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Römer, Hammachers Assistent, ein Mann, der aus der Jugendbewegung eine graugrüne Regenpelerine und aus dem Krieg ein lahmes Bein mitgebracht hat — beides trägt er mit Anstand und einer koketten Freude am Auffälligen — der kleine braune sommersprossige Römer und der große elegante weißhäutige Hammacher stürmen am Tag darauf kurz nach elf das Kunstgewerbegeschäht von Prinz & Priester am Kurfürstendamm. Es ist ein heißer Spätsommertag, die Frauen und die Müßiggänger, die manchmal Kunstgewerbe kaufen, sind im Freien oder sonnen sich auf ihren Balkonen und Dachgärten, oder — Mode dieses Sommers — im Bad des Lunaparks. Der Laden ist also leer.

Der Lehrling Rüdwin schläft über seine Flatterkrawatte gebeugt neben der Kasse, Fräulein Schnee sitzt in der engen grauen Garderobe, die eine Aussicht auf den Teppichklopfer hat, starrt vor sich hin, und qualmt die englischen Zigaretten auf, die der Freund nicht mehr geraucht hat.

Sie hat noch etwas versehwollene Augen. Um die Nasenwurzel ist sie rosa wie eine junge Maus. Aber als sie in den Laden herein kommt, legt sie den Kopf bereits wieder schief, als sie die Herren anlächelt und sie kann die Gobelinstoffe genau so anpreisen wie immer.

„Ganz nett“, flüstert sie, und rollt die Stoffballen ein wenig auseinander, die Rüdwin anschleppt. „Auch hübsch!“ „Nein, das gelbe nicht, Rüdwin, das gefällt Herrn Hammacher nicht.“

„Hier etwas für Herrn Römer! Huh — fressen Sie mich nicht. Ich finde es hübsch. Gut, es ist ja nicht mein Stoff, nehmen wir das altgoldene. Also ja. Wir brauchen uns nichts anderes anzusehen, das nehmen Sie ja doch.“

„Ich schon“, brummt Hammacher, „aber mein Margarinedirektor nicht. Was teuer ist, muß auch teuer aussehen.“

Er hält den Stoff gegen Iras blaßes Gesicht. „Schön“, sagt er und sieht sie lächelnd an.

„Mein Himmel, was machen Sie für Zähne“, lacht Ira entgegen, „Sie können wohl Knochen knacken?“

„Ja“, antwortet Hammacher stolz, „das kann ich. Ich habe eben einen Fabrikanten geknackt. Einen grobknochigen, zähen Herrn. Acht Zimmer Scharmützelsee. Dafür die Stoffe.“

Ira gratuliert herzlich und seufzt. Sie möchte auch mal Glück haben. Einen großen Auftrag zum Beispiel. Sie ist doch nicht Verkäuferin sondern Kunstgewerblerin oder Lebensverschönlerin wie Herr Römer das nennt. Kummer? Ja, sie hat neben den täglichen Miseren unter mannigfaltigem kleinen Malheur einen großen, gewaltigen Kummer, aber einen außerordentlichen privaten.

Die Herren verabschieden sich. In der Tür kehrt Hammacher noch mal um, als hätte er was vergessen. Er rennt auf Ira zu, schwenkt den Hut und sagt: „Also der Herr Bräutigam ... huuiit? Ja man sieht es. Na, es muß mal sein. Erlebt jeder, der eine vor, der andere nach der Ehe. Ist noch nicht lange her? Sehen frisch bekümmert aus. Sind nun viel allein. Na, kommen Sie mal zu uns. Jeden Donnerstag halb Neun. Nee, nur ein paar Menschen. Gut, also diesen Donnerstag. Meine Frau wird sich freuen.“

Er schwenkt nochmal den Hut und stürzt aus dem Laden. Römer wartet kopfschüttelnd im Wagen. „Nee, wissen Sie“, seufzt er, „die Schnee. Was haben Sie bloß?“

Hammacher schüttelt auch den Kopf. Er hat gar nichts, er ärgert sich über die Einladung. Vor allem, daß er gelogen hat. Seine Frau wird sich durchaus nicht freuen. Es sind schon immer genug Frauen mit demütigen Augen da. „Sie tut mir aufrichtig leid,“ sagt er lauter als nötig ist. „Es weiß doch jeder, wie es einem zu Mute ist, wenn der erste davonläuft. Da muß man ein bißchen nett sein.“

„Hm“, sagt Römer, „und wann wollen Sie bauen?“

Das versteht Hammacher nicht oder vielmehr er will es nicht verstehen. Darum muß Römer noch ausdrücklich erklären: „Ja, wenn Sie gegen alle nett sein wollen, denen der erste Freund davonläuft ...“

Es gibt einen kleinen Streit über Ira Schnee, ob sie unter die Rubrik „alle“ fällt, oder was besonderes ist. Ihr Schicksal, wird von den beiden festgestellt, ist eine durchschnittliche Nachkriegsdeklassierung. Die Art, wie sie es trägt, tapfer, wenn auch ungeduldig. Ihr Hochmut ist unecht. Ihr Aussehen gut, seit sie sich die Haare abgeschnitten hat, die sie noch vor einem Vierteljahr zu einem Knoten gebunden in einem kleinen Netzsäckchen trug, in einem Säckchen wie Kinder sie für die Murmeln haben. Ihr Körper ist wohl geformt trotz einer gewissen Neigung zur bäuerlichen Breite, die wiederum nicht zu ihren Bewegungen paßt. Im ganzen: die beiden sehen sich fragend an. Sie ziehen die Schultern hoch, lachen. Im ganzen? Na, es ist halb so wichtig.

Und während Ira Schnee ihre fünfte englische Zigarette in Brand setzt, um dann lächelnd und fletschend vor einem kleinen Taschenspiegel das Hammachersche Gebiß, dieses merkwürdige Vorschieben von Kinn und Unterkiefer nachzumachen, während Ira Schnee hin und her überlegt, ob sie versuchen soll, wieder Anschluß an ihre alten Kreise zu finden oder ob sie sich besser in Hammacher verliebt, was, wie sie erfahren hat, auch kein größeres Risiko ist als so eine Geschichte mit einem unverheirateten Jungen ihrer Kreise, der nichts ist und nichts kann und nichts bietet, nicht einmal eine Heirat, was zwar das meiste aber auch das wenigste ist, was man verlangen kann, während Ira Schnee also beschließt, am Donnerstag erstmal zu Hammachers zu gehen und „das Terrain zu sondieren“ (so pflegte ihr Vater immer zu sagen), währenddessen sind Römer und Hammacher längst mit anderen Dingen beschäftigt.

Sie sind im Holzhof der Tischlerei von Gebrüder Sachse und suchen mit dem alten Sachse, dem Alleininhaber, von den Architekten „Herr Gebrüder“ genannt, Hölzer und Fourniere für die Breuelschen Möbel aus. Sie kramen die Hölzer sorgfältig alle um, lassen die unbrauchbaren liegen und schleppen in Hemdsärmeln, die steifen Hüte auf den Köpfen, vergnügt pfeifend die brauchbaren in die Mitte des Holzhofes. Dazu scheint eine brühwarme Sonne.

Wer denkt an Frauenzimmer, wenn er mit sonnenwarmem Holz hantieren darf!

Komödie der Liebe

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