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ОглавлениеKAPITEL 1
Wir, die Reisenomaden
Nun ist es schon acht Jahre her, seit wir unsere Bäckerei verkauft haben. Lange hatten wir davon geträumt, wie es wohl wäre, alles aufzugeben und mit einem eigenen Fahrzeug die Welt zu entdecken, die festen Bestandteile des täglichen Lebens zurückzulassen, um sich in die Fremde zu wagen.
Der Auslöser war Afrika. Vor vielen Jahren verbrachten wir mal einen dreiwöchigen Urlaub in Namibia. Dort sahen wir im Busch eine Wagenburg aus Expeditionsfahrzeugen. Alle hatten verschiedene Nummernschilder und es schien, dass sie schon Jahre unterwegs waren.
»Die Leben unseren Traum«, sagte ich zu Ruth, meiner Frau. »Was meinst du, wann können auch wir das realisieren?«
Mit verträumten Augen meinte sie: »Jetzt kehren wir erst mal nach Hause zurück, arbeiten hart und setzen alles daran, dass wir mit spätestens fünfzig ebenfalls mit einer Tasse Kaffee am Lagerfeuer sitzen, um über die Welt mit ihren verschiedenen Bewohnern und fantastischen Landschaften philosophieren zu können.«
Am Anfang sind es Träume. Sie zeigen einem ein erstes verschwommenes Bild der eigenen Wünsche und Ideen, die die meisten Menschen kaum verstehen können. Unsere Gesellschaft ist geprägt vom Leistungsdenken und dem dazugehörigen Anhäufen von Wohlstand, der das Materielle überbetont. Wir leben in einer reizüberfluteten Welt, die unser Innenleben zu verkümmern droht. Die moderne Informationsgesellschaft überschwemmt uns und überall muss die Effizienz gesteigert werden. Da haben die Gedanken von grenzenloser Freiheit nur wenig Raum. Doch die Träume kommen immer und immer wieder und lassen sich nicht verdrängen. Das muss wohl eine Krankheit sei sein, wahrscheinlich ein Virus – ein Reisevirus (zum Glück kein Corona Virus!).
Ein prägendes Gespräch führten wir vor ein paar Jahren in unserem Café mit jemandem, der viel mit Leuten zu tun hatte, die im Sterben lagen. Diese Person erzählte uns, dass die Sterbenden oft gesagt hätten, sie bereuten, dass sie all ihre Träume und Pläne immer wieder hinausgeschoben hätten und diese nun nicht mehr verwirklichen könnten.
»Das soll uns nicht passieren«, sagten wir uns, »wir wollen unsere Träume realisieren, solange wir noch fit und gesund sind. Im Grunde genommen geben wir nichts auf, im Gegenteil, wir gewinnen unendlich viel dazu.«
Wir wollten die Welt live erleben, eintauchen in das Leben einer uns bisher fremden Welt, uns ins Abenteuer stürzen, ohne den Zeitdruck eines engen Jahresurlaubs, der nur einen flüchtigen Blick hinter die Kulissen erlaubt. Wir wollten Zeit haben für uns selbst und für einander. Das war unser eigentlicher Traum.
Im Jahr 2008 kam die Gelegenheit, unsere Bäckerei/Konditorei mit Café zu verkaufen. Kurzerhand ergriffen wir die Gelegenheit beim Schopf, gaben das Geschäft in neue Hände und begannen mit der Organisation unserer Träume, die nach und nach Gestalt annahmen.
Wir kauften ein expeditionstaugliches Fahrzeug, einen Toyota Landcruiser HZJ79, ein sogenanntes Buschtaxi, und ließen nach unseren Plänen eine solide Aufbaukabine herstellen, die wir liebevoll Suri nannten. – Schon seit vielen Jahre hatten wir eine Alpakazucht. Es gibt zwei verschiedene Alpakatypen, das Huacaya- und das Suri-Alpaka. Beide kommen in der Region vor, die wir bereisen wollten. Das Suri ist eine elegante, majestätische und exklusive Erscheinung. Man wird in seinen Bann gezogen, wenn es über die Weide springt und sich seine langen Haare wie ein Vorhang im Winde hin- und herbewegen.
Suri sollte uns vor der arktischen Kälte im hohen Norden sowie der glühenden Hitze in den Tropen schützen. Zudem sollte er in den meisten Ländern dieser Welt zu reparieren sein. Das heißt, wir verzichteten bewusst auf elektrische Einspritzpumpen, elektrische Fensterheber und dergleichen; nur das Nötigste und Zuverlässigste sollte eingebaut werden.
Damit wir mit unserem neuen Wohnmobil mehrere Wochen völlig autonom unterwegs sein können, ist auf dem Dach eine leistungsstarke Solaranlage installiert, die unsere Bordbatterie und somit den Kühlschrank, die Heizung und alle andern elektrischen Geräte mit genügend Energie versorgt. Mit 150 Liter Wasser und 180 Liter Diesel können wir uns längere Zeit außerhalb von bewohntem Gebiet aufhalten. Eine Filter- und Entkeimungsanlage sorgt dafür, dass Flüssigkeit aus nahezu jedem Bach in Trinkwasser umgewandelt werden kann.
Wir hofften, damit genügend gerüstet zu sein für die große Reise. Fragte sich nur noch wohin: Osten, Westen oder Süden?
Schon seit Langem hatten wir Reisebücher über die Panamericana verschlungen, waren bei Multimedia-Vorträgen und hatten das Internet nach Reiseberichten über eben diese Länder durchforstet. Somit schien klar, dass wir die nächsten Jahre Nord-, Mittel- und Südamerika bereisen würden.
Man mag vermuten, dass in so einem Moment die Freude wohl grenzenlos sei. Tatsächlich ist es schwierig, das in Worte zu fassen, denn die Gefühle schwankten zwischen Wehmut und Freude. – Vorfreude auf das große Abenteuer, die neuen Eindrücke und die vielen Begegnungen, aber auch Wehmut, die Lieben sowie die vertraute Umgebung hinter uns zu lassen. Dazu kam die Unsicherheit, wie es wohl sein würde, wenn wir wieder zurückkämen? Wie ginge es bis dahin unseren Eltern?
Nicht selten hörten wir die kritischen, sicherlich gut gemeinten Worte unserer Freunde: »Wollt ihr denn alles einfach so aufgeben? Ein gut gehendes Geschäft, euer Haus, die Sicherheit und Geborgenheit einer gut funktionierenden Sozialstruktur? Wie steht es mit den Finanzen, der Altersvorsorge? Ganz zu schweigen von den Gefahren!«
Dieser Traum, den wir da hatten, ist auch eine zwischenmenschliche Herausforderung. Man ist praktisch 24 Stunden pro Tag auf engstem Raum mit seinem Partner zusammen. Das heißt, man muss Kompromisse eingehen und bereit sein, sich Problemen zu stellen. Man kann nicht wie zu Hause einfach die Tür zuknallen – denn dann steht man im Regen.
Doch es gibt immer einen Grund, es trotzdem zu tun. Let’s go! Packen wir’s an! Starten den Motor und los gehts!