossusvlei erhellen, ist das Panorama einfach berauschend. Irreal wirkende, scheinbar abgestorbene Baumstämme stehen inmitten des trockenen Salzsees. Orange glitzernde Sandwälle im Kontrast zu den grüngelben Kameldornbüschen machen das Ganze geradezu märchenhaft.
Lange sitzen wir einsam auf einer Sanddüne, beobachten eine einzelne Oryxantilope, hier auch Gämsbock genannt, und lassen uns von der Sonne die Morgenkälte vertreiben.
Die Dünen sind, anders als in der Sahara, auch Lebensraum für Kleintiere, die in Trockenperioden ausschließlich dank der Feuchtigkeit des morgendlichen Nebels existieren können. Kleine schwarze Käfer huschen über den Sand; sobald es ihnen an der Oberfläche zu heiß wird, graben sie sich ein.
Die Dünen hier werden bis zu 300 m hoch und gehören zu den höchsten der Welt.
Gestern hatten wir noch den 60 Kilometer entfernten Tsauchab River besucht. Wie andere Flüsse auch, ist er die meiste Zeit im Jahr ausgetrocknet. Führt er doch mal Wasser, was nur etwa alle 20 Jahre vorkommt, blockieren ihn die hohen Sandwälle des Sossusvlei, wo er endgültig in den Wasserpfannen verdunstet. Dies ergibt die sogenannten toten Vleis. Hier recken über 500 Jahre alte Akazien ihre toten Äste in den stahlblauen Himmel.
Die Magie der Wüste
Auf der Weiterfahrt zum Namib Naukluft Park säumen immer wieder ärmliche Holz- und Wellblechhütten die staubig-weiße Straße. An einfachen Verkaufsständen versuchen die Einheimischen, den vorbeifahrenden Touristen Halbedelsteine zu verkaufen. Da wir auch ohne die Steine schon überladen sind, können wir ihnen nichts abkaufen, aber die Bitte um eine Flasche Wasser erfüllen wir gerne.
Hier soll es ein natürliches Schwimmbad geben? Wir sehen weit und breit nur Sand und rote Felsen; die Luft flimmert in der Hitze. Doch Jon, der Manager vom Hauchabfontein Camp zeigt uns auf dem schön angelegten Campingplatz seine natürliche Quelle. Welch eine Wohltat, sich in diesem natürlichen, glasklaren Schwimmteich mitten in der Wüste einen ganzen Schubkarren voll Sand vom Körper zu waschen.
Westlich von hier liegt Solitaire, ein wichtiger Knotenpunkt mit Tankstelle, Campingplatz und Restaurant. Doch wer hier nur tankt oder ein Foto von den eingewachsenen verrosteten Oldtimern schießt, verpasst die eigentliche Sensation: Hier, in der Desert Bakery, stellen sie den besten Apfelkuchen Afrikas her. Es ist Ostermontag und fast alle Plätze sind belegt. Die schwarzen Apfelkuchen-Produzenten können dem Ansturm der vielen Touristen fast nicht standhalten. – Und das Mitten in der Wüste! Kaum zu glauben.
Schon im Vorfeld haben wir uns die Bewilligung für ein paar Übernachtungen in der Namib-Wüste bei der Nationalparkverwaltung eingeholt. Ohne dieses Permit darf man die direkte Straße durch die Wüste nach Swakopmund nicht verlassen.
Wir sind schon seit Stunden keinem Fahrzeug mehr begegnet. Die einzigen Lebewesen sind Orixantilopen, Zebras, Gnus und Erdmännchen, die neugierig aus dem Bau schauen. Es gibt keine Zäune mehr – hier wächst nichts.
In Blutkuppe, dessen Granitfelsen in der Abenddämmerung tatsächlich wie Blut erleuchtet sind, beziehen wir unser Nachtlager und genießen ein weiteres Mal die absolute Stille, die es nur in der Wüste gibt. Die riesigen Felsplatten sind in das Licht der warmen Abendsonne getaucht und strahlen die Hitze des Tages zurück.
Am nächsten Morgen besteigen wir den Granithügel, der etwas vom Ayers Rock in Australien hat, und finden an einem ausgetrockneten Wasserloch den schönsten Köcherbaum unserer bisherigen Reise. Mit seiner schillernden Rinde und den vielen gelben Blüten ist er ein starker Kontrast zu der ausgetrockneten steinigen Gebirgslandschaft. Früher haben die Buschmänner aus dem Holz ihre Köcher für die Pfeile geschnitzt.
Ein Vorort Bayerns oder doch Afrika?
An wohl keinem andern Ort der Welt treffen deutsche und afrikanische Kultur und Lebensart so unvermittelt aufeinander wie in Namibias beliebtestem Küstenort. Sowohl für uns auch als für die meisten Touristen ist Swakopmund, mit dem Ambiente eines traditionellen Seebades an der Ostküste, ein fester Programmpunkt auf der Reiseroute.
Im Café Anton schlemmen wir eine Schwarzwälder Kirschtorte, während sich am Nebentisch ausgewanderte deutsche Damen angeregt über den neuesten Klatsch unterhalten.
Der kleine Küstenort zählt rund 50 Restaurants. Die Bandbreite reicht von urdeutscher Küche mit Schweinshaxen und Sauerkraut bis zu Krokodilsteak in Erichs Restaurant. Wir begnügen uns mit einer einfachen Pizza beim Italiener.
Auf unserer Fahrt ins südlich gelegene Walvis Bay fahren wir entlang der wilden Küste, die immer wieder im Morgennebel verschwindet. Hier sorgt der eiskalte Benguela-Strom zwar nicht gerade für Badetemperaturen, jedoch für optimale Lebensbedingungen von Fisch und Plankton. Ideale Voraussetzungen für Wale, die die Gegend einst berühmt gemacht haben.
Wir schlendern entlang der Bucht und beobachten die vielen Wasser- und Zugvögel, die hier regelmäßig Rast machen. Tausende von rosa schillernden Flamingos staken durch das Brackwasser, wo etliche Würmer und Schnecken ein üppiges Nahrungsangebot finden. Pelikane kreisen und kleine Watvögel mit langen Schnäbeln picken im Sand. Wahrlich ein Vogelparadies.
Uralte Felszeichnungen
Am Morgen verlassen wir Little Germany und fahren nordwärts zu den Seelöwen. Es stinkt fürchterlich, als wir Cape Cross erreichen. Tausende von Seelöwen verbringen die meiste Zeit ihres Lebens, wenn sie nicht am jagen sind, hier auf diesen Felsen. Es sind nur Weibchen und Jungtiere anzutreffen. Die männlichen Seelöwen sind zu dieser Jahreszeit weit draußen im Ozean. Das nutzen die Frauen gnadenlos aus und es ist ein Lärm und Gezanke wie auf einem arabischen Kamelbasar.
Der Umweg rund um den 2500 Meter hohen Brandberg hat sich gelohnt. Nach einer Stunde Wanderzeit erreichen wir mit unserem Führer die schönen filigranen Felsmalereien der White Lady: Dutzende teilweise übereinander gemalte Bilder in weißer, roter und blauer Naturfarbe liegen vor uns, Giraffen, Springböcke, Antilopen, Nashörner und Elefanten; Menschen auf der Jagd mit Pfeil und Bogen. Wir staunen über die ältesten Felsmalereien Afrikas, die bis zu 5000 Jahre alt sind.
Am nächsten Tag erheben sich bei Twyfelfontein, am Ort der zweifelhaften Quelle, rotbraune Riesenmurmeln zu einem imposanten Hügel. Auch hier, an einer der reichsten Fundstellen von Felsgravuren in Afrika, darf man nicht ohne Führer losmarschieren. Im Gegensatz zur White Lady sind die Darstellungen nicht gemalt, sondern geritzt. Zusätzlich hinterließen die Steinzeitkünstler hier ihre Unterschrift in Form eines Fußabdrucks. Am berühmtesten ist wohl der Löwe mit dem abgeknickten Schwanz.
Wir staunen nicht schlecht, als wir am nächsten Tag bei der Palmwag Lodge unsere Freunde Brigit und René aus Emmetten antreffen. Sie sind jedes Jahr mit ihrem Dreiachser-Unimog für einige Monate im südlichen Afrika unterwegs. So verschieben wir unsere Weiterreise, denn erst mal muss gefeiert werden.
Der Etosha Nationalpark
Mitten im Damaraland, zwischen der Skeleton Coast und dem Etosha Park, liegt das Camp von Vital und seiner Frau Marianne. Vital ist Belgier und hat sich vor sieben Jahren seinen Traum von der eigenen Lodge erfüllt.
Er meint: »Eigentlich bin ich Dachdecker von Beruf, habe von der Führung eines Restaurants keine Ahnung, aber wenn man ein Ziel vor Augen hat und beharrlich darauf zu arbeitet, kann man alles erreichen. Ursprünglich wollte ich mit einem Wohnmobil um die Welt reisen, so wie ihr, bin aber dann hier, mitten in der Wüste, hängen geblieben.«
Da kommt man schon ins Staunen über so viel Pioniergeist. Jemand, der die Einsamkeit nicht ertragen kann, ist hier sicher fehl am Platz.
Auch die Liebe zu den Reisenden kommt auf seinem Prospekt zum Vorschein. Dort steht: Vehicles with non African Registration may make free use of our campsites. Nicht schlecht! So bleiben wir zwei Tage bei Vital auf dem schönen Campingplatz und schlemmen seine berühmten Zebrasteaks. Vom Esstisch im Freien können wir frei lebenden Ginsterkatzen und Stachelschweinen beim abendlichen Fressen zusehen. Es hat sich bei den Tieren schnell herumgesprochen, dass Vital jeden Abend ein paar Leckerbissen auf der Mauer für sie bereithält.
Plötzlich schrillt eine Glocke an der Bar. Wir schmunzeln und schauen zur WC-Tür. Ein junger Mann kommt etwas verlegen aus dem Toilettenhäuschen und geht schnurstracks zu seinem Tisch. Tja, in der Herrentoilette hängt ein übergroßes Poster von einer hübschen Bikinischönheit. Ein Pfeil zeigt auf die Brüste mit dem Hinweis: Drückt ihr auf den Busen, müsst ihr eine Runde Jägermeister an der Bar bestellen. An eben diesem Punkt befindet sich ein unsichtbarer Kontaktknopf, der bei Berührung an der Bar Alarm auslöst. So ist es nicht verwunderlich, dass kurz darauf eine Runde Jägermeister auf den Tischen steht. Herzlichen Dank dem noblen Spender, der es nicht lassen konnte.
Der Etosha Park liegt ca. 550 Kilometer nördlich von Windhoek. Sein Herzstück ist die Etosha-Pfanne, eine Salz-Ton-Pfanne, auf der die Hitze nur so flimmert.
Wir erreichen den Park vom Westtor aus und begeben uns sogleich auf die Suche nach Elefanten, Giraffen, Geparden und Konsorten. Der Anblick eines Leoparden, der extrem scheu und zudem nachtaktiv ist, ist uns nicht vergönnt, wir können uns aber trotzdem vom Tierreichtum des 22.000 Quadratkilometer großen Parks überzeugen. Löwen, Impalas und winzige Dikdikantilopen sind zu sehen.
Gegen Abend, etwas außerhalb des Olifantrus Camps, kommt plötzlich Bewegung in die Runde. Eine zwanzigköpfige Elefantenfamilie zieht gegen das Wasserloch, um ihren Durst zu stillen. Genüsslich bespritzen sie sich mit Schlamm und genießen das Wasser, bevor sie trompetend und Ohren schwenkend in der Weite der Savanne verschwinden.
Am nächsten Tag sind wir noch keine 20 Kilometer gefahren, da liegt der Hauptdarsteller Afrikas herzhaft gähnend und perfekt getarnt neben der Straße. Für einen kurzen Moment sind im hohen Savannengras nur seine beeindruckenden Reißzähne zu sehen. Langsam steht er auf. Er ist kaum zu sehen im honiggelben Gras. Der Anblick hat etwas Erhabenes, etwas Majestätisches. Kurz reckt er seine Nase in den Wind und sein Blick schweift durch die ausgedörrte Weite, bevor er sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung hingibt: dem Dösen.
Auf dem weiteren Weg begegnen uns immer wieder turmhohe Giraffen, die ihre Hälse über die Dornenakazien schwenken. Ein Schakal schleicht vorbei und Nashörner grasen genüsslich das harte Savannengras ab. Die halbe Arche Noah versammelt sich rund um die eigentliche Etosha-Pfanne im Osten des Parks.
Heimaturlaub
Langsam läuft unsere Reiseuhr ab. – Nicht die der ganzen Reise, aber einer weiteren Teiletappe. Wir haben beschlossen, eine Pause einzulegen, um Freunde und Familie in der Schweiz zu besuchen. In dieser Zeit werden wir unseren Suri in Windhoek unterstellen.
Drei Monate später befinden wir uns erneut in Namibia.
Die letzten Monate bewegten wir uns ständig zwischen Erster und Dritter Welt, zwischen Wohlstand und Armut, zwischen heiler Welt und einer Welt ohne oder wenig Hoffnung. Auch Windhoek, die Hauptstadt Namibias macht da keine Ausnahme. Die hohe Arbeitslosigkeit unter den schwarzen Bevölkerungsschichten, man schätzt sie auf achtzig Prozent, betrifft auch den Reisenden. Vermehrt kommt es zu Diebstählen und Autoeinbrüchen. Unseren Freunden wurde mitten am Tag in Windhoek an einer Ampel bei laufendem Motor die Scheibe eingeschlagen und das Handy geklaut. Anderen wurde auf dem Supermarktparkplatz die Tür aufgebrochen und unsere Campingnachbarn müssen heute auf die Botschaft, da ihnen ebenfalls auf einem bewachten Parkplatz die ganze Reisetasche mit Kreditkarten und Reisepässen aus dem Auto geklaut wurde.
Noch vor ein paar Stunden waren wir im Shoppingcenter hier in Windhoek einkaufen. Über Lautsprecher wurden die Kunden vor Handtaschendieben gewarnt, die ihr Unwesen treiben würden. Plötzlich Gekreische! Ein Schwarzer flitzt an mir vorbei und dahinter ruft eine ältere Frau: »Haltet den Dieb, er hat meinen Geldbeutel geklaut.« Die Leute von der Securitas spurten dem Schwarzen hinterher, quer durch die Mall.
Hier in Afrika, wo der Wohlstand unmittelbar auf die Armut trifft, ist das soziale Gefälle am sichtbarsten. Läden mit Rolex-Uhren sowie Gucci-Handtaschen und vor dem Schaufenster ein paar Schwarze, die genau wissen, dass sie sich so was nie im Leben werden leisten können. Natürlich ist jeder Diebstahl falsch und muss geahndet werden, doch wie würden wir reagieren, wenn wir an ihrer Stelle wären ohne jegliche Perspektive? Nicht wissend, wie man den nächsten Tag über die Runden bringen soll?
Unter diesen Umständen ist es kaum zu glauben, dass uns noch nie etwas gestohlen wurde. Noch nie wurden wir ernsthaft bedroht. Was für ein Privileg! Erst neulich noch konnten wir in das Flugzeug steigen und die Armut einfach hinter uns lassen. Natürlich haben auch wir in Europa unsere Probleme, vermehrte Kriminalität, Flüchtlingswellen und so weiter, doch meistens klagen wir auf einem sehr hohen Niveau im Verhältnis zu anderen Ländern.
Darum genießt jede Minute eures Lebens, denn man weiß nie, was als Nächstes passiert.