Читать книгу Analyseträume - Walter Pollak - Страница 5

Vorwort

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Also keine Traumanalyse sondern Analyseträume, was deren Deutung allerdings nicht ausschließt. Es handelt sich um Träume, die im Verlauf einer psychoanalytischen Behandlung tatsächlich so geträumt und jeweils aufgeschrieben wurden, um sie nicht gleich wieder zu vergessen, denn es ist eine allgemeine Erfahrung, dass Träume leider entweder gar nicht erinnert werden oder sehr schnell wieder aus dem Gedächtnis entschwunden sind. Man hatte sogar einen Notizblock auf dem Nachttisch liegen, um bei nächtlichem Erwachen etwas soeben Geträumtes gleich festzuhalten, wenigstens in Stichworten. Am nächsten Tag konnte man ergänzend den gesamten Traum notieren. Leider sind die Aufzeichnungen recht rudimentär, denn sie sollten nur dazu dienen, die nächtlichen Vorgänge für die darauffolgende Analysesitzung bereitzustellen, als Erinnerungshilfe. Dass mehr als 30 Jahre später ein Buch daraus werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht abzusehen. In dem Falle hätte man sicherlich ausführlicher und assoziativ erweitert dokumentiert. Damals war das viele Träumen und Aufschreiben aus einer Not heraus entstanden: Was soll man dreimal die Woche auf der Couch liegend dem Analytiker erzählen, der selbst überwiegend schweigsam hinter einem saß und nur gelegentlich orakelhafte Äußerungen von sich gab? Vergangenes war irgendwann erschöpfend ausgeführt worden, und aktuelle Geschehnisse wurden zwar in aller Breite gewürdigt, boten aber dennoch nicht immer genügend Stoff, um die gefürchteten „Leerzeiten“ zu füllen. Es war demnach die Angst vor dem Schweigen, vor dem Verstummen, die ausreichend dazu motivierte, vermehrt auf das Unbewusste zu lauschen, das sich eben vorwiegend mittels der Träume, in verschlüsselter Form offenbart. Man war auch immer bemüht und vorwitzig genug, um diese möglichst selbst zu deuten und in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Schließlich hatte man den Beruf des Psychotherapeuten gewählt und übte ihn sogar bereits aus, als Anfänger zwar und in der Ausbildung, aber das diesbezügliche Selbstbewusstsein war bereits sehr ausgeprägt, und es lag wohl eine natürliche Begabung vor in diesen Dingen, also im Erkennen von Symbolen und verdeckten Sinnhaftigkeiten, und so konnte man schon eine gewisse „Deutungshoheit“ beanspruchen. Dennoch kann man die eigenen Traumbildungen nur bedingt selbst erklären und verstehen. Schon Sigmund Freud hatte auf die sog. Zensur hingewiesen, die nicht nur innerhalb des Traumes für Verwirrung sorgt, sondern es auch dem Träumer erschwert, selbst hinter den Sinn zu kommen und das Wesentliche zu erkennen. Es kann also durchaus passieren, dass man den Eindruck hat, alles bestens durchschaut zu haben, und doch gibt es den berühmten blinden Fleck, und schon ist einem die Hauptsache entgangen!

Im Rentenalter und aufgrund einer unfreiwilligen Auszeit konnte man sich erneut mit der Traumdeutung beschäftigen, sowohl theoretisch als auch praktisch in der Form von Traumseminaren, also der Arbeit mit Träumen in einer Gruppe. Ein schon lange gehegtes Interesse für C. G. Jung und seine Erkenntnisse zur Symbolik, den Archetypen und dem kollektiven Unbewussten konnte nun umgesetzt werden durch ein vertieftes Studium seiner Werke und die Lektüre von Beiträgen seiner Schüler. Dies wiederum brachte natürlich eine ungeheure Bereicherung hinsichtlich des Verständnisses von Träumen und von deren Funktion. Sicherlich war die „Traumdeutung“ von S. Freud ein Meilenstein diesbezüglich, aber mit Jung kam sozusagen das Salz in die Suppe oder das Tüpfelchen auf das i. Er meinte ja, dass wahre Abenteuer darin bestehen, ins Unbewusste einzutauchen, um es zu ergründen. Und so nahm man sich nach langer Zeit nochmals die Sammlung der „alten“ Träume aus der Analysezeit vor, die man wohlweislich wie einen Schatz aufbewahrt hatte, und die man nun im Lichte neuer Erkenntnisse und nach einer langen Erfahrung als Mensch und als Psychotherapeut neu begutachten und verinnerlichen konnte. Dabei entstand die Idee, auch andere daran teilhaben zu lassen, also ein Buch daraus zu machen, nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, auf diese Weise das Interesse für die Träume und deren Deutung bei einigen zu wecken oder zu verstärken. Es wurde fast ein drängendes Bedürfnis, dies zu tun, da es von unschätzbarem Wert sein kann, sich mit dem Unbewussten zu beschäftigen, auch im Sinne einer gelingenden Individuation, im Sinne einer zunehmenden Harmonie zwischen den Tiefen und Abgründen des Unbewussten und dem bewussten Selbst, also einer Weiterentwicklung hin zu einer Einheit und Ganzheit, ohne allzu krasse innere Spaltung und Entfremdung vom eigenen Wesenhaften. Vielleicht werden dadurch auch die Kraft des Unbewussten erkennbar, die sich vor allem in den Träumen manifestiert und die von sich aus eine prägende und modellierende Wirkung auf das bewusste Ich ausübt, sowie die selbstregulierenden Mechanismen der Psyche. Es soll versucht werden, durch eine subtile und differenzierte Herangehensweise die Vielschichtigkeit von Träumen und Traumsymbolen aufzuzeigen, sowie die Notwendigkeit einer individualisierten und kulturell-kontextuell eingepassten Deutung darzulegen. Beim Erfassen der Traumsymbole wurde teilweise auf die Schweizer Internetseite „Der Traumdeuter.ch“ zurückgegriffen, die eine sehr umfangreiche und vielschichtige diesbezügliche Sammlung enthält und sich insbesondere auf das indianische, schamanische „Medizinrad“ beruft. Ich werde im weiteren Verlauf des Buches nicht mehr im Einzelnen darauf verweisen. Zwangsläufig handelt es sich bei diesem Buch nicht um eine Geschichte mit einer Handlung, die fortlaufend erzählt wird, sondern es werden unterschiedliche Träume aneinandergereiht erzählt und gedeutet, nur selten miteinander in Verbindung stehend, ähnlich vielleicht wie die Aneinanderreihung von Kurzgeschichten, die jeweils in sich abgeschlossen sind. Der aufmerksame Leser wird aber vielleicht einen roten Faden und eine Entwicklung in der Traumserie entdecken.

Die Träume einfach nur wiederzugeben, ohne Kommentar, wäre sicherlich keine gute Idee, denn der Leser erwartet zu Recht eine Hilfe, die Träume auch zu verstehen und in einen Kontext einordnen zu können. Die eigene Deutung wird leider rudimentär bleiben, wie immer, wenn auch angereichert durch die Erfahrung und neu gewonnene Erkenntnisse, aber möglicherweise kann der Leser ja selbst etwas dazu beitragen, alles noch besser zu verstehen, denn sein eigenes Unbewusstes wird durch das Nachdenken über die Träume angeregt, gerät in Schwingungen und sieht dann vielleicht Dinge, die bisher übersehen wurden. Man kann es für vermessen halten, die eigenen Träume zu deuten und dies auch noch zu publizieren. C. G. Jung meinte, dass die meisten Analytiker ihre eigenen Träume nicht verstehen können. Es soll indessen den Versuch wert sein, verbunden mit der Einschränkung, dass alles nur Stückwerk bleibt und immer nur ansatzweise gelingen wird, was aber für die Traumdeutung ganz allgemein zu gelten hat.

Eine wichtige Frage stellte sich gleich zu Beginn des Unterfangens: sollte man schonungslos alle Träume wiedergeben, ohne Rücksicht auf Verluste, oder war es angebracht und klüger, eine erweiterte „Traumzensur“ vorzunehmen und gewisse allzu intime und „heikle“ Träume zunächst auszusondern und nicht zu veröffentlichen? „Zunächst“ könnte auch bedeuten: zu einem späteren, geeigneten Zeitpunkt doch noch „alles“ preiszugeben. Es erwies sich ohnehin als sinnvoller, eine gewisse Auswahl zu treffen, da eine eingehende Bearbeitung aller Träume zu langwierig geworden wäre und nicht immer hilfreich. Es gibt den Song „Träume lügen nicht“, und es ist wohl tatsächlich so, dass aus ihnen die Wahrheit spricht, und meiner Erfahrung entsprechend wird auch in den Träumen nicht bewusst gelogen, was Abwehrprozesse wie die Verleugnung allerdings nicht ausschließt. „Bewusst“ ist in den Träumen ohnehin nichts, und so ist meine Feststellung ein wenig absurd.

Die eigene Analyse war eine „freudianische“, und es heißt, dass die Träume während einer Psychoanalyse sich unbewusst auf die Erwartungen des jeweiligen Analytikers einstellen, und somit wären bei einem „Freudianer“ eher die sexuelle Symbolik und Zusammenhänge mit dem „ödipalen“ Konflikt und den einzelnen psycho-sexuellen Entwicklungsphasen vorherrschend, sowie die Übertragung, während bei einem „Jungianer“ mythologisch-archetypische Inhalte verstärkt zum Ausdruck kämen. Tatsächlich sind in der vorgelegten Traumserie solche Traumbilder eher selten, kommen aber immer wieder vor und erhalten eine besondere Brisanz.

Dieses Buch enthält autobiographische Elemente, da es einen längeren Zeitraum meines Lebens beleuchtet und auch immer wieder in die Vergangenheit verweist. Man könnte mir einen gewissen Exhibitionismus vorwerfen, da es trotz sorgfältiger Auswahl um sehr intime Vorgänge und Fantasien geht. Aus diesem Grund behandeln andere Autoren lieber die Träume ihrer Patienten. Ich selbst habe diesen Weg gewählt, auch weil er mir die Möglichkeit gibt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erledigen. Einmal zwingt es mich, selbst gründlicher in die Tiefen meines Unbewussten hinabzusteigen und mich mit den damaligen Inhalten und Prozessen auseinander zu setzen, so dass beim Schreiben der Eindruck entstand, ich hätte diese Träume erst jetzt richtig verstanden, und zum Zweiten denke ich, dass es für andere durchaus eine Bereicherung sein kann, mir auf diesem Weg zu folgen, insbesondere für diejenigen, die selbst eine Analyse hinter sich haben oder eine solche noch beabsichtigen. Es handelt sich sozusagen um das Heben eines vergrabenen Schatzes, den ich mit meinen Lesern teilen möchte.

Zum besseren Verständnis dieses Buches möchte ich hier noch ein paar Dinge zur Technik der Traumdeutung sagen. Objektstufige Deutung meint, dass im Traum alle Personen als außerhalb vom Träumer existierend betrachtet werden. Wenn ich also vom Analytiker träume, dann kann man zunächst die Beziehungsaspekte zwischen ihm und mir, die im Traum erkennbar werden, deuten, also auch die Übertragungsaspekte. Subjektstufige Deutung meint, dass ich den Analytiker nicht mehr als getrennt von mir sehe, sondern als einen Teil meines Selbst, also beispielsweise des Über-Ichs. Er kann aber auch eine archetypische Symbolik verkörpern, etwa den „Alten Weisen“ oder eine Heldenfigur. In dem Falle wäre er ein Symbol der „übergeordneten Persönlichkeit“ oder des Selbst als Ganzes, oder auch einer transpersonalen Elternfigur, etwa der Großen Mutter. Wenn von der „transzendenten Funktion“ die Rede ist, so handelt es sich um die fortlaufende Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegensatzposition des Unbewussten und den Übergang in eine neue Einstellung der Welt und dem Leben gegenüber, die Tendenz, das vereinigende Symbol hervorzurufen, etwa die Gottesgeburt. Wenn vom „Schatten“ die Rede sein wird, dann handelt es sich um die dunkle Seite der Persönlichkeit, um die Anteile, die vom bewussten Ich abgelehnt oder abgewehrt wurden, aber auch die nicht gelebten, positiven Potenziale, jeweils kompensatorisch zur bewussten Einstellung. Sind wir depressiv und voller Ängste, dann neigen wir in einer Art von Tunnelblick dazu, diesen „edlen“ und positiven Kern zu übersehen, und die Träume können hier eine Korrektur bewirken, wenn wir auf sie achten. Die Auseinandersetzung mit dem Schatten und dessen Integration sind wesentlich für den Individuationsprozess. In einem gewissen Sinn bezeichnet der Schatten das gesamte Unbewusste, und Jung hat den Begriff letztlich auf diese Weise verstanden. So gesehen wären alle Traumfiguren Schattenanteile, da Träume Produkte des Unbewussten sind, auch wenn sie gleichzeitig halbbewusste Phänomene sind, da durch sie die Schwelle zum Bewusstsein überschritten wird.

Archetypen sind Formen oder "Ideen", ähnlich den platonischen, die im „kollektiven Unbewussten“ enthalten sind und beim Erscheinen in Träumen oder Visionen eine symbolische Bedeutung erhalten, indem sie als Bilder und Vorstellungen zum Ausdruck kommen. Sie werden nicht mit den Genen vererbt, aber es ist in jedem Menschen die Bereitschaft oder "Patterns of behavior" (Verhaltensmuster) angeboren, diese Inhalte aufzunehmen und zu verinnerlichen. C. G. Jung definierte den Archetypus als angeborenen, typisch menschlichen, geistigen Spielraum oder die noch nicht ausgedrückte Möglichkeit menschlicher Anschauung. Es handelt sich um Grundmuster seelischen Erlebens. Erst die Projektion erlaubt ein symbolhaftes Erleben von Inhalten des kollektiven Unbewussten. Die in diesem Buch vorgestellten Bilder und Symbole sind wohlgemerkt nicht selbst Archetypen! Diese sind unanschaulich! Das kollektive Unbewusste wird durch Mythen, Sagen und Märchen, aber auch durch die bildende Kunst und die Poesie, seit Menschengedenken genährt und überliefert. Es bildet den tiefsten Fundus des Unbewussten und taucht gelegentlich in den Traumbildern auf. Man spricht dann von „großen Träumen“.

Natürlich kann man die vorgestellten Träume auch ganz anders verstehen und deuten. Meine Sichtweise ist subjektiv und geprägt von meinem psychologischen Typus. Sie wird deshalb auch eher jenen einleuchten, die ähnlich „gestrickt“ sind. Eine Verständigung und Übereinstimmung wird aber immer dort möglich sein, wo es um die kollektiven Anteile des Unbewussten geht.

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